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Jens Schachtschneiders Praxisgedanken

Königsdisziplin Betriebsübergabe

Unsere Eltern hatten ein Luxusproblem: Alle drei Söhne wurden Gärtnermeister – drei potenzielle Nachfolger! Die größte Lebensleistung meines Vaters ist die Betriebsübergabe: Baumschule und Privatverkauf wurden geteilt zwischen meinem älteren und jüngeren Bruder. Ein Dorf weiter erhielt ich ein Wohnhaus mit Ackerland als Startkapital.
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Die Betriebsübergabe ist also ein Kinderspiel? Leider nein, wie ich heute, inzwischen selbst Senior, feststellen muss. Die vorherigen Artikel in DEGA basieren auf einem Erfahrungsschatz von 40 Gärtnerjahren. Bei diesem Thema sieht es völlig anders aus. Die Phase der Unternehmensführung ist ein Zeitraum von wenigen Jahrzehnten. Wenn die Betriebsübergabe misslingt, bleibt anschließend nichts mehr als die Erinnerung. Man trifft die wohl wichtigste Entscheidung im unternehmerischen Leben, ohne sich, wie bei der Pflanzenanzucht, Jahr für Jahr an das Optimale herantasten zu können. Bereits mit der Betriebsgründung oder Betriebsübernahme kommt die Frage der Betriebsübergabe auf, zumindest indirekt: Setze ich alles auf eine Karte und investiere ausschließlich in den Betrieb? Wie schaffe ich eine betriebsunabhängige, persönliche Absicherung für den Fall des Misserfolgs und als Altersvorsorge?

Kaum steht man so richtig im Saft, feiert die ersten unternehmerischen Erfolge, stellt man beim 50. Geburtstag fest: Die längste Zeit der unternehmerischen Verantwortung ist bereits vorbei. Spätestens jetzt heißt es, die Optionen zu prüfen und im Auge zu behalten.

Eine „dicke" Erbschaft machen?

Meine Frau und ich freuen uns, dass unsere Söhne in den Betrieb eingetreten sind. Dennoch sei eine Frage erlaubt: Warum blicken wir immer so sehr auf eine familiäre Betriebsnachfolge? Ist es nicht die vorrangige Aufgabe, eine für den Betrieb bestmögliche Lösung zu finden? Warum erben Familienangehörige den Betrieb, obwohl sie diesen gar nicht weiterführen möchten? Natürlich ist es eine Aufgabe der Eltern, ihren Kindern mit der Erziehung und möglichst auch finanziellen Zuwendungen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Aber rechtfertigt dies, die Tore eines florierenden Betriebes zu schließen, vor dem dann langjährige Mitarbeiter stehen?

Wir dürfen darauf hoffen, aber niemals erwarten, dass Gartenbau auch die Lebenserfüllung unserer Kinder ist. Zugleich heißt es: Wenn eine gute betriebliche Perspektive gegeben ist, so kann kein Kind erwarten, dass ein funktionierender Betrieb zugunsten einer dicken Erbschaft „platt" gemacht wird.

Mir ist ein namhafter Gartenbaubetrieb mit über 100-jähriger Geschichte bekannt, bei dem nur der erste Generationswechsel in der Familie erfolgte. Später wurde dieser drei Mal erfolgreich in „fremde" Hände übergeben. Wer sein Lebenswerk fortgesetzt wissen möchte, der muss frühzeitig planen und darf sich keinen Denkblockaden unterwerfen.

Häufigster Fall ist die Übertragung an einen Nachfolger aus der Familie. Eine erfolgreiche Übergabe kann große Energien freisetzen und dem Betrieb enormen Anschub geben. Aber auch im negativen Fall das Unternehmen qualvoll lähmen.

Die Zahlen auf den Tisch!

Immer mal wieder vernehme ich, dass in den Unternehmerfamilien über vieles aus dem Arbeitsalltag gesprochen wird, aber kaum über das Grundsätzliche, insbesondere nicht über die wirtschaftlichen Verhältnisse. Der eine mag nicht fragen und der andere umgeht dieses Thema. Warum? Transparenz ist die Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Verantwortlich für Offenheit ist selbstverständlich jener, in dessen Aufgabengebiet der Bereich bislang fällt, also der Senior. 

Die Hauptverantwortung für eine erfolgreiche Betriebsübergabe liegt in den Händen des Übertragenden. Sie ist die „Königsdisziplin", weil es die wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe im Unternehmerleben ist. Seit der Entscheidung des ersten Sohnes, Gärtner zu werden, beschäftige ich mich mit diesem Thema, also seit etwa 15 Jahren. Bis zum heutigen Tag spielen wir immer wieder verschiedene Modelle gedanklich durch und noch immer haben wir keinen abschließenden Umsetzungsplan.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Diese Frage ist leicht zu beantworten: Dann, wenn der Termin für den oder die Nachfolger/in der richtige ist. Ausdrücklich also nicht, wenn die abgebende Generation diesen für sich gekommen sieht. Letzteres würde ja bedeuten, dass die Senioren ihre Interessen gegenüber denen der Nachfolger Vorrang einräumen. Dieses ist vielleicht menschlich verständlich, jedoch weder im Sinne einer positiven Betriebsentwicklung noch förderlich für den Familienfrieden.

Ein Thema ist das „Altenteil". Als Arbeitgeber bieten wir den Mitarbeitern verschiedene Modelle der Altersvorsorge an. Und was tun wir selbst? Ich weiß aus eigener Erfahrung, wieviel Überwindung es kostet, nicht nur in den geliebten Betrieb zu investieren, sondern auch an die eigene betriebsunabhängige Altersvorsorge zu denken. Wenn es gut läuft, möchte man den Betrieb weiterentwickeln und wenn es mal weniger gut läuft, dann ist kein Geld da. Mehrfach hörte ich von Fällen, in denen der Nachfolger voller Energie durchstarten möchte, aber bei der Zahlenanalyse feststellen muss, dass dafür kaum Handlungsspielräume gegeben sind. Die Eltern möchten nach 30 Jahren harter Arbeit sich auch mal was gönnen und erwarten von den Kindern ein großzügiges Altenteil. Einerseits verständlich, zugleich bürdet man dem Jungunternehmer eine zusätzliche Kostenstelle auf. Auch wenn es früher so üblich war, so muss dies kein gutes Gegenwarts- und Zukunftsmodell sein. Wir Unternehmer haben das Glück, nicht in die gesetzliche Altersvorsorge einzahlen zu müssen. Dieses sollte uns nicht in Versuchung bringen, diesbezüglich die Hände in den Schoß zu legen. 

Also einfach ein paar Eckpunkte beachten und dann läuft’s von allein? Leider nein, zumindest nicht bei uns. Unsere Söhne führen gemeinsam den Handelsbetrieb und auf meinen Namen läuft noch der Produktionsbetrieb. Drei Chefs – das bedarf einer guten Aufgabenaufteilung und eines regelmäßigen Austauschs. Hinzu kommen die Partner, deren Interessen es ebenso zu berücksichtigen gilt. Bislang bekommen wir das gut hin, zugleich ist uns bewusst, dass dieses keine Gewähr für die Zukunft ist. Unsere Vorsorge in der Gärtnerei sind klare Absprachen und ein intensiver Dialog. Hoffen wir, dass dieses uns auch weiterhin vor schwerwiegenden Auseinandersetzungen bewahrt.

Die schwierigste Aufgabe des Seniors ist es, sich zurückzunehmen. Denn nur dann hat die nächste Generation eine faire Chance. Ich weiß, wie schwer das fällt! Daher habe ich mir Tätigkeiten gesucht, die im Homeoffice geleistet werden können, um mich selbst vor mir zu schützen. Dazu zählen Jobs wie Jungpflanzen ordern oder Etikettentexte schreiben. Mein Schreibtisch im Betrieb ist seit drei Jahren geräumt, die Präsenz im Unternehmen auf ein bis drei Stunden pro Tag reduziert. Gerne mit nachgelagerten Tätigkeiten wie Rasen mähen und kleinen Liefertouren.

Die Kräfte unseres 90-jährigen Vaters werden weniger. Man kann ihm keine größere Freude bereiten, als mit ihm durch die drei Betriebe der Söhne zu fahren. Er freut sich, die Pflanzen wachsen zu sehen und die Betriebsentwicklungen zu erleben. Die Basis dafür hat er selbst gelegt und darf heute gleichermaßen stolz auf sich und die nachfolgenden Generationen sein.

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