Persönlichkeit vor Fachwissen
Gleich zu Beginn möchte ich eine grundsätzliche Frage stellen: Stauden und Hotels werden ganz offiziell nach „Sternchen" bewertet. Dürfen wir Chefs gleichermaßen über Menschen urteilen? Erheben wir uns dabei nicht auf eine uns nicht zustehende Ebene?
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Jens Schachtschneider (Jahrgang 1962) gründete nach dem Besuch der Meisterschule 1986/87 (Baumschule) eine Staudengärtnerei in Neerstedt. Er war unter anderem Präsident des Nordwestdeutschen Gartenbauverbands und Gründungsmitglied des Stauden Rings. Er ist verheiratet mit Maike, die beiden Söhne Torben und Finn sind mittlerweile in unternehmerischer Verantwortung in einem von zwei Betrieben des Unternehmens.
Arbeitszeugnisse stelle ich gerne aus, wenn ich auf diese Weise meinen Dank und Respekt gegenüber geschätzten Mitarbeitern ausdrücken darf. Ungleich schwerer fällt es mir, wenn dieses nur eingeschränkt der Fall ist. Da ist es gut, dass negative Formulierungen in Zeugnissen untersagt sind. Dies führt uns gar nicht erst in Versuchung, unseren vermeintlichen Unmut zum Ausdruck zu bringen. Im Gespräch nutzen wir gerne die für alle Beteiligten faire Formulierung „Es hat nicht gepasst".
Allerdings hilft es niemand, wenn Probleme im Betriebsalltag nicht angesprochen werden. Lasst uns konkret werden: Was führt zu einer Unzufriedenheit seitens des Arbeitgebers? Liegen die Gründe mehr auf der gärtnerischfachlichen oder der persönlichen Ebene? Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns jemals von einem Mitarbeiter aufgrund unzureichender gärtnerischer Fachkompetenz getrennt haben. Nach meinen Erfahrungen konzentriert sich bei Problemen die Kritik auf folgende Bereiche: Unzuverlässigkeit, geringer Eigenantrieb, mangelnde Teamfähigkeit, charakterliche Defizite oder eine geringe körperliche Belastbarkeit. Dieses sind also keine fachlichen, sondern vorwiegend Persönlichkeitsmerkmale.
Sind Mitarbeiter und Führungskräfte richtig ausgebildet?
Wenn dieses nicht nur bei uns im Betrieb so sein sollte, ergeben sich in der Folge einige Fragestellungen: Achten wir in der Berufsausbildung zu sehr auf fachliche Themen und zu wenig auf die Persönlichkeitsbildung? Oder müssen wir viel früher ansetzen? Haben wir die richtigen Schwerpunkte in unseren allgemeinbildenden Schulen? Leider erhalten bekanntlich Kinder und Jugendliche die uns wichtigen Werte nicht immer ausreichend im Elternhaus vermittelt. Während meiner Meisterschule lag der Schwerpunkt im Bereich Berufs- und Arbeitspädagogik auf den rechtlichen Grundlagen. Eine praxisnahe Vorbereitung auf die zukünftigen Herausforderungen in der Personalführung erfolgte hingegen kaum. Immerhin betrug der Notenanteil an der Gesamtbewertung bereits damals für „BAP" ein Drittel. Damit stellt sich die Frage, ob auch der Unterrichtsanteil diesen Umfang haben sollte?
Wie gut sind wir in der Einarbeitung neuer Mitarbeiter?
Mit dem Finger auf andere zeigen ist leicht. Wer dieses tut, richtet bekanntlich zugleich mindestens drei auf sich selbst. Wie gut sind wir also in unseren Betrieben bei der Vermittlung unserer Erwartungen? Es könnte ja sein, dass wir diese selbst zwar vor Augen haben, es jedoch versäumen, sie in nachvollziehbarer Form zu vermitteln.
In unserem Betrieb setzen wir auf Mitarbeiter, die die uns wichtigen Grundwerte verinnerlicht haben und aktiv leben. Dazu zählt nicht nur eine stabile Eigenmotivation, sondern ebenso ein freundlicher Umgangston und ein positives Zugehen auf neue Mitarbeiter. Wir schauen, dass Neueinsteiger – ob ausgebildet oder ohne Berufsqualifikation – in der ersten Zeit möglichst viel mit diesen „Willkommenslotsen" zusammenarbeiten. Sichtbares, vorgelebtes Handeln ist nach meiner Erfahrung hilfreicher als viele Worte. Wenn sich Defizite zeigen, so sprechen wir diese an und zeigen zugleich auf, in welchen Bereichen es bereits gut läuft. Wichtig ist es, dieses Feedback zu geben. Denn nur so erhält der Mitarbeiter eine faire Chance der Veränderung. Zugleich bestätigen ihn die positiven Botschaften. Wenn trotz mehrfacher Hinweise und begleitender Unterstützung sich keine ausreichende Veränderung einstellt, so ist letztlich auch Konsequenz gefordert. Dafür lassen wir uns im Zweifelsfall bis zu zwei Jahre Zeit. Denn von der Ausbildung wissen wir, das insbesondere jüngere Menschen eine längere Phase der Eingewöhnung benötigen. Vielfach erspüren die Mitarbeiter jedoch selbst die Situation und verlassen zuvor von sich aus den Betrieb.
Ein auch bei uns kritischer Punkt ist der Zeitpunkt der Neueinstellungen. Sie erfolgten vielfach zum Saisonbeginn im Frühjahr. Kurze Zeit später steht der Betrieb „unter Strom". Da ist es eine kaum zu bewältigende Herausforderung, den Mitarbeitern die gebührende Aufmerksamkeit zu geben. Ein weiterer Aspekt ist die körperliche Tätigkeit im Gartenbau. Wir haben immer mal wieder junge Menschen als Saisonkräfte beschäftigt, die zwischen Schulabschluss und Ausbildung/Studium bekanntlich einige Monate Freiraum haben. Selbst wenn diese sportlich trainiert sind, so sind sie ein kontinuierliches körperliches Arbeiten nicht gewohnt. Daher gilt es, die eigene Erwartungshaltung diesem Umstand anzupassen.
Eine weitere Gefahr ist nach meinen Erfahrungen zu beachten: Dem Mitarbeiterstamm muss bewusst sein, dass die neuen Arbeitskollegen kommen, weil wir sie für die anstehenden Tätigkeiten benötigen und um uns zu entlasten. Also nicht, weil sie jemanden im bestehenden Team den Job streitig machen.
Die richtige Person auf den richtigen Posten
Ein Gartenfarn wird sich an der sonnigen Terrasse nicht gut entwickeln, ebenso tut sich der dafür geeignete Lavendel unter Gehölzen schwer. Bei uns Menschen ist es ähnlich. Es gibt Tätigkeiten, die mir liegen und an denen ich großen Spaß habe. Andere mag ich hingegen weniger und hier werde ich auch nie wirklich gut sein. Wer also in einem Bereich Schwächen zeigt, kann in einem anderen Tätigkeitsfeld aufblühen und wichtig für den Betrieb werden.
Wertvoll sind gute Führungskräfte, die einen engen Draht zu den Mitarbeitern haben. Diese bringen kreative Vorschläge ein. Ich selbst erwische mich immer wieder bei Denkblockaden. Wir Chefs stecken gerne Mitarbeiter in Schubladen, aus denen sie dann nicht mehr herauskommen.
„Nobody is perfect"
Im Leben ist ein gesundes Augenmaß gefragt. Im täglichen Miteinander stoßen wir alle unsere spitzen Ecken und Kanten ab. Grundsätzliche charakterliche Merkmale bleiben jedoch erhalten und das ist gut so! Diese Individualität zeichnet uns Menschen doch aus. Damit eckt jeder von uns in einer betrieblichen Gemeinschaft schon mal an. Soweit es im Rahmen bleibt, gilt es, dies nicht über Gebühr auf die berühmte Goldwaage zu legen. Manche Aufgeregtheit in unserer Gesellschaft ist für mich künstlich überhöht. Keiner von uns wird sich ernsthaft uniforme Einheitsgärtner analog der nordkoreanischen Volksarmee wünschen. „Ihr kennt doch den Peter. Ihr wisst, wie er ist und wie er es meint", ist da eine schöne, nachsichtige Formulierung. Wer so agiert, der darf selbst ebenso auf die Nachsicht seiner Mitmenschen hoffen.
Und zum guten Schluss: Wenn die Persönlichkeitsmerkmale stimmen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Fachkenntnisse und gärtnerischen Handgriffe sitzen. Daher sind uns Quereinsteiger aus anderen Berufen stets willkommen. Während der Corona-Pandemie haben viele Mitbürger die Freude im Garten und in freier Natur für sich entdeckt. Eine Chance für den Gartenbau!
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