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Jens Schachtschneiders Praxisgedanken

Brauchen wir noch Verbände?

Früher war bei uns auf dem Dorf die Mitgliedschaft im Schützenverein eine Selbstverständlichkeit, ob man zur Flinte griff oder nicht. Gleiches gilt für die Zugehörigkeit zum örtlichen Sportverein und zur Feuerwehr – zumindest als Förderer. Mitglied einer Kirche war man sowieso, ebenso beim Berufsverband.
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Politiker mit den Sorgen und Nöten des Berufsstandes vertraut zu machen und letztlich auch eine akzeptable Lösung für uns Gärtner zu erreichen, ist eine der Aufgaben, um die sich Berufsverbände kümmern.
Politiker mit den Sorgen und Nöten des Berufsstandes vertraut zu machen und letztlich auch eine akzeptable Lösung für uns Gärtner zu erreichen, ist eine der Aufgaben, um die sich Berufsverbände kümmern.ZVG/Winkhoff
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Längst haben im Gartenbau – wie in anderen Branchen – wirtschaftliche Zusammenschlüsse an Bedeutung gewonnen. Viele Erzeuger vermarkten in Kooperationen oder Genossenschaften. Ebenso gibt es Einkaufsgemeinschaften, in denen Einzelhandelsgärtnereien zusammenarbeiten. Beim Blick in den Dienstleistungsgartenbau wissen wir von GaLaBau-Betrieben, die ebenfalls gemeinsam Synergien entwickeln und die Friedhofsgärtner schätzen ihre Treuhandstellen. Wir selbst gründeten mit mehreren Kollegen vor 25 Jahren den Stauden Ring, der uns bis heute wichtig ist. Wer in einer wie auch immer strukturierten Kooperation agiert, der kennt die damit verbundenen Herausforderungen, weiß aber vor allem ihre Vorteile zu schätzen.

Diese Partnerschaften sind Bestandteil des Tagesgeschäftes. Aktivitäten werden entwickelt, oft haben die Kooperationen unmittelbare Auswirkungen auf das betriebliche Wohlergehen. Da ist man motiviert, sich auch persönlich einzubringen. Der Berufsverband gerät dabei leicht ins Abseits der Wahrnehmung. Der eine oder andere fragt sich sogar, ob eine Mitgliedschaft notwendig ist.

Für mich war die Mitgliedschaft im Landesverband zunächst nur ein „notwendiges Übel", um in den Bund der Staudengärtner (BdS) eintreten zu können. Dieser fachliche Austausch mit Kollegen über Erfahrungen ebenso wie Pflanzen, war und ist für uns bis heute von großer Bedeutung. Nach über 30 Mitgliedsjahren muss ich vor dem BdS den Hut ziehen. Als Staudengärtner mag es nach Eigenlob klingen, aber was diese insgesamt nur etwa 100 Mitgliedsbetriebe kleine Gruppe an Aktivitäten entwickelt, verdient größten Respekt. Dabei steht die Pflanze im Mittelpunkt des Wirkens, bei der Sortimentssichtung, bei ökologischen Themen der Pflanzenanzucht bis hin zu den erfolgreichen Pflanzkonzepten. So nimmt die Tagesordnung mit den Berichten der diversen Arbeitsgruppen einen gesamten Tag ein. Diese außergewöhnliche Qualität habe ich erst über die Jahre einzuordnen gelernt.

Verbände sind das Sprachrohr der Betriebe

Ein paar Jahre später fand ich mich plötzlich bei dem „notwendigen Übel" auf dem Präsidentenstuhl wieder. Ich durfte die enorme Vielschichtigkeit des Gartenbaus kennenlernen und erhielt eine Schnellausbildung zum Krisenmanager. Während es bei den Staudengärtnern weitgehend um die schönen Themen ging, braucht kaum jemand seinen Landes- oder Bundesverband bei Sonnenschein. Aber leider kennen wir auch andere Wetterereignisse. Und so mangelt es nie an Themen und Sorgen, die so manchem Gärtner die gute Laune verderben. Unumgänglich sind gute politische Kontakte, um sich für betroffene Kollegen und vielfach den gesamten Berufsstand einzusetzen. Mit dem einen oder anderen Spitzenpolitiker vor der Kamera zu lächeln, mag noch ganz nett sein, auch für das persönliche Ego. Aber diese mit den Sorgen und Nöten des Berufsstandes vertraut zu machen und letztlich auch eine akzeptable Lösung für uns Gärtner zu erreichen, dieses ist eine herausfordernde Aufgabe. In meiner Amtszeit gab es immer wieder politische Bestrebungen, den verminderten Mehrwertsteuersatz für Pflanzen abzuschaffen. In Vergleich zu anderen Themen wäre dieses in den Folgewirkungen der „Super-Gau" für unsere Branche. So bin ich sehr froh, dass wir dieses Thema gemeinsam mit vielen Mitstreitern von der Tagesordnung holen konnten.

Viel präsenter sind uns die Erfolge des ZVG und der Landesverbände in der Corona-Krise. Das Schließen der Gartencenter versetzte die gesamte Branche in eine Schockstarre. Mit guten und vor allem plausiblen Argumenten und dank regionaler Kontakte zu den Abgeordneten ist es in vielen Bundesländern gelungen, die Endverkaufsstellen für Pflanzen frühzeitig wieder zu öffnen. Die Betriebe verhielten sich zudem vernünftig und umsichtig, so konnte gegenüber der Politik verdeutlicht werden, dass auf den Gartenbau Verlass ist. Für mich war dies einer der stärksten Auftritte unserer Branche, weil wir Gärtner geschlossen und verantwortungsvoll handelten.

Diese Geschlossenheit ist jedoch leider keine Selbstverständlichkeit. Die Vielfalt unserer Pflanzen und die damit verbundene Vielschichtigkeit der Betriebe macht den Gartenbau zu etwas Besonderem. So haben sich über die Jahre eine Vielzahl von Verbänden, Sparten und Gruppen gebildet, um unsere jeweilige Gemeinsamkeit in einem intensiven Austausch auszuleben. So weit so gut. Bei der Lobbyarbeit bedarf es hingegen einer Bündelung der Kräfte aller Gärtner im Lande. Nur so ist diese wichtige Arbeit finanzierbar und gegenüber der Politik mit der notwendigen Schlagkraft durchsetzbar. Daher ist es ärgerlich, dass immer wieder Energien in so mancher unnötigen Reiberei zwischen den gartenbaulichen Verbänden verloren gehen.

Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit

Dabei gibt es in jüngerer Zeit einige erfreuliche Beispiele einer zukunftsorientierten Neustrukturierung. Wir wissen, die Anzahl der Gartenbaubetriebe wird ständig weniger. Dieses stimmt uns traurig, zugleich spiegelt es die Entwicklung vieler Branchen wieder. Daher ist es notwendig, die Strukturen des Unternehmerverbandes dem anzupassen. Wir können ja nicht Reformen von anderen einfordern, wir müssen sie auch selbst leisten und dabei gilt es, sich von alten Zöpfen zu trennen. Wir können in alle Himmelsrichtungen unseres Landes schauen, überall gab es in den letzten Jahren Fusionen zukunftsorientiert handelnder Landesverbände. Anfangs mag es hier und da noch etwas ruckeln, nach wenigen Jahren hat es sich dann eingespielt. So jedenfalls unsere Erfahrung im Norden, wo es heute einen funktionierenden Landesverband über fünf Bundesländer gibt.

Zurück zur Eingangsfrage. Niemand wird für uns die Kohlen aus dem Feuer holen – wir müssen selbst unsere Interessen vertreten und das auch finanzieren! Die Mitgliedschaft ist für mich zudem eine Charakterfrage. Manche mögen keine Hemmungen haben, als Trittbrettfahrer unterwegs zu sein, während die Berufskollegen die politische Lobbyarbeit auch finanziell stemmen. Zum Glück trägt jedoch weiterhin ein Großteil der Gärtner im kollegialen Miteinander das grüne Netzwerk. Ich hoffe sehr, dass diese Solidarität auch weiterhin gelebt wird und vielleicht sogar der eine oder andere Kollege mit aufspringt.

Natürlich ist nicht jeder Gärtner über jede Position seines Verbandes glücklich. Man kann daheim darüber schimpfen, häufig ist man dafür jedoch selbst verantwortlich. Nur wer auf Veranstaltungen präsent ist und sich mit seinen Argumenten aktiv einbringt, kann erwarten, dass diese Berücksichtigung finden. Die Überweisung des Mitgliedsbeitrages reicht dafür nicht.

Wir rümpfen über manches leichtfertig die Nase und erkennen den Wert erst, wenn es nicht mehr da ist. Der teure Kaufmann im Dorf oder das verstaubte Straßenfest. Im Rückspiegel betrachtet heißt es dann „früher war alles besser". Die Gründungen vieler gesellschaftlicher Zusammenschlüsse erfolgten vor zwei oder drei Generationen. Ihre Notwendigkeit ist weiterhin gegeben. Gestern, heute und morgen!

Jens Schachtschneider (Jahrgang 1962) gründete nach dem Besuch der Meisterschule 1986/87 (Baumschule) eine Staudengärtnerei in Neerstedt. Er war unter anderem Präsident des Nordwestdeutschen Gartenbauverbands und Gründungsmitglied des Stauden Rings. Er ist verheiratet mit Maike, die beiden Söhne Torben und Finn sind mittlerweile in unternehmerischer Verantwortung in einem von zwei Betrieben des Unternehmens.

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