Mütter sind super
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Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ebenso wie ich den Phlox aus Nordamerika und die Magnolie aus dem asiatischen Raum schätze, habe ich keine Vorbehalte gegenüber Menschen aus anderen Ländern und Kontinenten. Und doch bedaure ich es, dass es uns im Gartenbau immer weniger gelingt, unseren Mitarbeiterstamm vor Ort zu gewinnen.
Zugleich sind wir uns während der Corona-Pandemie der Risiken dieser Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften bewusst geworden, als diese plötzlich nicht mehr ungehindert einreisen konnten, oder es Probleme aufgrund neuer Vorgaben bei der Unterbringung gab. Wir sind froh, dass unser Anteil hiesiger Mitarbeiter bei über 80 % liegt.
Wir Arbeitgeber entwickeln gerne aufgrund einzelner schlechter Erfahrungen oder persönlicher Vorurteile Vorbehalte, die wir anschließend verallgemeinern. Keineswegs möchte ich mich da ausnehmen. In der Folge werden Chancen übersehen. Ein Beispiel möchte ich in diesem Beitrag beleuchten.
Ein Kind ist ein Anfang
Die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin stellt den Betrieb vor eine große Herausforderung. Es gilt, das ungeborene Leben und die Mutter vor den Risiken am Arbeitsplatz zu schützen. Eine wichtige und zugleich schwere Aufgabe in einem Beruf, in dem körperliche Betätigung zum Arbeitsalltag gehört. Die gesetzlichen Regelungen sind umfassend. Viele Regeln sind gut und richtig, andere schmecken nicht jedem Arbeitgeber. So erschließt sich die Vorgabe, dass für die Wochen des Mutterschutzes vor und nach Geburt des Kindes zusätzlich im Vorfeld „oben drauf" Urlaub gewährt werden muss, nicht jedem Chef. Ich sehe es pragmatisch als gesetzlich angeordnetes Geschenk des Betriebs zur Geburt des Kindes. Viel wichtiger ist jedoch: Wie geht es anschließend weiter?
Gut erinnere ich mich, als die erste Mitarbeiterin nach der Familienphase zurück in den Betrieb kam. Mir war nicht wohl dabei. Ich hatte sogar echte Vorbehalte: Wie oft wird die junge Mutter fehlen, zum Beispiel wenn das Kind krank ist? Werden die Arbeitskollegen bald genervt sein von den Kindergeschichten: Alete oder Hipp, Pampers oder…? Wie effizient und damit wirtschaftlich wird das Ganze für den Betrieb dann noch sein? Inzwischen bin ich viele Kinder klüger und muss mir eingestehen: Meine Sorge war unbegründet – im Gegenteil: Ich wurde zum „Mütterfan". Keiner meiner Vorbehalte bewahrheitete sich. Junge Mütter freuen sich mehr als viele andere Mitarbeiter auf die Arbeit: Bei aller Liebe zum Kind wollen sie sehr bald wieder für ein paar Stunden rauskommen. Zugleich vergessen sie nicht, welche Erwartungen es seitens des Betriebes gibt. Mütter sind Organisationstalente. Sie wissen, dass sie diese Stunden persönlicher Freiheit gut planen müssen. Hinzu kommt etwas Anderes: Die Geburt eines Kindes verändert die Eltern. Das Verantwortungsbewusstsein wird enorm gestärkt. Dieses überträgt sich auch auf die Arbeit.
Allerdings muss uns Chefs stets klar sein: Die Kinder stehen auf Platz 1! Wenn irgendetwas passiert, die Mama muss von jetzt auf gleich für ihr Kind da sein können. Und sie muss wissen, dass dieses vom Betrieb getragen wird. Übrigens: Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ich stets nur von Müttern und nicht von Vätern schreibe. Der Grund ist einfach: Bislang hatten wir noch keinen Vater in Elternteilzeit.
Beidseitig flexibel sein
Wenn wir Chefs nach den Eigenschaften eines guten Mitarbeiters gefragt werden, so wünschen wir uns unter anderem ein hohes Maß an Flexibilität bei den Tätigkeiten ebenso wie bei den Arbeitszeiten. Im betrieblichen Miteinander gibt es jedoch nicht nur ein Nehmen, es gilt ebenso zu geben. Wie flexibel sind wir als Arbeitgeber? Dabei gibt es Grenzen, aber auch Chancen: Der Einzelhandel muss während der Öffnungszeiten durchgehend gemäß der Kundenströme besetzt sein – auch samstags. In der Produktion ergeben sich hingegen Gestaltungsspielräume. Unseren Stauden ist es egal, an welchen Wochentagen oder zu welcher Tageszeit sie getopft, gerückt oder zurückgeschnitten werden. Hier haben wir ein Ass im Ärmel, das es einzusetzen gilt. Im GaLaBau müssen die Teams morgens gemeinsam zur Baustelle ausrücken. An dieser Stelle besitzen wir einen weiteren Trumpf: Es ist betrieblich machbar, wenn Mütter zunächst das Kind zur Kita oder Schule bringen und eine Stunde später beginnen. Unsere Grundhaltung hat sich im Ort herumgesprochen und so kommen auch Mütter aus anderen Berufen zu uns: zwei Malerinnen, eine Arzthelferin, eine Floristin und selbst eine Kindergärtnerin. Diese Mitarbeiterinnen verzichten zum Teil auf höhere Verdienstmöglichkeiten und erhalten als Gegenleistung einen Arbeitsplatz in der Nähe zum Wohnort oder der Schule, sowie ein hohes Maß an Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Selbst wenn der Nachwuchs dem Kindesalter entsprungen ist, sind die Mitarbeiterinnen geblieben. Hier wird deutlich, wie wichtig die Wohlfühlfaktoren am Arbeitsplatz sind.
Teilzeitausbildung mit Erfolg
Ein ebenso unsicheres Bauchgefühl hatte ich, als vor vielen Jahren eine junge Mutter sich um einen Ausbildungsplatz bewarb. Auch hier galt es Vorurteile abzubauen. Einige Jahre später wiederholte sich die Konstellation, beide junge Frauen hatten jeweils zwei jüngere Kinder, im ersten Fall sogar alleinerziehend. Der Gesetzgeber bietet eine Teilzeitausbildung gestreckt auf drei Jahre an. Wir ließen uns auf das Abenteuer ein. Ernsthafte Probleme sind mir nicht im Gedächtnis geblieben. Im Gegenteil: Beide Mütter waren überaus ehrgeizig. Die Prüfungsergebnisse waren eindrucksvoll: Beide bestanden mit „sehr gut".
Karriereknick Kind
Also alles rosarot in der Familienphase? Nein, natürlich nicht! Ein viel diskutiertes Problem in unserer Gesellschaft ist der Karriereknick für Mütter in der Familienphase. Hier bildet der Gartenbau und unser Betrieb keine Ausnahme. In der Kindheit hieß es früher „weg gegangen, Platz vergangen". Was tun, wenn eine leitende Mitarbeiterin sich für eine gewisse Zeit in Elternschaft verabschiedet? Dieses könnte man vielleicht noch überbrücken. Aber ein Vollzeit-Team führen mit 15 oder 20 Wochenstunden? An dieser Stelle stoßen wir an organisatorische Grenzen für den Betrieb als auch seitens der Mutter. Bestmöglich suchen wir Verantwortungsbereiche, die auch in Teilzeit leistbar sind. Diese sind jedoch nur begrenzt vorhanden, zumal sie der persönlichen Neigung entsprechen sollten. Dieses bedeutet dann letztlich für manche Mutter, sich in das Team einzuordnen, das sie zuvor geleitet hat.
In den letzten Jahren kommt jedoch eine neue Erfahrung hinzu: Wenn die Kinder größer werden, so erweitern sich wieder die Freiräume der Eltern. Die wöchentlichen Arbeitszeiten steigern sich und damit auch die Möglichkeiten, wieder größere Verantwortungsbereiche zu übernehmen.
Teilzeitbeschäftigte bringen für den Betrieb einen großen Trumpf insbesondere im Frühjahr mit: Bei uns auf dem Land wohnen die Eltern oft in der Nähe. So kümmern sich während der Osterferien die Großeltern um den Enkel und die Mutter kommt ganztägig zu uns. Es werden Stunden für den arbeitsarmen Winter gesammelt und der Betrieb erfährt zusätzliche Unterstützung während der Saison. Mütter spüren, wenn sie gebraucht werden – auch bei der Arbeit.
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Jens Schachtschneider (Jahrgang 1962) gründete nach dem Besuch der Meisterschule 1986/87 (Baumschule) eine Staudengärtnerei in Neerstedt. Er war unter anderem Präsident des Nordwestdeutschen Gartenbauverbands und Gründungsmitglied des Stauden Rings. Er ist verheiratet mit Maike, die beiden Söhne Torben und Finn sind mittlerweile in unternehmerischer Verantwortung in einem von zwei Betrieben des Unternehmens.
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