„Bis heute gibt Erfurt dem Gartenbau Impulse"
Die Blumenstadt Erfurt profitiert von dem Großereignis BUGA Erfurt 2021. Viele Thüringer Gartenbaubetriebe sind ebenfalls Teil der Bundesgartenschau und beeindrucken mit ihren Pflanzen, mit eigenen Geschichten und Ideen. Wir sprachen mit Beate Walther, Ausstellungsbevollmächtigte der BUGA Erfurt 2021, über die Einbindung der örtlichen Gartenbauhistorie in die Bundesgartenschau.
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DEGA GARTENBAU: Frau Walther, wenn eine Stadt wie Erfurt mit dem Beinamen „Blumenstadt" Austragungsort einer Bundesgartenschau wird, dann können sich BUGA-Macher und Landschaftsplaner ganz bestimmt glücklich schätzen über eine solche große Gartenbauhistorie. Ist das eine besondere Aufgabe für Sie gewesen?
Beate Walther: Es ist vor allem eine große Freude, weil man sehr geschickt Verknüpfungen von Damals ins Heute erstellen kann. Die Historie und Traditionen speziell im Erfurter Gartenbau ist in der Stadt ein sichtbarer, wenn auch nicht immer spürbarer roter Faden, der natürlich auch für die BUGA 2021 Erfurt ein gewisses Alleinstellungsmerkmal bietet. Das beginnt ja schon mit dem egapark und seiner faszinierenden Geschichte.
DEGA GARTENBAU: Ein Park als Zeitdokument der 1960er Jahre, in dem man als Gast wirklich eine kleine Zeitreise machen kann.
Beate Walther: 60 Jahre nach der bedeutendsten Gartenschau der DDR, zu der weit über 3,5 Millionen Gäste kamen, hatte der Landesverband Gartenbau Thüringen mit seinen Mitgliedern eine Hallenschau zur Geschichte des Gartenbaus und der Gartenschauen gestaltet. Es war ein Start mit Hindernissen durch die Pandemie, aber hier wurde bereits die gärtnerische Vielfalt gewürdigt. Es war ein Auftakt mit dem Blick auf diese wichtige Wirtschaftsgeschichte der Stadt.
DEGA GARTENBAU: Die Blumenstadt ist präsent durch alte Postkarten und Bildmotive. Die Blumenstadt ist aber bis heute durchaus lebendig.
Beate Walther: Ja, das stimmt und diese vielen Facetten der Betriebe spielen natürlich eine Rolle bei der Bundesgartenschau. Wobei ich weniger von Blumenstadt als von Gartenbaustadt sprechen würde, denn es geht nicht allein um Blumen, sondern auch um Gemüse, Kräuter, Obst und Sämereien. Das 19. Jahrhundert ist prägend und steht für uns im Fokus der Betrachtung. Es war die Zeit, in der sich der Gartenbau stark entwickelt hat. Der Petersberg spielt diese Historie auf ganzer Breite wieder ins Bewusstsein zurück. Die „Erfurter Gartenschätze" zeigen im Festungsgraben diese unglaubliche Geschichte mit alten wie neuen Sorten.
DEGA GARTENBAU: Der Begriff „Erfurter Gartenschätze" spielt gleich sehr emotional mit verschiedenen Assoziationen.
Beate Walther: Der Begriff ist in mehrfacher Hinsicht ein Wortspiel. Er basiert auf dem Buch von Christian Reichart mit dem Titel „Land- und Gartenschatz". Auf der einen Seite sind die Pflanzen und da besonders die historischen Sorten wahre Gartenschätze, weil sie Raritäten sind. Auf der anderen Seite müssen wir sie mehr denn je schätzen. Und sie sind ein wahrer Schatz, wenn wir auch die Samenzuchtstadt Erfurt thematisieren. Da schließt sich der Kreis, denn Saatgut ist längst ein wichtiges politisches Thema.
DEGA GARTENBAU: Als gelernte Floristmeisterin schlägt Ihr Herz intensiv, wenn es um Hallenschauen geht. Wie wird das Thema „Blumen- und Gartenbaustadt" dort aufgegriffen. Können Sie einige Beispiele nennen?
Beate Walther: Ich fange mal bei den Rosen an, die ja bei jeder Gartenschau ein wichtiger Beitrag sind. In Erfurt ist das nicht anders, allerdings haben wir in der Hallenschau auch der Tradition der Rosenzucht in Bad Langensalza Platz gewidmet. Sie sehen, es geht schon weit über Erfurts Grenzen hinaus. Der Gartenbau hat überall Spuren hinterlassen. Bei der Dahlie wird es nicht anders sein, denn hier spielt Bad Köstritz eine Rolle, wobei es keine Einzelschau nur von einem Thüringer Züchter ist. Bei der Hallenschau „Humboldt und die Dahlien" kann man gut sehen, wie die Konzeption der Ausstellung immer auch Thüringens Geschichten miterzählt. Christian Deegen hatte 1826 die erste Handelsgärtnerei für Dahlien in Bad Köstritz gegründet und zehn Jahre später in Jena die erste große Dahlienschau veranstaltet, zu der auch Alexander von Humboldt kam. Diese Bezüge sind reizvoll und zeigen die tiefe Verwurzlung von Gartenbaugeschichte. Nicht zu vergessen die Schau mit dem Titel „Eine Zeitreise durch die Geschichte des Gartenbau in Thüringen" Anfang September, wo erneut auf die ruhmreiche Zeit geschaut wird. Schon Martin Luther bezeichnete die Erfurter als „des heiligen Römischen Reiches Gärtner" und mit der Begründung des Erwerbsgartenbaus im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt zu einem Zentrum des Gartenbaus.
DEGA GARTENBAU: Thüringer Gartenbaubetriebe erreichen in den Wettbewerben immer wieder auch Medaillen?
Beate Walther: Hier zeigt sich Kontinuität. Viele Thüringer Betriebe haben mit ihren Pflanzen und Arrangements fast bei jeder Schau Medaillen oder Ehrenpreise gewonnen. Das spricht für Qualität und Leidenschaft in der Gegenwart und zeigt: Bis heute gibt Erfurt dem Gartenbau Impulse.
DEGA GARTENBAU: Das ist ein gutes Stichwort: Wie binden Sie die einzelnen Gärtnereien oder Spezialisten mit ein?
Beate Walther: Die Expertise der Thüringer Gärtnerinnen und Gärtner spielt natürlich eine Rolle und deren Geschichten beleben das Image der BUGA 2021 Erfurt, weil es zeigt, wie lebendig die Gegenwart ist. Annegret Rose hilft und unterstützt uns mit vielen Pflanzen wie Waid, Pfingstrosen oder Fackellilien. Das Lehr- und Versuchszentrum Gartenbau ist ein wichtiger Partner für uns. Ulrich Haage hat sich mit großer Leidenschaft beim Danakil eingebracht. Ich weiß von Gärtnerinnen und Gärtnern, dass auch sie stark von der BUGA 2021 profitieren. Auch Partner wie der Rosenhof in Holzhausen haben mehr Gäste als jemals zuvor und eine hohe Nachfrage nach Produkten. Das freut uns als Macher doppelt. Nicht zu vergessen der Verband Thüringer Arznei-, Duft- und Gewürzpflanzen. Der Festungsgraben auf dem Petersberg ist quasi die Summe vieler Protagonisten aus Thüringen, die hier helfen und ausstellen. Das, was da pflanzlich umgesetzt wird, ist eine reine Thüringer Angelegenheit. Näher kann man kaum am heimischen Gartenbau sein.
DEGA GARTENBAU: Das Deutsche Gartenbaumuseum sollte auch erwähnt werden. Es ist einzigartig und auch wenn es nicht zur BUGA 2021 Erfurt gehört, setzt es Akzente.
Beate Walther: Das Museum verbindet noch einmal anders den Dreiklang aus „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" und macht allein vom Namen her bewusst, warum es nach Erfurt gehört. Mit der Sonderschau über den Erfurter Erwerbsgartenbau erhält der Besucher noch einmal intensiver eine Reise durch die Gartenbautradition der Blumenstadt. Auch die hervorragende Bibliothek hat einen besonderen Wert. So eine Geschlossenheit in der Darstellung von Geschichte gab es auf keiner Bundesgartenschau zuvor.
Das Gespräch führte Jens Haentzschel, Erfurt.
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