Mach das, was Du wirklich kannst
Wir Chefs sind Allrounder. In unterschiedlichsten Rollen sind wir in unserem Betrieb gefordert und im täglichen Einsatz an ebenso vielen Stellen und mit der Erledigung zahlreicher Aufgaben unterwegs. Damit verbindet sich eine Gefahr: die Fehlannahme, Alleskönner zu sein.
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Selbst Zehnkämpfer haben Disziplinen, in denen sie Herausragendes leisten und andere, in denen der Wettbewerb besser ist. Die Tätigkeitsfelder im Gartenbau sind noch viel umfangreicher. Daher ist es unmöglich, in allen Bereichen wirklich gut zu sein. Von der Düngerlehre kennen wir das Gesetz des Minimums. Also dass der zu wenig vorhandene Nährstoff der begrenzende Faktor beim Wachstumserfolg ist. Nicht viel anders ist es in unseren Betrieben. Wird eine wichtige Komponente vernachlässigt, so wird diese für die Betriebsentwicklung oder gar die Existenz des Unternehmens zur Gefahr.
Wir Chefs müssen prüfen und entscheiden, wo wir unsere eigenen Schwerpunkte setzen. Was ist zeitlich leistbar und welche Jobs entsprechen meinen Talenten. Kein einfaches Abwägen. Es gilt zu prüfen, für welche Aufgaben Familienmitglieder oder Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit schlummern hier Fähigkeiten, die nur wachgeküsst werden müssen.
Übrigens halte ich es für das gute Recht des Chefs, sich nicht nur den verbleibenden Jobs anzunehmen, sondern auch ein paar Rosinen herauszupicken. Es gilt nicht nur das Aufgabenfeld der Mitarbeiter interessant zu gestalten, sondern auch selbst mit ein paar schönen Jobs die Motivation und Stimmung hoch zu halten. Gut gelaunte Chefs sind schließlich wichtig für das Unternehmen.
Auch „EDA-Kosten" kosten Geld
Wir Unternehmer stellen uns immer wieder die Frage outsourcen oder selbst machen. Zum Beispiel eine eigene Vermehrungsabteilung unterhalten oder Jungpflanzen zukaufen? Handwerkliche Tätigkeiten begrenzen wir ganz bewusst auf ein Minimum. Folgende Begebenheit sei erklärend geschildert: Ein Mitarbeiter versuchte sich an der Reparatur einer Maschine. Zuvor gab ich ihm den Hinweis mit: „Schau es Dir an und mach es nur, wenn Du sicher bist, das Gerät wieder flott zu bekommen." Nachmittags gab er auf: „Jens, ich habe alles versucht, aber wir müssen damit doch zur Werkstatt." Ein solcher Reparatur-Versuch kann privat im Erfolgsfall viel Geld sparen. Im Unternehmen sehe ich es anders. Die Erkenntnis des Mitarbeiters kam mir einige Stunden und damit über 100 € zu spät. Mitarbeiter an dieser Stelle als „EDA-Kosten" (weil sie „eh da" sind) zu verbuchen, halte ich für falsch.
Wir haben den Anspruch, Profis für Pflanzen zu sein. Hier wollen, ja müssen wir spitze sein, wenn wir uns am Markt behaupten wollen. Vermutlich sind viele von uns Gärtnern keine Experten für Elektronik, Gewächshausbau und Motoren. Wir im Betrieb sind froh, kompetente Fachfirmen an unserer Seite zu haben. Halbwissen und Halbkönnen kommt auf Dauer zu teuer. Es ist wichtig zu erkennen, wovon man besser die Finger lässt. Meine stetige Ungeduld hat Nachteile, aber an dieser Stelle bewahrt sie uns immerhin davor, uns zu verzetteln.
Delegieren schafft persönliche Freiräume
Wichtig ist, dass die jeweilige Aufgabenlast leistbar bleibt. Delegieren heißt das Zauberwort im Arbeitsalltag. Bei einigen unserer Gartencenter-Kunden ist das Bestellen der Pflanzen Chefsache. Vielfaches Problem ist jedoch der Zeitfaktor. Zudem ist es wertvoll, die Mitarbeiter im Verkauf aktiv einzubeziehen. Wer selbst die Ware einkauft, hat eine größere Motivation, dass diese erfolgreich vermarktet wird. Wer hingegen stetig die Pflanzen nur in die Abteilung hineingeschoben bekommt, dem fällt die Identifikation mit der Verkaufsware schwerer. Im gärtnerischen Alltag haben viele von uns Chefs ein Problem: Gerne möchten wir die Fäden in den Händen halten, allerdings hat man nur deren zwei. Wenn wir ständig von den Mitarbeitern gefragt werden, beklagen wir gerne die mangelnde Selbstständigkeit. Zugleich wissen wir, dass wir selbst dieses Problem zu verantworten haben und zu wenig Kompetenzen und Verantwortlichkeiten übertragen.
Während meiner Meisterschulzeit in Bad Zwischenahn besuchten wir wöchentlich Betriebe. Unternehmer führten uns durch ihre Baumschule und plauderten aus dem Nähkästchen. Die Randbemerkung eines Betriebsleiters habe ich mir gemerkt. Er hielt einen kleinen Spiralblock hoch und erklärte, dass er diesen stets dabei habe, um darauf Jobs für seine Mitarbeitenden und sich selbst zu notieren. Die Kulturführung zählt bislang zu meinen Aufgabengebieten. So fahre ich regelmäßig durch die Quartiere und notiere auf kleinen Blöcken alles, was mir auffällt. Diese gebe ich dann der Produktionsleitung, die diese Jobs in ihre Tagewerke integriert. Einfache Lösungen sind vielfach die besten.
Vor einigen Jahren, unsere Söhne waren noch nicht im Betrieb, spürte ich eine latente Unzufriedenheit in der Belegschaft. Der Betrieb war stetig gewachsen, unsere bisherige Organisationsstruktur passte nicht mehr. Ich spürte dieses, wusste aber nicht so recht, was zu tun ist. Vielleicht fehlte mir auch nur der Mut. So kontaktierte ich einen Personalcoach. Er warnte: Es wird viel Unruhe im Betrieb geben und es werden Dinge geschehen, die mir als Person mit einem hohen Harmoniebedürfnis nicht gefallen werden – vielleicht gar Kündigungen. Wir packten es dennoch an, es gab viele Gruppengespräche und dann kam der große Tag der Präsentation. Es rollte so manche Träne und die Stimmung war wie angekündigt im Keller. Niemand wurde verschont: Den Mitarbeitern wurde der Spiegel vorgehalten, die Führungskräfte erhielten deutliche Kritik und mir als Chef erging es keinen Deut besser. Mit der Umsetzung einer neuen Struktur und manchen Veränderungen gab es bald positive Impulse, die unser aller Gesichter wieder aufhellen ließen. Gemeinsam haben wir an uns gearbeitet. Es war richtig, für diesen Prozess Kompetenz von außen in den Betrieb zu holen. Uns haben kurz danach tatsächlich zwei langjährige Mitarbeiterinnen verlassen. Ich bedaure das bis heute, auch wenn es uns gelungen ist, die Lücken schnell zu schließen.
Von den Aufgaben eines Unternehmers
Es gibt Bereiche, da ist nach meiner Meinung die Chefkompetenz gefordert. Berater sind wichtig, ob in Steuer- und Rechtsfragen oder auch beim Pflanzenschutz. Bei der Geschäftsidee oder dem Gespür für Marktentwicklungen ist für mich hingegen bei unseren gartenbaulichen Betriebsgrößen insbesondere der Chef gefordert. Bezogen auf den Gartenbau heißt das konkret: Mit welchen Pflanzen bzw. Dienstleistungen will man sich am Markt positionieren. Jungpflanzenvertreter können einem zwar interessante Neuheiten vorstellen. Eine Vermarktungsstrategie muss man jedoch selbst entwickeln. Wer stets auf angesagte Kulturen aufspringt, der kommt vielfach ein Jahr zu spät.
Meine Jobs konzentrieren sich auf die anderen Jahreszeiten, so habe ich im Frühjahr gelegentlich Zeit, das Team unmittelbar zu unterstützen. Gerne stecke ich Bildetiketten an die Pflanzen. Ich bringe mich nützlich ein und sehe, ob die ausgehenden Qualitäten stimmen. Noch wichtiger: Ich nehme mich aus der Schusslinie und darf vielfach zufrieden feststellen: Es läuft auch (oder gar besser) ohne mich.
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