Interview mit Ulrike Wegener: „Alle sind auf einem guten Weg“
Die Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzen e. V. (ggs) blickt auf eine 40-jährige Geschichte zurück. In einer Zeit, in der es bei Blumenerden und Substraten auf Alternativen zur Verwendung von Torf geht, kommt der Arbeit der Gütegemeinschaft eine besondere Bedeutung zu, damit auch künftig Produkte in hoher Qualität zur Verfügung stehen.
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DEGA: Liebe Frau Wegener, wenn Sie von Leuten, die nicht aus der Branche kommen, danach gefragt werden, was Sie beruflich machen – wie erklären Sie das?
Ulrike Wegener: Ich erzähle, dass ich Gartenbauingenieurin bin und für einen Verein arbeite, der für die Qualitätsüberwachung von Blumenerden und von Erden für den Gartenbau da ist und der auch die Ausgangsstoffe dafür im Blick hat. Meist geht es dann vor allem um den Hobbybereich, zu dem Gesprächspartner, die nicht aus der Branche kommen, eher einen Bezug haben. Und auch mit Rindenmulch können viele etwas anfangen. RAL lässt sich recht gut über den Farbenbereich erklären, welcher vielen bekannt ist. Viele finden es dann auch spannend zu hören, dass ich viel reise und beruflich viel unterwegs bin zu den Betrieben, in Deutschland, aber auch im Ausland.
DEGA: Wenn Sie an Ihre lange Zeit in der Geschäftsführung der Gütegemeinschaft zurückdenken – über welches Ereignis, über welchen Erfolg haben Sie sich bislang am meisten gefreut?
Ulrike Wegener: Ein besonderer Erfolg liegt tatsächlich schon 25 Jahre zurück. Das war der Schritt von der Gütegemeinschaft Rinden für Pflanzenbau hin zur Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzenbau. Denn das war damals die Initialzündung für die Weiterentwicklung der Gütesicherung im Substratbereich. Ab da haben wir eine ganze Menge neuer Produktgruppen dazubekommen und konnten damit auch die vielfältige Substratbranche innerhalb der Gütegemeinschaft vereinigen. Das hat weitere Schritte vorweggenommen bis dahin, dass später auch ausländische Mitglieder dazugekommen sind. Insofern hat dieser wichtige Schritt vor 25 Jahren für viele gute weitere Entwicklungen innerhalb der Gütegemeinschaft gesorgt!
DEGA: Welche Entwicklung in der Substratindustrie hat Sie besonders überrascht oder hätten Sie so nicht erwartet?
Ulrike Wegener: Ganz interessant finde ich, dass Rohstoffe, die in den Hintergrund geraten sind, auf einmal wieder nachgefragt werden. Der Rindenhumus war einmal der Start für unsere Gütegemeinschaft . In den 80er-Jahren hat man sich über dessen Verwendung für Substrate schon einmal viele Gedanken gemacht, weil man die endlichen Torfvorräte in Deutschland gesehen hat. Das hat sich gelegt, als auf einmal das Baltikum als riesiger Torflieferant zur Verfügung stand. Und heute kommen Ausgangsstoffe wie der Rindenhumus wegen der Diskussion um Torf wieder ganz neu in den Fokus. Gleiches gilt für die Holzfaser. Da gab es schon 1991 erste Überlegungen zu Gütekriterien und manche Versuche wurden angestellt. Letztendlich hat es aber lange und bis in die heutige Zeit gedauert, bis die Verwendung der Holzfaser richtig Fahrt aufnahm. Mittlerweile sind die Holzfasern der Bereich, in denen die meisten neuen Produkte dazukommen, weil immer mehr Anlagen gebaut werden.
DEGA: Der für die Zukunft angestrebte Torfausstieg ist eine enorme Herausforderung für die Substratindustrie. Welche Herausforderungen sehen Sie da vor allem?
Ulrike Wegener: Eine große Baustelle ist die zuverlässige Verfügbarkeit der verschiedenen möglichen Torfersatzstoffe in ausreichender Menge und – wichtig – in guter Qualität! Wichtig ist zudem, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen die Verwendung der Stoffe unterstützen und nicht ausbremsen.
DEGA: Wo legen politische Vorgaben den Torfersatzstoffen Steine in den Weg, anstatt sie zu fördern?
Ulrike Wegener: Das ist insbesondere dort der Fall, wo es um die Nährstoffsituation in diesen Stoffen geht. Die Nährstoffzusammensetzung kann gerade bei Torfersatzstoffen immer wieder einmal schwanken. Das macht ein Produkt nicht automatisch schlechter. Aber durch diese Schwankungen kann man schnell außerhalb des Toleranzbereichs der Düngemittelverordnung kommen. Auf europäischer Ebene kommt jetzt die EU-Düngeprodukteverordnung, die endgültig nächstes Jahr in Kraft treten wird. Diese Verordnung ist nicht zwingend vorgeschrieben. Es kann auch weiterhin nach nationalem Recht deklariert werden – trotzdem hat diese Verordnung große Bedeutung. Leider hat sie die Gegebenheiten bei Erden und Substraten eher unzureichend im Blick. Aktuell sucht man nach Lösungen, wie man zum Beispiel der Holzfaser in dieser Verordnung noch vernünftig gerecht wird. Auch der Rindenhumus ist dort noch nicht optimal berücksichtigt. Die formulierten Grenzwerte sind von torfreduzierten oder torffreien Substraten schwer einzuhalten.
DEGA: Wie schätzen Sie den Entwicklungsstand zu Substraten und Erden mit weniger Torf bei Ihren Mitgliedsunternehmen ein? Wie groß ist die Spanne zwischen den Pionieren auf diesem Gebiet und anderen, die sich später auf das Thema einstellten?
Ulrike Wegener: Es gibt einige Firmen, die sich schon lange sehr für Torfersatzstoffe interessierten, übrigens oft einfach deshalb, weil sie keine eigenen Torfvorkommen vor der Haustüre hatten. Andere haben erst in den letzten Jahren angefangen, sich mit Torfalternativen auseinanderzusetzen und haben recht zügig Holzfaseranlagen gebaut oder betreiben auch eine eigene Kompostierung. Ich denke, alle sind auf einem guten Weg, natürlich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Das hat auch einfach damit zu tun, dass die verschiedenen Rohstoffe je nach Region sehr unterschiedlich zur Verfügung stehen. Nicht jeder hat zum Beispiel Wald als Rohstofflieferant von Holzfasern bei sich in der Nähe.
DEGA: Stichwort Holzfasern – sind sie bei den Torfalternativen der wichtigste Ersatzstoff? Immerhin werden aktuell dafür wohl auch die meisten Anlagen gebaut.
Ulrike Wegener: Nein, so pauschal kann man das nicht feststellen. Im Moment sehe ich keinen Ausgangsstoff, von dem man sagen könnte: Der wird es alleine, der wird Torf im Wesentlichen ersetzen können. Es werden wohl die großen Vier sein: Holzfasern, Kompost, Kokos und Rindenhumus. Diesen Eindruck bringe ich auch von internationalen Tagungen und der Forschung mit. Zu manchen anderen Stoffen gibt es auch Inselprojekte, die durchaus eine regionale Bedeutung haben können. Wenn diese Rohstoffe aber nicht in größeren Mengen zur Verfügung stehen, kann man ihnen zumindest aktuell kein großes Potenzial zuschreiben. Natürlich können künftig noch weitere Rohstoffe an Bedeutung gewinnen. Wir werden sehen, welche Bedeutung zum Beispiel die Paludikultur mit dem Sphagnumanbau bekommt. Pflanzenbaulich ist das vielversprechend. Aber da ist gegenwärtig eben auch die Frage: Wie kriegt man die nötigen Mengen zusammen? Auch bei Schilf laufen interessante Versuche, bei denen wir in Zukunft noch sehen werden, ob das ein gangbarer Weg ist.
DEGA: Wenn sich die Zahl der Rohstoffe künftig gegenüber Torf vergrößert, inwiefern ist das eine Herausforderung für die Qualitätssicherung? Die Mischungen werden ja viel komplexer als vorher.
Ulrike Wegener: Die Herausforderung liegt, wie schon angesprochen, insbesondere in der größeren Nährstoffdynamik der Substratmischungen. Bei den Blumenerden spielen zusätzlich die organischen Dünger eine große Rolle, bei denen auch nicht ohne Weiteres vorhersagbar ist, wann welche Nährstoffmengen freigesetzt werden.
DEGA: Wie ist die Entwicklung der Qualitätssicherung bei den Blumenerden im Vergleich zu den Profisubstraten? Wird einer dieser Bereiche derzeit wichtiger als der andere? Überall sind Torfalternativen gefordert.
Ulrike Wegener: Bei den Kultursubstraten im Profibereich ist es so, dass der Gärtner die Qualitätssicherung mittlerweile schlicht und ergreifend voraussetzt und Qualitätssicherung dort auf hohem Niveau längst selbstverständlich ist. Im Profibereich gewinnt zudem der GaLaBau an Bedeutung. Die Gütesicherung für Rindenmulch spielt hier eine Rolle oder auch die für Dach- und Baumsubstrate. Das ist in Ausschreibungen ein Thema, wo der Nachweis der Gütesicherung gefordert wird. Im Hobbybereich bei den Blumenerden wird die Qualitätssicherung sicherlich an Bedeutung gewinnen, gerade im Blick auf die torfreduzierten Erden, die durchaus aufwendiger zu handhaben sind und wo man im Interesse der Hobbygärtner auch sehen muss, dass das Produkt funktioniert. Deshalb wird da die externe Qualitätssicherung sicher wichtiger werden. In dem Zusammenhang geht es auch um die Düngerbeimischung. Man kann Langzeitdünger einmischen, um der Stickstoffbindung mancher Erdkomponenten entgegenzuwirken. Dabei hat man es aber mit einem dynamischen System zu tun, das stark mikrobiell belebt ist und bei dem sich die Nährstoffsituation schnell verändern kann.
DEGA: Also haben auch Hobbygärtner künftig größere Herausforderungen mit ihrer Blumenerde?
Ulrike Wegener: Auf die sich verändernden Erden muss sich der Hobbygärtner tatsächlich auch einstellen. Er ist gefragt mehr als bisher, die Hinweise der Hersteller zu beachten, die auf den Verpackungen der Erde stehen. Er benötigt auch mehr als bisher den Rat der Fachleute im gärtnerischen Einzelhandel. Übrigens haben wir von Seiten der Gütegemeinschaft Tipps für Hobbygärtner. Auf unserer Website ist immer wieder etwas Neues zu finden. Denn sicherlich benötigt der Hobbygärtner in Zukunft mehr Infos, wenn er torfreduzierte oder torffreie Blumenerden verwendet.
DEGA: Trauermücken sind für den Hobbygärtner ein besonderes Ärgernis, wenn er torfreduzierte Blumenerden verwendet. Gibt es da schon Qualitätskriterien, die helfen können?
Ulrike Wegener: Direkte Kriterien zu Trauermücken gibt es nicht. Es ist auch schwer vorstellbar, wie die aussehen sollten. Das heißt allerdings nicht, dass dieser Aspekt nicht im Blick der Hersteller und der Gütegemeinschaft ist. So kann ein starker Trauermückenbefall beispielsweise darauf zurückzuführen sein, dass Kompost verwendet wird, der noch nicht richtig durchgereift ist. Das wiederum lässt sich überprüfen. Wenn wir auf gute Rohstoffqualitäten achten und darauf, dass ein Kompost seinen Rotteprozess abgeschlossen hat, kümmern wir uns indirekt auch um die Frage nach den Trauermücken.
DEGA: Zu den Torfalternativen gibt es noch viele Fragen. Wird das durch Forschungsprojekte ausreichend begleitet?
Ulrike Wegener: Wir beobachten, dass derzeit eine ganze Menge Projekte laufen im Bereich Torfersatz. In der Gütegemeinschaft hilft uns dabei, dass wir nicht nur Mitglieder aus der Industrie haben, sondern auch solche aus Forschungseinrichtungen und Laboren. Es sind Mitglieder, die auch in den Ausschüssen mitarbeiten. Das Spannende in der Gütegemeinschaft ist, dass hier Forschung und Produktionspraxis bei Substraten zusammenkommen und eben auch miteinander diskutieren.
DEGA: Ist bei den möglichen Torfersatzstoffen in der Vergangenheit nicht schon sehr viel geforscht und auch veröffentlicht worden? Sind alle Fragen heute wirklich neu?
Ulrike Wegener: Ja, schon in den 90er-Jahren ist bei Ihnen in „Deutscher Gartenbau" sehr viel rund um Torfersatzstoffe veröffentlicht worden! Wir haben bei der ggs eine umfangreiche Sammlung an Ergebnissen früherer Forschung. Und heute werden manche Fragen nochmals neu angegangen, obwohl sie schon einmal Forschungsinhalt waren. Das liegt zum Beispiel daran, dass sie der Forschungswelt heute teils nicht zugänglich sind, weil sie nicht digitalisiert wurden. Anfangs hatte ich die Vermutung, dass in den Projekten jetzt so manches erforscht wird, was in früheren Jahren schon einmal Thema war. Aber ich stelle doch fest: Die Fragestellungen werden im Wesentlichen doch deutlich weiterentwickelt und aktualisiert. Spannend ist zum Beispiel insbesondere der Bereich der Holzfasern mit der Frage, wie man die Stickstofffixierung durch Tests besser prüfen kann. Erkenntnisse kommen wiederum auch der Qualitätssicherung zugute.
DEGA: Forschung ist nur dort möglich, wo es ausreichend Kapazitäten und Experten dafür gibt. Wie erleben Sie die bekanntermaßen dramatische Situation?
Ulrike Wegener: Wir bekommen schon sehr deutlich mit, dass die Experten für Substrate an den Hochschulen nicht gerade mehr werden. Das Gartenbaustudium im klassischen Sinne wird kaum noch angeboten – und der wichtige Bereich Pflanzenernährung ist mittlerweile viel ausgedünnter als in früheren Jahren. Das macht es für uns natürlich auch schwer, Experten für unsere Gremien zu bekommen. Und wenn ich an unsere Mitgliedsbetriebe denke – für die wird es auch schwerer, die nötigen Experten zu bekommen!
DEGA: Tauschen die Unternehmen in der Substratindustrie innerhalb der ggs Ergebnisse ihrer firmeninternen Forschung im allgemeinen Interesse aus?
Ulrike Wegener: Das geschieht vor allem dann, wenn einer in Vorleistung geht und Informationen in den Raum stellt. Dann gibt es darauf auch kommentierende Rückmeldungen mit eigenen Erfahrungen und Versuchsergebnissen.
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Ulrike Wegener studierte Gartenbau an der Universität Hannover und ist seit 1993 Geschäftsführerin der Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzen (ggs). Die ggs betreut die RAL Gütesicherungen Kultursubstrate, Blumenerden, Rindenprodukte, Substratausgangsstoffe, Blähton sowie Dach- und Baumsubstrate.
Mehr Infos finden sich auf der Website der ggs unter www.substrate-ev.org.
Chronik der Gütegemeinschaft
1 98 1 Gründung der Gütegemeinschaft Rinde für Pflanzenbau e.V. am 1. Oktober 1981 in Lauterbach, Erarbeitung der Güte- und Prüfbestimmungen für Rindenmulch, Rindenhumus und Rindenkultursubstrate
1985 Verleihung der ersten Gütezeichen „Rinde für Pflanzenbau" (RAL-GZ 250)
1996 Erweiterung zur Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzenbau e.V. mit den Fachbereichen Rinde, Kultursubstrate, Substratausgangsstoffe und Dachsubstrate
1997 Gütesicherung „Kultursubstrate" (RAL-GZ 252) Gütesicherung „Dachsubstrate" (RAL-GZ 253)
1998 Gütesicherung „Substratausgangsstoffe" (RAL-GZ 254) (zunächst für Holzfasern und Hochmoortorf)
2000 Gütesicherung „Blumenerden" (RAL-GZ 255)
2001 Überarbeitung der Gütesicherung „Rinde für Pflanzenbau" (RAL-GZ 250)
2002 Gütesicherung „Blähton als Kultursubstrat" (RAL-GZ 257)
2004 Revision der Gütesicherung „Substratausgangsstoffe", Aufnahme einer der Güte- und Prüfbestimmungen für Perlit (RAL-GZ 254), Revision der Gütesicherung „Dachsubstrate" (RAL-GZ 253)
2005 Gütesicherung „Baumsubstrate" (RAL-GZ 259)
2006 Revision der Gütesicherung „Kultursubstrate" (RAL-GZ 252)
2007 Umbenennung der ggs in „Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzen e.V". Zusammenfassung der vier Fachbereiche in drei. Diese heißen nun „Rinde und Substratausgangsstoffe” „Kultursubstrate und Blumenerden” „Dach- und Baumsubstrate”
2009 Zusammenlegung aller Gütesicherungen in die Güte- und Prüfbestimmungen „Substrate für Pflanzen" unter einem einheitlichen Gütezeichen „Substrate für Pflanzen" (RAL-GZ 250)
2011 30-jähriges Jubiläum der Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzen e.V.
2012 Revision der Gütesicherungen Dach- und Baumsubstrate
2013 Revision der Gütesicherungen Rinde und Substratausgangsstoffe. Aufnahme der Güte- und Prüfbestimmungen für Kokosprodukte in die Gütesicherung Substratausgangsstoffe
2014 Revision der Gütesicherungen Kultursubstrate und Blumenerden
2016 Zusammenfassung der drei Fachbereiche in zwei. (Die Gütesicherungen Dach- und Baumsubstrate werden in den Fachbereich „Kultursubstrate und Blumenerden” integriert.)
2018 Revision der Gütesicherungen Rinde, Substratausgangsstoffe, Kultursubstrate, Blumenerden und Blähton als Kultursubstrat
2021 40-jähriges Jubiläum der Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzen e.V.
Mit Ulrike Wegener sprach Christoph Killgus am 17. September 2021.
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