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Gespräch mit Friedlinde Gurr-Hirsch

„Gärtner sind sehr offene Menschen“

Als Staatssekretärin am baden-württembergischen Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) begleitete und unterstützte Friedlinde Gurr-Hirsch den Gartenbau im Land jahrelang sehr engagiert. Im Frühjahr wurde sie nun in den Ruhestand verabschiedet – und wird weiterhin für Pflanzen, Gärten und Natur aktiv sein.

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 Friedlinde Gurr-Hirsch ist nun Präsidentin von „Natur im Garten Deutschland".
Friedlinde Gurr-Hirsch ist nun Präsidentin von „Natur im Garten Deutschland". Ralf Seidel
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Friedlinde Gurr-Hirsch, 1954 als Tochter eines Landwirts und Weingärtners geboren, studierte Wirtschaftswissenschaften, Politik und evangelische Religion an der Berufspädagogischen Hochschule und unterrichtete anschließend als Studienrätin an der kaufmännischen Berufsschule in Heilbronn. Später erwarb sie noch einen Abschluss als Staatlich anerkannte Hauswirtschafterin. Von 2001 bis 2021 war sie Abgeordnete im Landtag von Baden-Württemberg, von 2004 bis 2011 und von 2016 bis 2021 Politische Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum. Von 2011 bis 2016 war sie stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion. Friedlinde Gurr-Hirsch ist seit 1978 verheiratet mit Karl Heinz Hirsch, Mutter von drei Kindern und Großmutter von neun Enkelkindern. Ehrenamtlich engagiert sie sich neuerdings als Präsidentin von Natur im Garten Deutschland e.V. Als ihr Lebensmotto nennt sie einen Satz von Antoine de Saint-Exupéry: „Du bist zeitlebens dafür verantwortlich, was Du Dir vertraut gemacht hast".

 

DEGA: Liebe Frau Gurr-Hirsch, Sie haben den Gartenbau in Baden-Württemberg über viele Jahre begleitet. Was ist Ihnen besonders positiv in Erinnerung?

Friedlinde Gurr-Hirsch: Was ich positiv erlebt habe, das ist der Aufbruch in Baden-Württemberg in Sachen Grün. Dazu haben die Gartenschauen, die es jetzt seit 50 Jahren gibt, wesentlich beigetragen. Wir können Gartenschau in Baden-Württemberg! – die Veranstaltungen bei uns sind besonders gut besucht und sehr professionell gemacht. Sie sind auch außerordentlich wandlungsfähig.

DEGA: An was denken Sie bei der Wandlungsfähigkeit – und wo sehen Sie Bedarf für die Zukunft?

Friedlinde Gurr-Hirsch: Unsere Stärke ist, dass wir die Kommunen als Hebel haben – es passiert in einem Land nur etwas, wenn die Bürger mittun. Das hat man früh erkannt und mit der Aktion „Unser Dorf soll schöner werden" auch umgesetzt, heute heißt das „Unser Dorf hat Zukunft". Ich war als junge Gemeinderätin in einer Bewertungskommission dabei und habe damals durch einen sehr gut erklärenden Kreisgärtnermeister gelernt, auf was es ankommt. Für diese Aktion wünsche ich mir, dass man sie heute mehr als Wettbewerb zur klimagerechten Stadt macht – man hat solche Wettbewerbe ja schon immer wieder angepasst. Hat man früher mit „Unser Dorf soll schöner werden" an Blühbeete gedacht, an exakt gepflegte Hecken und Rasen, so hat man irgendwann gesagt: Es gehört natürlich auch das ehrenamtliche Engagement dazu. Und jetzt, denke ich, ist eben der Aspekt der Klimagerechtigkeit gefragt, dass man Grünanlagen vor diesem Hintergrund sieht, dass man auch Dächer entsprechend konzipiert zum Beispiel mit Begrünungen. Da muss natürlich auch das Land selbst immer Vorbild sein und die Chance nutzen, große Dachflächen neuer öffentlicher Gebäude für Fotovoltaik und Dachbegrünung einzusetzen.

DEGA : Das ist eine große Chance für den ganzen grünen Berufsstand mit seinen Betrieben und Organisationen!

Friedlinde Gurr-Hirsch: Ich finde, die Gartenbauverbände sind heutzutage so leistungsfähig wie noch nie und freue mich da auch sehr über die Attraktivität des GaLaBaus. Die Branche macht das auch so, dass sich immer mehr junge Leute vorstellen können, Landschaftsgärtner zu werden, weil das Berufsfeld spannend ist. Es wird dort ja sehr viel mit Digitalisierung oder mit 3D-Techniken gemacht. Und schwere körperliche Arbeit ist anders als früher kein großes Thema mehr, es gibt tolle technische Lösungen.

Eine große Herausforderung für die berufliche Bildung ist, dass es immer schwieriger wird, Lehrer für die Fachschulen zu bekommen, die neben dem Studium auch eigene praktische Erfahrungen haben. Früher war es eben üblich, zuerst eine Lehre zu machen und dann zu studieren. Heute macht man Abitur, geht in den Studiengang Agrarwissenschaften und hat dann wenig Praxiserfahrung.

Mir war übrigens wichtig, dass, bevor ich gehe, eine Perspektive für die Ausbildung in Hohenheim da ist. Ich habe dazu deshalb noch einen runden Tisch mit dem Finanzministerium angestoßen.

DEGA: Wie haben Sie am Ministerium den Gartenbau insgesamt erlebt?

Friedlinde Gurr-Hirsch: Gefreut habe ich mich, dass mir mein Minister sehr viel Freiraum für den Bereich Gartenbau gegeben hat und ich muss einfach sagen: Die Gärtner sind sehr offene Menschen. Ich habe sehr gern sowohl mit dem GaLaBau- als auch mit dem Gartenbau-Verband zusammengearbeitet. Mit den grünen Leuten konnte ich wirklich gut und bleibe ich auch vernetzt.

DEGA: Wo sehen Sie für den Gartenbau in der Zukunft besondere Chancen?

Friedlinde Gurr-Hirsch: Die Chancen kommen eindeutig mit dem Klimawandel! Den können wir nur mit den Gärtnern bewältigen. Und auch die demografische Entwicklung gibt dem Gartenbau eine große Chance – wenn Sie überlegen, wie viele Gartenbesitzer alt sind und alt werden. Da ist Gartenpflege ein großes Dienstleistungsthema!

DEGA: Wie ist Ihr eigener Weg in die Landwirtschaft und den Gartenbau gewesen?

Friedlinde Gurr-Hirsch: Meine Eltern hatten einen breit aufgestellten landwirtschaftlichen Betrieb, mit Ackerbau, Obst- und Weinbau. Da war ich in der Kindheit und Jugend ständig als Helferin gefragt. In den Sommerferien habe ich mich nach drei Wochen wieder sehr auf die Schule gefreut ...

Nach der Schulzeit habe ich dann VWL und BWL fürs Lehramt studiert, außerdem Geschichte mit Politik. Zu Beginn meiner Laufbahn bin ich aufgrund eines Lehrermangels an die Haus- und Landwirtschaftliche Berufsschule Heilbronn abgeordnet worden und habe Winzer, Landwirte und Gärtner unterrichtet. Da war es sehr hilfreich, dass ich viel Erfahrung mitbrachte. Wenn ich in Wirtschaftskunde ein Beispiel brauchte, konnte ich das aus der Praxis wählen. Mein Mann ist beruflich im Weinbau gewesen und auch davon habe ich viel gelernt und profitiert.

Auch die Politik habe ich schon als Kind mitbekommen, bei uns wurde sehr viel politisiert. Ich wusste schon mit neun oder zehn Jahren, wer Sicco Mansholt mit seiner „Wachsen oder Weichen"-Botschaft von Seiten der EU war. Später habe ich bei den Winzern auch Agrarpolitik unterrichtet. Da musste ich mich mit den sich ändernden Politiken und Marktordnungen auseinandersetzen. Das war hilfreich, denn als ich dann ich im Landtag in den Agrarausschuss kam und später Staatssekretärin wurde, habe ich mit den Themen nicht gefremdelt.

Die vielen Erfahrungen mit der Landwirtschaft von Kindheit an haben mir geholfen, dann auch die landwirtschaftlichen Diskussionen gut durchzustehen – Landwirte diskutieren gerne und mitunter heftig. Heute nennt man das Resilienz – dafür hat meine Jugend die Voraussetzungen geschaffen.

DEGA: Man kann sich nicht vorstellen, dass Sie aus einer sehr aktiven beruflichen Zeit jetzt einfach in den Ruhestand wechseln.

Friedlinde Gurr-Hirsch: Ich bin jetzt Präsidentin von „Natur im Garten Deutschland". Dort haben wir drei Ziele: Biodiversität im Blühangebot, damit sich Insekten auch in Hausgärten wohlfühlen, außerdem Torffreiheit und der Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel. Das lässt sich im privaten Garten gut realisieren, im Erwerbsgartenbau ist das so ohne Weiteres nicht möglich – ich komme aus der Landwirtschaft, ich weiß um die Schädlinge.

Wenn viele Menschen ihre Gärten umgestalten, dann können wir eine enorme Wirkung erzielen. Mit den fünf Millionen Hausbesitzern, die es in Baden-Württemberg gibt und die meist einen Garten haben, ist viel möglich.

Wir sollten neben den privaten Gärten auch die öffentlichen Anlagen sehen, ob das Friedhöfe sind oder Parks, die von den Kommunen und Kreisen verantwortet werden. Auch die lassen sich mindestens teilweise auch naturnah bewirtschaften.

Diese Anliegen waren für mich Anlass, den Vorsitz für „Natur im Garten Deutschland" zu übernehmen. Ich möchte nun möglichst viele Mitstreiter gewinnen, auch aus den professionellen Branchen. Erfreulicherweise interessieren sich da die Berufsverbände. Auch bei den mittelständischen Gartencentern gibt es gute Resonanz. Die können mit einer Mitgliedschaft signalisieren: Wir haben alles im Angebot, was ein privater Kunde für naturnahes Gärtnern braucht. Ich bin selbst seit Urzeiten Mitglied im Obst- und Gartenbauverein. Wenn der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg sich die Naturgarten-Ziele auf die Fahnen schreiben würde und Fortbildungsangebote macht, wäre das großartig.

Mit Friedlinde Gurr-Hirsch sprach Christoph Killgus am 11. August 2021 in Untergruppenbach.

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