
Villandry – Gemüse im meisterhaften Renaissancegarten
Die Gärten von Schloss Villandry sind ein herausragendes Beispiel französischer Renaissancegartenkunst. Die kunstvoll angelegten geometrischen Beete mit großer Pflanzenvielfalt ziehen jährlich viele Tausend Besucher in den Bann.
von Christoph Killgus erschienen am 27.12.2024Das Schloss Villandry wurde im Jahr 1536 von Jean Le Breton, dem Finanzminister unter König Franz I., auf den Fundamenten einer mittelalterlichen Festung erbaut. Bereits im Vorgängergebäude, der Festung Colombier, wurde 1189 ein geschichtsträchtiger Friedensvertrag zwischen dem englischen und französischen König unterzeichnet. Das Schloss selbst zeigt die Eleganz der französischen Renaissance – es besitzt eine warme, familiäre Atmosphäre, die Möblierung und Einrichtung spiegeln das Leben einer Adelsfamilie wider. Im 18. Jahrhundert erfolgten Anpassungen an den Komfort dieser Zeit unter dem Marquis de Castellane. Die bewegte Geschichte des Schlosses führte es später in wechselnde Hände, zuletzt zur Familie Carvallo, die es 1906 erwarb und umfassend restaurierte.
Heute ist Villandry Teil des UNESCO-Weltkulturerbes „Täler der Loire“ und empfängt etwa 350.000 Besucher jährlich. Die Eintrittsgelder stellen dabei die einzige Einnahmequelle dar. Eine staatliche Unterstützung gibt es nur bei dringend nötigen Renovierungsmaßnahmen.
2Der wahre Schatz des Schlosses sind die Gärten, die weltweit als Musterbeispiel der Gartenkunst gelten. Joachim Carvallo und Ann Coleman orientierten sich bei ihrer Rekonstruktion Anfang des 20. Jahrhunderts an alten Stichen, Plänen und Gartenbüchern, um die Anlage im Stil der französischen Renaissance zu erneuern. Die Gärten erstrecken sich über drei bis vier terrassierte Ebenen und umfassen sechs unterschiedliche Bereiche: Sonnengarten, Wassergarten, Ziergarten („Garten der Liebe“), Heilpflanzen-Garten („Jardin des Simples“), Labyrinth und den weiten Gemüsegarten.
Der Ziergarten besteht aus ornamentalen Feldern aus Buchsbaumhecken. Besonders eindrucksvoll ist der „Garten der Liebe“, dessen geometrische Quadrate verschiedene Aspekte der Liebe darstellen – zärtlich, leidenschaftlich, tragisch und unbeständig. Die Pflanzen werden dabei nach Farben und Formen gruppiert, um ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen. Ursprünglich hatten solche Gärten im Mittelalter eine Versorgungsfunktion für Klöster, wurden aber mit der italienischen Renaissance und der französischen Geschichte auch dekorativ gestaltet, mit Brunnen und Zierbeeten.
Der Wassergarten verleiht dem Ensemble eine ruhige Atmosphäre: Ein zentrales Wasserbecken mit Springbrunnen speist die tiefen Wassergräben des Schlosses und wird durch den Fluss Vieux Cher versorgt.
Im Heilkräutergarten (seit 1970) wachsen zahlreiche Stauden und Obstbäume. Der neueste Bereich ist der Sonnengarten, dessen Anlage sich durch sonnenförmige Wasserbecken und prachtvolle Rosen- und Obstanpflanzungen auszeichnet.
3Das Herzstück bildet der Gemüsegarten, der als „Potager“ berühmt ist. Ein Potager ist ein dekorativer Küchengarten, in dem Gemüse und Kräuter, oft auch Blumen und Obst kunstvoll zusammen angebaut werden. Der Potager in Villandry besteht aus neun quadratischen Feldern, deren geometrische Muster und wechselnde Bepflanzung jedes Jahr neu gestaltet werden, um farblich spannende und ästhetisch ansprechende Kontraste zu schaffen. Die Gärtner arbeiten nach einem jährlich erneuerten Anbauplan und legen Wert auf Fruchtwechsel, damit die Bodengüte erhalten bleibt und Krankheiten vermieden werden. Jährlich gibt es zwei Pflanzperioden: Einmal im Frühjahr (März bis Juni), außerdem im Sommer (Juli bis November). Pro Saison werden rund 115.000 bis 250.000 Blumen- und Gemüsepflanzen im Gewächshaus vorgezogen, die Hälfte davon kommt aus eigener Anzucht.
Die Bepflanzung der Beete erfolgt nach Art und Farbe. Ziel ist stets eine harmonische und kunstvolle Erscheinung im Garten. So werden 324 Sorten aus 21 botanischen Familien erhalten und gepflegt. Zum Garten gehören 144 Obstbäume, überwiegend als Spalier geschnitten. Die Gärtner und Gärtnerinnen arbeiten das ganze Jahr über mit großem Einsatz; aktuell kümmern sich etwa zehn Beschäftigte kontinuierlich um die Anlage. Die Gartenanlage lebt von ihrer vielfältigen Pflanzenwelt und den wechselnden Mustern, aus denen sich markante geometrische und farbige Bilder ergeben, besonders eindrucksvoll von den Terrassen des Schlosses.
Zu den vielen kultivierten und verwendeten Gemüsearten und -sorten gehören Auberginen (beispielsweise ‘Violette de Barbentane’, ‘Listada de Gandía’), Chilis (’Cayenne’, ‘Serrano’, ‘Jalapeño’) und Paprika (’Corno di Toro’, ‘Doux long des Landes’), Bohnen (’Borlotto Lingua di Fuoco’, ‘Purple Queen’), Erbsen (’Rondo’, ‘Lincoln’), verschiedenste Salate und Blattgemüse, Tomaten (’Black Prince’, ‘Cornue des Andes’, ‘Green Zebra’), Kohl (’Snowball’, ‘Violet Sicilian’, ‘Romanesco’), Möhren (’Nantaise’, ‘Touchon’), Radieschen, Gurken und Kürbis (’Musquée de Provence’, ‘Butternut’, ‘Red Kuri’), Pastinaken, Rote Beete sowie weitere Gemüse wie Mangold, Spinat, Sellerie und Lauch. Bei den Obstbäumen dominieren Apfel, Birne, Quitte, Pfirsich und Kirsche. Hinzu kommen typische Gartenpflanzen wie Artischocke, Fenchel, Tomatillo und Physalis.
Seit 2009 erfolgt die Bewirtschaftung der gesamten Anlage nach ökologischen Prinzipien ohne chemische Mittel, dafür mit gezieltem Einsatz von Nützlingen.
Villandry auch ein Ort der Begegnung und des kulturellen Lebens. Jährlich gibt es große Veranstaltungen wie das „Treffen in den Gärten“ im Juni, die „Nächte der tausend Feuer“ im August, die Europäischen Tage des Kulturerbes im September und die Tage der Gärten und des Gemüses. Zur Weihnachtszeit verwandelt sich das Schloss in eine festliche Kulisse.
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