In der Stadt des Gartenbaus
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Gartenschaubesuche, gleich ob auf Bundes- oder Landesebene, sind für Gärtner aller Sparten regelmäßig eine willkommene Gelegenheit zur Orientierung. Auf den grünen Großveranstaltungen wirken KollegInnen aller Fachsparten mit. Das trägt zur gegenseitigen Wahrnehmung und Wertschätzung bei und es kommt zu Begegnungen, die im meist spezialisierten Berufsalltag oft selten sind. Auf Gartenschauen können die Berufsprofis beobachten, wie die verschiedenen Beiträge auf das Publikum wirken, was gefällt, was zur Diskussion anregt, welche Altersgruppen sich wo aufhalten. Und für die berufliche Eigenmotivation ist durchaus hilfreich zu erleben, wie viel Begeisterung Pflanzen und Gärten auslösen – die innerhalb der Branche wegen der Berufsgewohnheit zwischendurch oft verloren ging.
Dass die Bundesgartenschau 2021 in Erfurt stattfindet, ist für den Berufsstand etwas Besonderes. Die Landeshauptstadt gehört zu den besonders traditionsreichen Gartenbaustädten in Deutschland, die mit Namen wie Benary, Chrestensen, Haage oder Reichart verbunden ist. Erfurt bietet an der Hochschule Studiengänge für Gartenbau und Landschaftsarchitektur. Hier ist eine profilierte Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau angesiedelt.
In Erfurt und auf dem BUGA-Gelände steht das Deutsche Gartenbaumuseum, es ist eine Stiftung, unter anderem getragen vom Zentralverband Gartenbau. Innerhalb des Berufsstands hat das Museum kaum die Bekanntheit und Rolle, die es haben könnte und verdient – die Gartenschau wird förderlich wirken, wenngleich die pandemiebedingt immer noch schwierige Situation Veranstaltungen verhindert, die sonst in großer Zahl den Verlauf von Gartenschauen begleiten. Aber der Sommer ist noch lang und wird sicherlich noch mehr ermöglichen, als derzeit erwartet.
Gartenbaulich bekannt ist Erfurt schließlich durch den ega-Park, zur DDR-Zeit als „Internationale Gartenbauausstellung" (iga) entstanden und eine der wenigen in der sozialistischen Ära geschaffenen prägenden Gartenanlagen, die erhalten worden sind.
Ein gutes Zeichen ist, dass die BUGA am 23. April trotz widriger Umstände an den Start ging, was bis kurz davor alles andere als sicher war. Dem Einsatz der Landespolitik an oberster Stelle und einem überzeugenden Gesundheitskonzept ist es zu verdanken, dass dies gelang. Dass sich die Politik und die Öffentlichkeit in schwierigen Zeiten mehrheitlich für die Gartenschau einsetzten, ist für den Gartenbau ermutigend. Ein Zeichen auch für die Zukunft, denn es zeigt, mit welchem Stellenwert Grün in der Gesellschaft verankert ist, auch wenn sich das nicht immer so deutlich zeigt. Der Gartenbau übernimmt mit der Eröffnung der BUGA eine Vorreiterrolle im Umgang mit der Pandemie zwischen coronaleugnenden Wirrköpfen auf der einen und überängstlichen Positionen auf der anderen Seite. Es ist eben auch in diesen Zeiten viel möglich, wenn man denn will! Für die Verantwortlichen der Gartenschau ist bitter, dass momentan auf Veranstaltungen verzichtet werden muss, so auch auf das sonst übliche große Event am Eröffnungstag. Das wiederum führte dazu, dass die Gartenschau am Starttag überwiegend von den Menschen aus der Stadt und Region besucht wurde – die allerdings auch wichtigste Zielgruppe sind!
Wer nach Erfurt kommt, um die BUGA zu besuchen, was in jedem Fall empfehlenswert und für viele wegen der recht zentralen Lage der Stadt in Deutschland auch mit vertretbarem Reiseaufwand möglich ist, sollte Zeit mitbringen. Die insgesamt sehr große Fläche verteilt sich auf drei jeweils schon für sich große Areale.
Der ega-Park
Hauptgelände ist der 36 Hektar großen ega-Park im Südwesten der Stadt auf dem Cyriaksberg. Die ega bietet zahlreiche Schaugärten mit teils langer Tradition, die für die BUGA erneuert wurden und gerade für Fachleute viel zu bieten haben, sei es der Iris-, der Rosen-, der Lilien-, der Gräser- oder auch der Karl-Foerster-Garten.
Größte Investition ist das beeindruckende Wüsten- und Tropenhaus Danakil, das als Hauptattraktion gedacht ist und momentan wegen der Pandemie leider noch nicht öffnen kann – die wohl ärgerlichste Pandemiefolge für BUGA-Besucher.
Aushängeschild der Parkanlagen ist seit 60 Jahren das Große Blumenbeet, das mit rund 6.000 m2 größte floral gestaltete Beet in Europa. Dieses Riesenbeet hat schon den gesellschaftlichen Wandel mit der Wende gärtnerisch übrigens besonders eindrucksvoll dargestellt – wurde dort während der DDR-Zeit auf die Wirkung von großen Teilflächen mit Pflanzen jeweils gleicher Farbe gesetzt, haben die Gestalter seither mit Farbenvielfalt experimentiert und spielerisch-kreativ Farbübergänge geschaffen. Die ehrenvolle Aufgabe der Beetgestaltung für die BUGA fiel der Landschaftsarchitektin Christine Orel aus Herzogenaurach zu, die seit vielen Jahren die Saisonpflanzungen auf Gartenschauen mit immer wieder neuen Ideen bereichert. Ihr Anliegen für Erfurt: Das große Beet soll kein Flickenteppich, sondern eine große Einheit sein. Das Auge soll mit fließenden Übergangen geführt werden und gleichzeitig mit Farbtupfern Akzente bieten. Herausfordernd dabei: Die Fläche ist gleichzeitig Austragungsort des gärtnerischen Ausstellungswettbewerb für elf Gärtner mit ihren Sortimenten, die es zu einem großen Ganzen zusammenzufügen galt. Das Beet präsentiert sich als große Farbwelle, in dem die bei den teilnehmenden Gärtnern gefragten Farben mehrfach vorhanden sind und alle Gärtner eben auch die Sortimente zeigen können, die sie wollen. Die ineinander verschlungenen Farbflächen werden im Sommer mit einer zusätzlichen Höhenstaffelung für weitere Abwechslung sorgen. In Summe sind jetzt im Frühjahr einschließlich Blumenzwiebeln um die 300.000 Pflanzen oder mehr im Beet. Die große Fläche, die überall wie ein „gepflanzter Blumenstrauß" auch im Detail wirkt, gibt Besuchern damit gleichzeitig Gestaltungsideen für den Garten zu Hause.
Hotspot der Ideen
Kreative Ideen bietet der Ausstellungsteil in der „Kleingartenanlage IGA 61", unter anderem mit einem detail- und lehrreich angelegten Naturgarten des gleichnamigen Vereins, einem großartigen Bauhaus (!) für Insekten oder einem innen bepflanzten Ufo. Ein Upcycling- und ein Nachhaltigkeitsgarten bringen die Besucher ins Nachdenken.
Thüringens Schulgartentradition
Erwähnt sei der große Schulgarten im ega-Park, und zwar deshalb, weil Thüringen als bislang einziges Bundesland die Schulgartenarbeit im Lehrplan verankert hat, 2010 folgendermaßen begründet: „Durch die praktischen Tätigkeiten werden Feinmotorik und Tastsinn sowie die handwerklich-technische Geschicklichkeit entwickelt und gefördert. Gleichzeitig verfeinert der Schüler seine Sinneswahrnehmungen. Er verstärkt sein ästhetisches Empfinden, staunt und gewinnt Freude im direkten Umgang mit Pflanzen, Tieren und Naturerscheinungen."
Die Schulgartenarbeit hat historische Gründe: Bereits der Thüringer Pädagoge und „Erfinder" des Kindergartens Friedrich Fröbel (1782–1852) empfahl die Beschäftigung von Kindern im Garten. In der DDR gehörte Gartenarbeit zum Werkunterricht und gehörte seit 1963 als Schulfach dazu. Das sollte die Freude der Schüler sowohl an der Arbeit als auch an der Natur fördern. An der Universität Erfurt werden Lehrkräfte für den Schulgartenunterricht ausgebildet.
Materiallastige Mustergärten
Die Mustergärten der Landschaftsgärtner sind wenig wegweisend. Dort werden vor allem teure Materialien vorgestellt, Pflanzen wirken eher als Beiwerk. Pflanzen- und naturorientierte, auch bezahlbare Lösungen für kleine Gärten? Fehlanzeige. Der kletterbare Kirchturm in einem der Beiträge mag eine schöne Bereicherung für einen öffentlichen Spielplatz sein – aber wer bitte stellt sich so ein Teil in seinen Privatgarten? Eine BUGA ist keine Fachmesse für Kommunalentscheider, zumindest nicht in erster Linie. Die Mustergärten der GaLaBau-Kollegen vermitteln die heimliche Botschaft, dass man es in Zeiten bestgefüllter Auftragsbücher nicht nötig hat, sich mit detailreichen Gestaltungsbeispielen für kleine Gärten abzugeben.
Viele Medaillen für die Friedhofsgärtner
Auf den Ausstellungsteil „Grabgestaltung und Denkmal" werden wir in unserer nächsten Ausgabe ausführlich eingehen – im dort beiliegenden Sonderheft für Friedhofsgärtner. Die künstlerische Vielfalt und Einzigartigkeit der Grabzeichen ist beeindruckend und großartig. Die korrespondierenden Pflanzungen der Friedhofsgärtner sind meisterlich ausgeführt, was sich an einer großen Zahl der verliehenen Medaillen zeigt. Gleichzeitig bewegen sich die Pflanzgestaltungen in einem viel engeren gestalterischen Rahmen als die Steinmetzen, was mit den vorgegebenen Richtlinien zu tun hat. Ob diese auf Dauer hilfreich sind, darf (und sollte) diskutiert werden.
Im Zentrum der Altstadt
Der Ausstellungsteil Petersberg liegt im Zentrum der von vielen Touristen besuchten großartigen Altstadt Erfurts. Die Zitadelle auf dem Petersberg ist eine besonders gut erhaltene Stadtfestung. Die große Leistung der BUGA ist, das abwechslungsreiche Areal rund um die zahlreichen historischen Gebäude mit Wegen und Plätzen für Altstadtbesucher zu erschließen, es ist vom Domplatz auch barrierefrei zugänglich. Der Petersberg vermittelt in Einzelbeiträgen zum einen historische Gartenkunst, zu nennen ist hier die „Zeitreise durch die Gartenepochen", zum anderen die reiche Tradition der Gartenbaustadt Erfurt. Im Festungsgraben werden „Erfurter Gartenschätze" präsentiert. Dazu gehören Blumen- und Gemüsesorten sowie für die Stadt typische Färber-, Kräuter- und Arzneipflanzen. Das Spektrum wird wirkungsvoll in einfachen, nebeneinanderliegenden Pflanzstreifen gezeigt.
Gegenwärtig interessieren und engagieren sich viele Menschen für die gefährdeten Insekten und hier wiederum besonders für Wildbienen. Dem kommt ein Bienenlehrpfad entgegen – an den Eröffnungstagen war das mannsgroße Bienenhotel bestens und ohne jeden Mindestabstand belegt ...
Naturnähe im Nordpark
Der dritte Ausstellungsteil ist der überarbeitete, ergänzte und modernisierte Nordpark. Er mag von den Gartenschaubesuchern von außerhalb zu Unrecht wenig beachtet werden, denn er ist nicht eintrittspflichtig – und der Gartenschaugast, der ohnehin mit seiner Besuchszeit haushalten muss, wird sich auf die beiden anderen Teile konzentrieren. Leider ist der Nordpark im offiziellen Besucherplan auch nicht aufgeführt. Ein Besuch dieses Parks lohnt sich unbedingt. Sofern die Zeit ist, empfiehlt es sich insgesamt, die Strecken zwischen den Ausstellungsteilen zu Fuß zu gehen. Bei dieser Gelegenheit lässt sich nicht nur die historische Stadt entdecken, sondern auch feststellen, dass Erfurt insgesamt eine außerordentlich grüne und lebenswerte Stadt ist. Besonders empfehlenswert ist der Weg von der Krämerbrücke in der Altstadt entlang der Gera hinaus zum Nordpark.
Interessant zu beobachten ist, wie der Nordpark von den Menschen der umliegenden dicht besiedelten Stadtteile genutzt wird. Er bietet viel Platz, Freiraum und Naturnähe für Familien mit Kindern – aber auch für alle Menschen, die eher in Ruhe einen ausgedehnten Spaziergang machen als die stärker frequentierten und zudem eintrittspflichtigen Ausstellungsteile zu besuchen.
Zur BUGA Erfurt gehören zahlreiche Außenstandorte in Thüringen mit frei zugänglichen Garten- und Parkanlagen. Die Idee trägt zur Strahlkraft der BUGA in das Land hinaus bei. Und macht ebenso wie der eintrittsfreie Nordpark deutlich, dass Pflanzen, Gärten und Natur nicht vor allem dort besuchenswert sind, wo sie eingezäunt und mit Zutrittskontrolle versehen sind – ganz im Gegenteil!
Die Hallenschauen
In der vor wenigen Jahren restaurierten Halle 1 finden die Hallenschauen statt, immer auch Wettbewerbsfeld für GärtnerInnen und FloristInnen. Momentan dürfen die Hallenschauen noch nicht öffnen. Geplant sind:
- Willkommen in Erfurt – der Stadt des Gartenbaus und der Gartenschauen (23. April bis 2. Mai)
- Rhododendron und Hortensien – Eine Blumenschau über Pflanzensammler und fremde Länder (23. April bis 9. Mai)
- Malerische Blumen: Von der Kunst die Pflanzen wahrzunehmen (8. bis 24. Mai)
- Bonsai – Fernöstliche Gartenkunst (13. bis 30. Mai)
- Das Nelkentheater der Floristen (29. Mai bis 6. Juni)
- Intelligente Pflanzen – vom Umgang der Pflanzen mit Wasser (5. bis 13. Juni)
- Rosen und RosengärtnerInnen (12. bis 20. Juni)
- Das Gärtnern – von der Kultivierung der Pflanzen (19. bis 27. Juni)
- Blumenbindekunst im Wandel – ein floristischer Streifzug durch die Jahrhunderte (26. Juni bis 4. Juli)
- Botanische Kostbarkeiten – von der Ferne in den Garten (3. bis 11. Juli)
- Im Zeichen der Lilie – Symbolik, Geschichte, Züchtung (10. bis 18. Juli)
- Balkonien – Urlaub zwischen Lavendel und Zitronenthymian (17. bis 25. Juli)
- Topf hoch! Grüne Pflanzenparadiese mit Topfpflanzen (24. Juli bis 1. August)
- Monstera und andere Blattschönheiten (31. Juli bis 22. August)
- Ikebana – Japanische Blumenkunst baut Brücken (7. bis 15. August)
- Die Welt der Blumen – Koreanische Blumenkunst (21. bis 29. August)
- Größer. Schöner. Bunter. Fuchsien in Begleitung (28. August bis 5. September)
- Eine Zeitreise durch die Gartenbaugeschichte in Thüringen (4. bis 12. September)
- Blüht. Summt. Lebt. – Der Blütengarten der Zukunft (11. bis 20. September)
- Humboldt und die Dahlien (18. bis 26. September)
- Die gefährliche Welt der Orchideen (25. September bis 6. Oktober)
- Grüne Überraschungen – die Bundesgartenschau zieht weiter (2. bis 10. Oktober)
- Exotische Blütenpracht (7. bis 10. Oktober).
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