Wie grün sind wir Gärtner?
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Insbesondere die Landwirtschaft steht dennoch weiterhin im Fokus der öffentlichen Diskussion. Dabei geht es um die Nitratbelastung des Grundwassers und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Das Thema Tierwohl betrifft uns Gärtner nicht, sei aber der Vollständigkeit halber erwähnt. Der Landwirt befindet sich seit Jahrzehnten in einer ständigen Rechtfertigungs- und Verteidigungshaltung. Ich möchte nicht für eine der beiden Seiten Stellung beziehen. Ein seitens der Landwirte bislang wenig verwendetes Argument ist für mich jedoch in jeder Hinsicht gerechtfertigt: Gesetzliche Vorgaben müssen nicht nur für die hiesige Landwirtschaft oder den Gartenbau gelten, sondern selbstverständlich auch für importierte Produkte. Dieses sichert nicht nur eine Fairness im Wettbewerb, sondern fördert zugleich den Schutz der Natur auf unserem gesamten blauen Planeten. Und darum muss es doch uns allen gehen.
Prof. Dr. Bernhard Beßler hat es in einem Vortrag in der Diskussion um Glyphosat auf den Punkt gebracht: Ein weiteres Gutachten und käme eine noch so harmlose Bewertung für „Round up" heraus, würde an dem Meinungsbild der Bevölkerung nichts ändern. Es geht den Kritikern nach meiner Einschätzung weniger um die Gefährlichkeit einzelner Präparate, sondern mehr um die generellen Auswirkungen des maßlosen Einsatzes.
Gegen ein Glas Rotwein zum „Tatort" am Sonntag wird kaum ein Arzt etwas einwenden. Hingegen kennen wir alle die Gefahren eines ungezügelten Alkohol- oder Medikamentenkonsums. Auf unseren Beruf des Gärtners übertragen stellt sich die kritische Frage: Haben wir uns über die Jahre zu sehr auf eine gefährliche Liaison mit chemischen Pflanzenschutzmitteln eingelassen?
Viele von uns verfolgen gerne große Sportereignisse im TV oder gar live im Stadion. Wir lassen uns fesseln von der Spannung des Wettbewerbs. Wir bewundern die gebotenen Leistungen und die Athletik der Sportler. Der Respekt kippt jedoch sehr schnell in das Gegenteil, wenn gewisse Mittelchen eingenommen werden. In diesem Moment wenden wir uns angewidert ab. Übertragen auf den Gartenbau: Es geht nicht nur um die schönste und preiswertest kultivierte Pflanze. Es geht ebenso um das Wie.
Keine Angst vor Veränderungen
Während meiner Baumschullehre kultivierte der erste Betrieb Rhododendron im Container. Natürlich gelang es im ersten Jahr noch nicht optimal, so war der Blütenansatz bescheiden. Die Fachwelt im Ammerland war sich einig: Moorbeetpflanzen im Topf – das geht nicht! Heute ist diese Kulturform ein Praxis-Standard.
Ein Schreckensszenario für viele Gärtner ist ein Verbot der Hemmstoffe. Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, so sind dennoch deren Tage gezählt. Anschließend werden wir gemeinsam feststellen, dass eine Pflanze mit natürlichem Habitus durchaus ansehnlich sein kann und ebenso ihren Käufer findet.
Wir verzichten seit einigen Jahren auf den Einsatz von Herbiziden. Mit einem Heißwasser-Gerät befinden wir uns seitdem nicht mehr in einer rechtlichen Grauzone und geben zugleich ein deutliches Bekenntnis an die Belegschaft ab. Dabei muss ich einräumen: Die Kosten in der Anschaffung sind erheblich, der höhere Zeitaufwand enorm und der Energieverbrauch ökologisch betrachtet auch nicht „das Gelbe vom Ei". So hoffen wir auf weitere Innovationen.
An diesem Beispiel wird deutlich: Es geht natürlich auch um das liebe Geld. Konkret: Sind der Verbraucher und der Handel bereit, mehr für eine mit erhöhten Umweltstandards kultivierte Pflanze zu bezahlen? Ein Teil der Kunden sicher, zugleich wissen wir, dass viele Verbraucher nicht danach fragen, wer die T-Shirts zu Schnäppchen-Preisen schneidert oder warum Bananen derart günstig sind.
Also doch die heutigen Umweltstandards gegen zukünftige Verschärfungsabsichten der Politik bestmöglich verteidigen? Ebenso eine gefährliche Strategie – insbesondere wenn es zu einer öffentlichen Diskussion kommt, bei dem ein Imageverlust für unseren Berufsstand droht.
Glaubwürdiges Handeln ist ein hohes Gut. Das gilt für die Berufsverbände ebenso wie für uns Unternehmer in den Betrieben. Dazu gehört eine hohe Transparenz gegenüber den Mitarbeitern, den Nachbarn und den Kunden.
Umweltstandards – der neue Wettbewerbsfaktor
In den Gütebestimmungen für Stauden wird definiert, welche Merkmale eine Staude haben muss. Deren Einhaltung reicht jedoch vielfach nicht, um am Markt ein positives Feedback zu erhalten. Also bemühen sich die Betriebe um ein höheres Level. Gleiches gilt für gesetzliche Vorgaben im Umweltbereich: Dieses ist der Mindeststandard, den es mit weitergehenden Aktivitäten im Rahmen des wirtschaftlich Machbaren zu toppen gilt. So jedenfalls ist unsere Strategie.
Es wird voraussichtlich nicht mehr lange dauern, dann werden wir ebenso Antworten auf die Frage der Nachhaltigkeit bei kurzlebigen Saisonpflanzen geben müssen. Ist es auf Dauer vermittelbar, wenn eine Kultur monatelang mit intensivem Pflanzenschutz- und Energieeinsatz herangezogen wird, um anschließend wenige Wochen unsere Gärten zu verschönern?
Wir Staudengärtner lieben große Sortimente und neue Sorten. Wie würden Karl Foerster und Ernst Pagel die Echinacea -Züchtungen der letzten Jahre bewerten? Einerseits prachtvoll in den Farben, zugleich vielfach kaum noch als Staude, also mehrjährig, zu bezeichnen. Sind die Züchtungsziele zu einseitig auf die Schönheit und zu wenig auf die Nachhaltigkeit der Pflanze ausgelegt?
Trotz dieser nachdenklichen Sätze bin ich gegen ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln. Ich liebe Pflanzen und es gibt Situationen, da weiß ich keinen anderen Rat als den Einsatz bestimmter Präparate. Aber stets maß- und verantwortungsvoll. Als Wächter haben wir einige tausend Bienen „eingestellt", die mit ihrer Anwesenheit uns stetig an ein umsichtiges Verhalten erinnern. Herbizide und Hemmstoffe sind für uns verzichtbar. Wenn jemand hingegen ein vollständiges Verbot von Pflanzenschutzmitteln fordert, so antworte ich gerne mit einer Frage: Soll dieses in gleicher Konsequenz für Medikamente von Tier und Mensch gelten?
Wir Gärtner haben die Wahl: Verharren wir in einer stetigen Verteidigungshaltung des gewohnten oder gehen wir von uns aus voran in einen Wettstreit der besten Ideen zum Schutz von Natur und Klima? Meine Eingangssätze zeigen auf, was sich in den letzten vierzig Jahren verändert hat. Rückblickend sind wir doch froh über diese Entwicklung zum Wohle der Gesundheit unserer Mitarbeiter und uns selbst. Und doch haben wir immer wieder von den Bedrohungen für den Erwerbsgartenbau in Deutschland gesprochen.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität wird sich vieles in unserer Gesellschaft ändern. Auch für uns Gärtner. Vermutlich prägen zukünftig andere Pflanzen unsere Sortimente und andere Kulturverfahren den Gartenbau. Lasst uns nicht die Rolle des Bremsklotzes einnehmen, sondern selbst mit Innovationen aktiv agieren. Denn in einem Punkt können wir völlig entspannt sein: Die Bedeutung von Pflanzen und damit von uns Gärtnern wird in Zukunft steigen.
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