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    JENS SCHACHTSCHNEIDERS PRAXISGEDANKEN

    Lieferanten – so wertvoll wie Kunden

    Uns allen ist eine alte Kaufmannsweisheit vertraut: „Der Gewinn liegt im Einkauf.“ Unausgesprochen verbinden wir damit die Aussage möglichst günstig einzukaufen und teuer zu verkaufen. Lässt sich die Situation im Gartenbau tatsächlich so einfach darstellen?

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    Jeder von uns ist beides: Einkäufer und Verkäufer. Substrate, Jungpflanzen, Töpfe, Dünger und so weiter benötigen wir für unsere Kulturen. Zudem nutzen wir vielfältige Dienstleister und Handwerker vom Steuerberater, der Hausbank bis zum Elektriker und Heizungsmonteur. Und mit unseren Pflanzen schlüpfen wir selbst in die Rolle des Lieferanten.

    Kollegen, die vielfach über Absatzgemeinschaften an Filialisten unterschiedlicher Ausrichtungen liefern, klagen über einen immensen Preisdruck und Vertragsbedingungen, die kaum noch Luft zum Atmen lassen. Einerseits können große Mengen zum Fixtermin abgesetzt werden, zugleich wird mit harten Bandagen gekämpft. Ein faires Miteinander ist nicht immer gegeben. Vielfach bestehen große Abhängigkeiten zum Kunden und damit verbunden eine schlechte Verhandlungsposition.

    Der Gartenbau steht mit diesem Problem nicht alleine da. Unser Betrieb liegt inmitten einer Region, die von einer intensiven Landwirtschaft geprägt wird. Regelmäßig rollen in den letzten Monaten Traktorkolonnen durch unser Dorf auf dem Weg zu Demonstrationen vor Lieferzentren von Aldi, Edeka und Co. um gegen ruinöse Preise zu protestieren. Von den großen Automobilkonzernen wissen wir, dass sie ihren Mitarbeitern hohe Boni zahlen. Dabei ergibt sich ein fader Beigeschmack, wenn zugleich den Zulieferfirmen im In- und Ausland einschließlich deren Belegschaft ein enges Preiskorsett verpasst wird. Die oft gepriesene Solidarität der Gewerkschaften endet vielfach unmittelbar hinter dem eigenen Werktor. Oder denken wir an günstige T-Shirts, die in fernen Ländern unter unsäglichen Arbeitsbedingungen produziert werden.

    Ebenso gibt es völlig andere Konstellationen in der Lieferanten-Kundenbeziehung: Auf einer Studienfahrt mit dem hiesigen Baumschulberatungsring nach Italien besuchten wir auf dem Rückweg in Süddeutschland einen Berufskollegen, der sich inzwischen weitestgehend auf den gärtnerischen Einzelhandel konzentriert hat. Dieser schilderte uns ein Problem, das wir im Norden inzwischen auch spüren: Es gibt kaum noch Handwerksfirmen zur Absicherung der betrieblichen Grundversorgung. Die Mitarbeiter sind in die besserzahlende Industrie abgewandert.

    Fairness stärkt die Verbundenheit

    Unsere Kaufentscheidungen machen wir seit Jahren vom Service vor Ort abhängig und weniger von der Marke. Vor einigen Jahren wurde unserer Werkstatt der Händlervertrag mit unserem bisherigen Hoftrac-Fabrikat gekündigt. Heute verkauft diese eine andere kaum bekannte Marke. Das Vorführgerät ließ jedoch keine Schwächen erkennen. Unsere drei Fahrzeuge haben wir innerhalb weniger Jahre ausgetauscht und erfreuen uns auf diese Weise weiterhin an einem zuverlässigen Service. Natürlich hätte die Werkstatt ebenso die bisherige Marke gewartet. Es ist jedoch ein Gebot der Fairness, dieser auch das Geschäft des Verkaufes zu ermöglichen. Es stärkt zugleich unsere gegenseitige Verbundenheit.

    Wir selbst haben das Glück, nahezu ausschließlich an den gärtnerischen Fachhandel zu liefern. Ein Absatzkanal, der sich im Gartenbau erfreulicherweise im Gegensatz zu anderen Branchen weiterhin behauptet. Es sind die bekannten kleineren und mittleren Unternehmen mit der wertvollen, persönlichen Präsenz des Inhabers. Die Kommunikation erfolgt auf Augenhöhe. Diskussionen bleiben dennoch nicht aus. Sie werden jedoch meist fair und kollegial geführt. Kaum jemand möchte in unserer Branche, in der sich alles bald herumspricht, in einem schlechten Licht erscheinen. Wichtig ist bei alledem eine unternehmerische Unabhängigkeit, sowohl von Lieferanten als auch von Kunden.

    Einigen Lieferanten eilt der Ruf voraus, dass man mit ihnen gute Geschäfte tätigen kann, allerdings nur, bis ein Problem auftaucht. Nirgendwo geht immer alles glatt, weder bei uns, noch bei unseren Lieferanten.

    Kulanz und Vertrauen

    Die einvernehmliche Klärung von Problemen ist letztlich eine Charakterfrage und zwar für beide Seiten. Der Klassiker während der Saison ist bei uns ein falsch abgestellter CC, sowohl durch einen Spediteur als auch bei eigenen Auslieferungen. Oder das Stecken von Rittersporn-Etiketten an Phlox und bei diesen stecken dann die Bildetiketten der Delphinium. Beides menschliche Versehen, die nie ganz zu vermeiden sind. Bei gegenseitigem Verständnis können sie schnell geheilt werden. Wichtig dabei ist Kulanz auf der Basis des gegenseitigen Vertrauens. Wenn letzteres hingegen verloren gegangen ist, hat die Geschäftsbeziehung keine Zukunft. In einem Fall reklamierte ein Kunde eine erhebliche Anzahl Pflanzen und zwar nachweislich ohne jegliche Rechtfertigung. Ich beabsichtigte dennoch, mit der Faust in der Tasche, die Situation großzügig zu glätten. Da schritt das Büroteam ein und fragte, ob wir wirklich diese Zusammenarbeit fortsetzen wollten, wo ich doch stets Werte wie Ehrlichkeit und Fairness predige. Mir wurde bewusst, dass ich im Begriff war, mich vor meiner Belegschaft unglaubwürdig zu machen, nur um diese ohnehin kriselnde Geschäftsbeziehung zu retten. Ein zu hoher Preis! Wir verzichteten auf die Bezahlung der Pflanzen und stellten zur Überraschung des Kunden die Geschäftsbeziehung ein.

    Nicht bei warmen Worten bleiben

    Zurück zum Eingangszitat „Der Gewinn liegt im Einkauf". Wie wichtig ist für uns Pflanzenkultivateure der eingesparte letzte Cent bei Substrat, Topf oder Jungpflanze? Natürlich kann sich niemand erlauben, überteuert oder in schlechter Qualität einzukaufen. Die maßgeblichen Erfolgsfaktoren sind jedoch zumindest für unser Unternehmen die betriebliche Effizienz und eine hohe Verkaufsquote der kultivierten Pflanzen zu einem auskömmlichen Preis. Für den gärtnerischen Einzelhandel gilt ähnliches: Dieser benötigt in aller Selbstverständlichkeit zuverlässige Lieferanten mit attraktiven Sortimenten, die seitens der Kunden entsprechenden Zuspruch erzeugen. Nicht weniger bedeutsam ist es jedoch, die eigenen Hausaufgaben zu erledigen: vom optischen Gesamteindruck über die Warenpräsentation und -pflege bis hin zur freundlichen, kompetenten Kundenansprache. Mit anderen Worten: Wir Menschen sind geneigt, bei anderen kritische Maßstäbe anzulegen, während wir bei uns selbst Nachsicht walten lassen.

    Letztlich müssen alle Zahnräder ineinandergreifen. Nur wenn dieses gelingt, laufen die Lieferketten wie das viel zitierte Schweizer Uhrwerk. Wenn einer im Übermaß zum Nachteil der Anderen agiert, entsteht ein gefährlicher Abrieb. Daher ist eine gegenseitige, aufrichtige Wertschätzung die Basis einer funktionierenden Geschäftsbeziehung. Seit vielen Jahren bringen wir daher nicht nur gegenüber den Kunden zum Jahresende unseren Dank für die gute Zusammenarbeit zum Ausdruck, sondern ebenso gegenüber den Lieferanten und Dienstleistern.

    Warme Worte sind das eine, noch wichtiger ist jedoch das tägliche Handeln. Neben dem Umgang im Problemfall gibt es einen zweiten Charaktertest in jeder Geschäftsbeziehung: Das Zahlungsverhalten. Der eine oder andere nutzt seinen Lieferanten zugleich als Hausbank oder gewährt sich eigenmächtig einen Skontoabzug, der nicht den Vereinbarungen entspricht. Erfreulich ist nach unseren Erfahrungen, dass diese Unsitten in den letzten Jahren spürbar weniger geworden sind. Der Gartenbau ist diesbezüglich professioneller geworden. Hier passt ein schönes Zitat: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg‘ auch keinem anderen zu."

    Jens Schachtschneider (Jahrgang 1962) gründete nach dem Besuch der Meisterschule 1986/87 (Baumschule) eine Staudengärtnerei in Neerstedt. Er war unter anderem Präsident des Nordwestdeutschen Gartenbauverbands und Gründungsmitglied des Stauden Rings. Er ist verheiratet mit Maike, die beiden Söhne Torben und Finn sind mittlerweile in unternehmerischer Verantwortung in einem von zwei Betrieben des Unternehmens.

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