Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Jens Schachtschneiders Praxisgedanken

Schaffen wir es wieder?

Während der Flüchtlingskrise hat sich ein Satz unserer damaligen Kanzlerin im Gedächtnis eingebrannt: Wir schaffen das! Bereits jetzt wissen wir, die gegenwärtige Energie- und Absatzkrise werden einige Betriebe nicht schaffen. Dies gilt leider auch für den Gartenbau.
Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Jens Schachtschneider: „Wir müssen mit unseren Produktionsmengen runter. Das Beste, was uns dabei passieren kann, ist, dass wir später zu wenig Ware haben."
Jens Schachtschneider: „Wir müssen mit unseren Produktionsmengen runter. Das Beste, was uns dabei passieren kann, ist, dass wir später zu wenig Ware haben."Christoph Killgus
Artikel teilen:

Zuletzt kämpften wir mit der Coronakrise. Nach der anfänglichen tiefen, großen Sorge brachte diese letztlich zwei gute Jahre für den Gartenbau. Während die Pandemie schicksalhaft über uns kam wie ein Unwetter, ist die gegenwärtige Krise menschengemacht. Putin lässt für seine Ziele – welche es auch immer sein mögen – tausende Mitmenschen sterben und Städte in Schutt und Asche legen. Im Vergleich dazu ist unser Schicksal überschaubar und doch trifft es den Gartenbau in einer Dramatik, die alle vorherigen Krisen klein erscheinen lässt.

Die Unsicherheit ist groß

Wie entwickelt sich der Absatz? Wie viel Geld hat der Verbraucher in der nahen Zukunft zur freien Verfügung und wo setzt er bei sinkenden finanziellen Möglichkeiten seine Prioritäten? Die Preise der Energieträger explodieren geradezu mit entsprechenden Folgen nicht nur beim Heizen und Tanken, sondern ebenso bei für uns wichtigen Produkten wie Töpfen und Substraten. So sehr wir uns über die beiden guten Jahre 2020/21 gefreut haben, so schnell leeren sich die Konten wieder. Längst befinden sich Betriebe in nackter Existenznot.

Wenn alle schreien, so findet der Einzelne kaum noch Gehör. Für unsere Verbände ist es schwer, zu den Entscheidungsträgern vorzudringen. Die Priorität der Politik liegt bei der Energieversorgung. Weihnachtssterne, Orchideen und andere Zierpflanzen gelten unausgesprochen als verzichtbar, wenn dabei Energie gespart werden kann. Damit sind jedoch Existenzen von Gartenbaubetrieben verbunden! Selbst Arbeitsplätze sind kein starkes Argument, solange es insgesamt noch einen Arbeitskräftemangel gibt. Betriebe, die über Generationen aufgebaut wurden, geraten unvermittelt innerhalb weniger Monate in die schwerste Krise seit ihrer Gründung.

„Jammern ist keine unternehmerische Tätigkeit" hörte ich jüngst bei einem Vortrag. Was also tun? Bei der Corona-Krise war es vergleichsweise leicht. Unsere gärtnerischen Verbände standen im engeren Kontakt zur Politik. In beiden Frühjahren öffneten je nach Bundesland recht schnell die Verkaufsstellen und unsere Welt war rasch wieder in Ordnung. Für viele Betriebe stehen jetzt die Planungen für das nächste Jahr an. Produziere ich überhaupt und wenn ja was und wieviel? Die teuerste Pflanze ist nicht die heizkostenintensivste, sondern jene, die nicht kalkulationskonform vermarktet werden kann. Dazu zählen auch jene, die zu Spotpreisen nahezu verschenkt werden, um zumindest die Entsorgungskosten zu sparen.

Pflanzen nicht verschleudern

I st es zielführend, dass unser Berufsstand Preisbörsen unterhält, die im Gegensatz zu den Energiebörsen in Krisenzeiten in die gegensätzliche Richtung drehen? Wenn der Verbraucher aufgrund weltpolitischer Ereignisse unerwartet weniger kauft, dann sollten wir im Interesse unserer Branche zumindest den verminderten Bedarf zu akzeptablen Preisen vermarkten. Putin füllt seine Kassen, indem er weniger Gas zu höheren Konditionen verkauft. Der Gartenbau bringt sich in höchste Gefahr, wenn er seine gesamte Produktion auf den Markt wirft und dabei jeden noch so verrückten Preis hinnimmt. Wir wissen doch alle: Wo eine billige Pflanze gepflanzt ist, da ist für eine Normalpreisige kein Platz mehr.

Die Konsequenz ist gleichermaßen einfach wie schmerzhaft: Wir müssen mit unseren Produktionsmengen runter. Das Beste, was uns dabei passieren kann, ist, dass wir später zu wenig Ware haben. Das erfreuliche Ergebnis kennen wir doch aus den beiden Corona-Jahren. Ehrgeizige Kollegen haben Probleme damit, auch mal mit „nein, ausverkauft" zu antworten. Wenn jedoch das Jahresergebnis positiv ausfällt, so dürfen wir doch anschließend alle mehr als zufrieden sein. Zocker setzen darauf, dass die Kollegen weniger produzieren. Wenn dieses dann noch von den Jungpflanzenvertretern geschickt im Nebensatz bestätigt wird, so steigt der Ehrgeiz, mit einer eigenen starken Produktion in diese Lücke zu stoßen. Aber ist dies wirklich die Zeit für Spieler?

Und jetzt steigt auch noch der Mindestlohn auf 12 €. Kaum einem Betrieb ist derzeit danach, die Löhne anzupassen. Jedoch sind im gleichem Maße unsere Mitarbeiter von den vielfältigen Kostensteigerungen betroffen, die bekanntlich bei schmaleren Geldbeuteln spürbarer sind. Artig dem Energieversorger mehr zahlen, ebenso den weiteren Lieferanten, aber dieses den eigenen Mitarbeitern verwehren? Wenn der Gartenbau eine Zukunft haben will, so benötigen wir Mitarbeiter an unserer Seite. Das Gegenargument ist bekannt. Wir können nur Geld verteilen, das wir erwirtschaften. „Work-Life-Balance" ist zu einem Schlagwort der letzten Jahre geworden. Die Betonung lag dabei zuletzt auf „Life". Da nicht nur dem Gartenbau, sondern auch anderen Branchen schwierigere Zeiten bevorstehen, wird es zumindest vorübergehend zu einer Verschiebung kommen. Es wird wieder mehr Arbeit notwendig sein, um das Leben zu finanzieren.

Sparen und wirtschaftliches Handeln ist das Gebot der Stunde

Früh am Markt sein bedeutet bei vielen Kulturen zugleich höhere Energiekosten. Sollten wir in dieser Zeit den Saisonstart für B&B-Ware etwas nach hinten verlegen, was fachlich gesehen ohnehin sinnvoll ist? Anbauverträge geben eine vermeintliche Sicherheit. Aber was sind diese wert, wenn der Abnehmer sich als unzuverlässig oder gar unfair erweist? Irgendein Insekt lässt sich immer finden und wenn es ein Nützling ist, um eine doch nicht benötigte Partie abzuweisen. Erst in schwierigen Zeiten zeigt sich die Stabilität von Partnerschaften und letztlich der Charakter des Gegenübers.

Eines ist dennoch festzuhalten: Pflanzen sind und bleiben ein Zukunftsprodukt. Vielleicht nicht jede Kultur, aber das ist nichts Neues. Die Sortimente verändern sich stetig. Omorika-Fichten und Korkenzieher-Hasel waren zu meiner Lehrzeit zwei Trendgehölze, Orchideen hingegen ein exklusives Produkt. Einige der heutigen Massenprodukte werden an Bedeutung verlieren, weil sie nicht mehr trendy sind, zu teuer in der Anzucht werden oder einen hohen Pflanzenschutzmitteleinsatz benötigen. Es werden Sortimente folgen mit neuen, angesagten Eigenschaften. Große Mengen auf „gut Glück" zu produzieren, wird zum unkalkulierbaren Wagnis. Vertrauensvolle Kundenabsprachen gewinnen hingegen an Bedeutung.  

Der Wunsch nach Frieden

Traurig stimmt mich, dass die Anzahl der Betriebe abnehmen wird. Geschätzte Kollegen, die wir vermissen und natürlich ganz zentral die Sorge um die Zukunftsperspektive des eigenen Unternehmens. Letztlich geht mit jeder Betriebsaufgabe gärtnerische Vielfalt verloren.

So schwierig die Situation für unsere Branche auch sein mag. Noch wichtiger ist, dass bald Frieden in Europa und auf unserem gesamten Globus einkehren möge. Bei all unseren Sorgen dürfen wir nicht vergessen, dass andere, vielfach sehr junge Menschen, gegenwärtig einen noch viel höheren Preis zahlen – den des eigenen Lebens.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren