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Jens Schachtschneiders Praxisgedanken (37)

Mutig investieren oder „Team Vorsicht“?

Nur eine halbe Autostunde von uns entfernt befindet sich das Ammerland, das größte Baumschulgebiet Deutschlands. Während der Rhododendronblüte radle ich gerne mit Freunden durch diese Region. Dabei entdecke ich Betriebe, die sich seit meiner Lehrzeit kaum verändert haben und andere, die nicht wiederzuerkennen sind.

von Jens Schachtschneider, Neerstedt erschienen am 01.11.2025
Viele Gartenbaubetriebe sind in den letzten Jahrzehnten kräftig gewachsen. Das war über Jahre auch bei Schachtschneider der Fall. © Schachtschneider
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Am Niederrhein zeigt sich ein ähnliches Bild. Einfach geglättete Stellflächen auf gewachsenem Boden, bei denen Bändchengewebe ausgerollt wurde mit einfachen Wegen dazwischen. Ein paar hundert Meter weiter wurden siebenstellige Beträge investiert. Erstaunliche Technik findet ihren Einsatz, die wir uns noch vor wenigen Jahren kaum vorstellen konnten. So wie in der Baumschule meiner Nichte oder meines Bruders inzwischen autonome Fahrzeuge für Pflegearbeiten durch die Reihen fahren. Bislang glaubten viele von uns, HighTec sei nur in der industriellen Produktion lohnend. Längst zeigen uns eindrucksvolle Entwicklungen im Gartenbau ungeahnte Möglichkeiten auf.

In meiner Staudenwelt der Sortimentsbetriebe ist es kaum anders. Insbesondere in den Niederlanden finden wir moderne Betriebe, die deutlich erkennbar auf Größe und eine hohe Effizienz in den Abläufen setzen. Die Kollegen arbeiten eng zusammen, so dass nicht jeder das gesamte Sortiment vorhält. Und dennoch werden einige hundert Arten und Sorten kultiviert - eine Anzahl, die im Zierpflanzenbau Kopfschütteln erzeugt. Die knapp hundert deutschen Sortimentsbetriebe im Bund deutscher Staudengärtner sind sehr heterogen aufgestellt. Die Vermarktungswege sind vielfältig, vielfach spezialisiert in einer Nische oder gar in einer Ritze, wie es mal ein Kollege formulierte. Die Gemeinsamkeit ist die Kompetenz und die Leidenschaft rund um die Staude. Entsprechend groß ist die persönliche Zufriedenheit. Ja, wenn der Steuerberater oder gar die Bank nicht auf die wirtschaftlichen Zahlen hinweisen würde.

Die Preise anpassen ist der einfachste Weg, soweit dieses denn umsetzbar ist. Hier zeigen sich inzwischen Grenzen auf und zwingen uns Staudengärtner zunehmend die Kulturmethoden und betrieblichen Strukturen kritisch zu hinterfragen. Einem Thema, mit dem sich der Zierpflanzenbau und die Baumschulwirtschaft bereits Jahre sehr intensiv auseinandersetzt. Nicht zwangsläufig muss dabei immer viel Geld in die Hand genommen werden. Oft zeigen bereits kleine Änderungen positive Effekte. Doch letztlich kommt man nicht umhin, auch größere Investitionen zu tätigen – wenn zum Beispiel die Wege und Stellflächen nicht den heutigen Anforderungen entsprechen. So glaubte ich vor 20 Jahren mit dem Verlegen von tausenden Gehwegplatten, die Quartiere bestens für die Zukunft ausgestattet zu haben. Diese war nach gut zehn Jahren vorbei. Inzwischen sind sie wieder verschwunden und eine 10 cm dicke Lavaschicht gewährleistet eine Befahrbarkeit mit Fahrzeugen.

Bei den Investitionen möchte ich zwischen zwei Zielen unterscheiden: Zum einen die Absicht einer besseren betrieblichen Ausstattung. Es geht also um Effizienz, modernere Technik, körperschonende Tätigkeiten, Qualitätssteigerungen, Energieeinsparung bis hin zu guten Sozialeinrichtungen für das Team. Wenn wir den Fortbestand des Betriebes längerfristig sichern wollen, so kommen wir nicht umhin, in den genannten Bereichen stetig zu investieren. Natürlich mit Augenmaß, aber in einer Konstanz, so dass wir nicht einem potentiellen Nachfolger die Zukunft rauben und dieser sich aufgrund von Perspektivlosigkeit abwendet.

Wenn wir den Fortbestand des Betriebs längerfristig sichern wollen, so kommen wir nicht umhin, stetig zu investieren Jens Schachtschneider

Das zweite Ziel einer Investition geht in die Richtung Expansion, also „größer, schneller weiter“. In der Tat sind viele Gartenbaubetriebe in den letzten Jahrzehnten kräftig gewachsen. Dieses war auch über Jahre bei uns der Fall. Ebenso in der Landwirtschaft. Zu meiner Lehrzeit war ein Hof mit 100 ha ein großer Betrieb, heute ist die doppelte Größe bei uns in der Region fast schon Standard. Die Vermarktungsgrenzen mussten bereits vor Jahren die Schweinehalter erkennen. Die Märkte brachen zusammen. Ob bezahlte ältere oder finanzierte moderne Stallanlagen: Die erzielten Erlöse liegen oft unterhalb der Kosten.

Nicht viel anders sieht es heute in einigen Bereichen des Gartenbaus aus. Mehr Pflanzen treffen auf weniger Nachfrage. Die Folgen erleben viele von uns hautnah. Unser gärtnerischer Ehrgeiz spielt uns allzu oft einen Streich: Im letzten Jahr war eine Kultur gut gefragt, der Preis passte auch. Im Folgejahr sind wir mit deutlich mehr Ware am Start und oh Wunder, die Mengen lassen sich nicht mehr vermarkten und der Preis ist auch im Keller. Der alte Gärtnerspruch „Ich setze bei jeder Pflanze zwei Cent zu, aber die Menge macht’s“ funktioniert nicht wirklich. Von den Auswirkungen sind nicht nur expansive Betriebe betroffen, sondern auch jene, die stabil mit der gebotenen Vorsicht ihre Produktionsmengen festlegen.

Was also tun? Letztlich geht es um Kundennähe, also einen gesicherten Absatz. Wer auf gut Glück produziert, der wird auf Dauer verlieren – wie in der Spielbank. Bei den Filialisten des LEH, den Baumärkten und auch Gartencentern sind feste Verträge längst gelebte Praxis. Bei Einzelunternehmen also beim gärtnerischen Fachhandel sind langfristige Mengenabsprachen weniger üblich. Hier bestehen jedoch im Idealfall über viele Jahre gewachsene, vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen, die vielfach mindestens den Wert eines Vertragsanbaues haben.

Ebenso wichtig: Niemals auf ein oder nur wenige Pferde setzen, sondern auf eine breite Kundenstruktur achten. Dieses gibt bei allem Mehraufwand Sicherheit und macht weniger erpressbar.

Banken leben davon, Geld zu verleihen. Soweit das Risiko kalkulierbar ist, schlagen sie gerne ein. Wenn sie es jedoch nicht tun, so beklagen Kollegen diese Situation. Ich bin da anderer Meinung. Spätestens jetzt sollten die Alarmglocken läuten, das bisherige Geschäftsmodell kritisch zu hinterfragen. Wir gerieten einmal in eine schwierige Situation, als wir nach einem schlechten Frühjahr darauf angewiesen waren, dass uns die Bank nicht nur für den Winter Überbrückungskredite zur Verfügung stellt. Ich gebe zu, vor dem Gespräch verspürte ich erhöhten Puls. Jedoch hatte ich mich gut vorbereitet und die Hintergründe analytisch und ehrlich aufbereitet. Wir erhielten das Vertrauen und konnten uns danach in den kommenden Jahren wieder mehr Luft verschaffen. Dieses war mir eine Lehre, die Kosten noch mehr in den Fokus zu rücken und zugleich bei der kurzfristigen Liquidität mehr Reserven einzubauen.

Selbst zähle ich uns sowohl zum Team Vorsicht als auch zum Team Zukunft. Die in den letzten Jahren stark gestiegenen Lohnkosten sowie der Arbeitskräftemangel zwingen uns die Effizienz zu steigern. Wir erwarten von unseren Lieferanten, dass sie alles tun, um uns Substrate, Töpfe, Jungpflanzen und so weiter zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten. Die gleiche Erwartungshaltung haben unsere Kunden an uns. Folglich sind wir geradezu zur stetigen Weiterentwicklung unserer Betriebe gezwungen. Hier die richtigen Entscheidungen zu treffen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen ist eine der Kernkompetenzen als Unternehmer im Gartenbau. Gestern, heute und morgen!

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