Wärmeströme im Gewächshaus optimieren
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Was ist Energie überhaupt? Vielleicht wurden Sie bereits in der Schule mit dieser Frage konfrontiert. Einen ersten Anhaltspunkt liefert damals wie heute die Energieerhaltung, welche besagt, dass die Menge an Energie in einem isolierten System stets konstant bleibt und lediglich von einer in eine andere Form umgewandelt wird. Gemäß dieser abstrakten Definition kann Energie also weder vernichtet noch erzeugt, verschwendet und auch nicht eingespart werden.
Keine Sorge – für die nachfolgende, praxisorientierte Betrachtung genügt die Feststellung, dass Energie „ die Dinge in Bewegung bringt ”, wir also die Wirkung von Energie wahrnehmen können, ohne zu wissen, was diese konkret hervorruft. Die Wirkung zeigt sich zumeist durch die genannten Umwandlungsprozesse der verschiedenen Energieformen. So wird in einem Ottomotor durch den Prozess der Verbrennung die innere chemische Energie des Kraftstoffs in Bewegungsenergie und Wärmeenergie umgesetzt.
Ein weiteres Beispiel beschreibt die Umwandlung von Strahlungsenergie der Sonne zu Wärmeenergie durch Beteiligung der Atmosphäre, den Treibhauseffekt.
Bei nahezu allen Umwandlungsprozessen fällt neben der direkt nutzbaren Form aber auch Energie an, welche nicht verwertet werden kann, beispielsweise Reibungswärme. Weil diese Prozesse nicht umkehrbar sind, treten zwangsläufig bei jeder Umwandlung Verluste auf. Bis Energie beim Verbraucher „ die Dinge in Bewegung bringen" kann, sind mehrere Umwandlungsprozesse notwendig: Aus Primärenergieträgern wie Erdöl, Steinkohle oder Erdgas wird in Kraftwerken und Raffinerien Primärenergie in Endenergie umgewandelt.
Endenergieträger wie Heizöl, Kraftstoffe oder Strom werden beim Verbraucher in Nutzenergie wie beispielsweise thermische Energie zum Heizen oder Bewegungsenergie zum Antrieb von Maschinen umgewandelt. Letztlich muss für eine Einheit Nutzenergie etwa die dreifache Menge an Primärenergie aufgebracht werden (Abbildun 1)!
Energie als Wärmestrom
Energie begegnet uns unter anderem für die Beheizung von Gewächshäusern in Form von Wärme. Das Potenzial von Wärme wird über Temperaturunterschiede beschrieben. Temperatur ist also nicht gleichzusetzen mit Wärme. Im Bestreben eines Ausgleichs strömt diese stets von einem höheren zu einem niedrigeren Niveau. Diese Wärmeströme, konkret die Menge an übertragener Energie pro Zeiteinheit, können auf drei Arten erfolgen: Durch Wärmeleitung, Konvektion und Strahlung. Im Alltag treten meist mehrere Arten gemeinsam auf, wobei häufig eine den mit Abstand größten Beitrag an übertragener Energie leistet.
Neben den drei genannten Arten ist im Gartenbau weiterhin die Übertragung durch latente Wärme, also die in der Luftfeuchte gespeicherte Energie von großer Bedeutung. Bei Verdunstung von Wasser wird aus der Umgebung Wärme entzogen (Verdunstungskälte) und bei Kondensation wieder abgegeben.
Als Quelle für Wärmeströme in einem Gewächshaus kommt einem zunächst die installierte Heizungsanlage in den Sinn, demgegenüber leistet auch die Sonne einen erheblichen Anteil bei der Erwärmung – mit zwei gravierenden Unterschieden: die Sonne schickt keine Rechnungen und ihr Beitrag ist CO2-neutral.
Anhand der verschiedenen Wärmeströme können thermodynamische Vorgänge beschrieben und berechnet werden. Dies ermöglicht eine Gesamtbetrachtung der verwendeten Ausstattung und bietet Ansätze für Maßnahmen zur Energieeinsparung. Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. stellt auf seiner Internetseite unter https://www.ktbl.de/themen/gewaechshaus-energieeinsparung eine kostenlose Checkliste zur Verfügung. Einige der darin beschriebenen Maßnahmen stellen wir Ihnen im nächsten Kapitel unter Berücksichtigung der Wärmeströme in und um ein Gewächshaus vor (siehe Abbildung 2).
Wärmeströme in und um ein Gewächshaus
1 Bevor die Strahlung der Sonne tagsüber auf Gewächshaushülle und Erdboden trifft, werden gewisse Anteile in den Raum reflektiert oder von der Erdatmosphäre absorbiert. Diese Anteile sind einerseits abhängig von der atmosphärischen Zusammensetzung. So reflektiert und absorbiert bewölkter Himmel mehr Strahlung als wolkenloser Himmel. Andererseits besteht ein Zusammenhang des absorbierten Anteils mit dem Sonnenstand im tages- und jahreszeitlichen Verlauf, also dem Einfallswinkel der Sonnenstrahlung und damit der durchdrungenen Atmosphärendicke.
2 Die Gewächshaushülle beeinflus st die auftreffende Globalstrahlung ähnlich wie die Erdatmosphäre. Ein Teil wird unmittelbar an der Hüllenoberfläche reflektiert, ein weiterer von der Hülle selbst absorbiert. Der hindurchgelassene Teil liefert Energie für die Assimilation der Kulturen und erwärmt das Gewächshaus. Die Durchlässigkeit ist abhängig von Sonnenstand und Aufstellrichtung des Gewächshauses, vom Hüllmaterial selbst sowie der Anordnung der Konstruktionsteile im Dachraum.
Tipp: Verschmutztes Hüllmaterial verringert den Anteil der hindurchgelassenen Globalstrahlung – eine regelmäßige Reinigung außen und innen gewährleistet eine hohe Durchlässigkeit. Auch unbeabsichtigter Schattenwurf, beispielsweise durch unvollständig öffnende Schirme, ist zu vermeiden.
3 Der durchgelassene Anteil der Globalstrahlung wird im Inneren des Gewächshauses reflektiert und absorbiert. Eine weitere Transmission erfolgt mangels Durchlässigkeit des Bodens nach unten hin nicht. Die Absorption bewirkt eine Erwärmung der Inneneinrichtung und der umliegenden Luftmassen. Dies verursacht eine Ableitung der Wärme in den Untergrund sowie einen Konvektionsstrom in Richtung Dachraum und eine Emission von langwelliger Infrarot-Strahlung in die Umgebung. Weil Glas undurchlässig für langwellige Infrarot-Strahlung ist, wird diese an der Hülle zum überwiegenden Teil reflektiert und absorbiert: es kommt zur „Strahlenfalle". Die Erwärmung durch den Gewächshauseffekt ist jedoch nur zu einem geringen Anteil tatsächlich auf die „Strahlenfalle" zurückzuführen. Den weitaus größeren Beitrag leistet der durch die Hülle angestaute Konvektionsstrom. Zur Verdeutlichung: ein Folientunnel mit PE-Folie ist durchlässig für langwellige Infrarot-Strahlung, heizt sich bei Sonneneinstrahlung vergleichbar auf wie ein Glashaus.
4 Auch die Kulturen absorbieren einen Teil der Wärme von Globalstrahlung und Heizung, wodurch Blatttemperatur und Transpirationsrate ansteigen. Dies bewirkt eine Abfuhr der absorbierten Energie über latente Wärme. Neben der Transpiration der Kulturen erhöht auch die Verdunstung von Feuchtigkeit am Boden und auf Stellflächen den Gehalt an latenter Wärme im Inneren. Diese Prozesse können 30 bis 70 % der einfallenden Strahlung in latente Wärme umwandeln. Folglich fällt der Energiebedarf eines leeren und trockenen Gewächshauses um bis zu 60 % geringer aus!
Tipp: Eine eher trockene Kulturführung sowie Bewässerungsvorgänge vornehmlich am Morgen reduzieren den Energiebedarf. Weiterhin kann eine Abdeckung der Stellflächen, beispielsweise mit Nadelfolie, die Verdunstung verringern.
5 Die Innenflächen der Gewächshaushülle nehmen Wärme aus dem Inneren des Gewächshauses auf. Dieser Wärmestrom setzt sich zusammen aus langwelliger Infrarot-Strahlung von Einrichtung, Boden, Kulturen und Heizung sowie Konvektionswärme und latenter Wärme aus Kondensation an der Hülle. Die aufgenommene Wärme wird durch die Hülle nach außen abgeleitet und sowohl über langwellige Infrarot-Strahlung als auch konvektiv abgegeben. Letzteres kann bei Wind stark zunehmen. Die Menge an durchgeleiteter Wärmeenergie pro Flächeneinheit und Temperaturunterschied lässt sich über den Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) beschreiben. Dabei gilt: je höher der U-Wert, desto größer der Wärmedurchgang und geringer die Isolationswirkung eines Materials.
Tipp: Doppelverglasung bei Steh- und Giebelwänden reduziert den U-Wert erheblich. Bei Einfachverglasung kann Luftpolsterfolie den Wärmedurchgang verringern. Überdies ist auf eine intakte Wärmedämmung der Konstruktionsteile wie Sprossen und Rinnen zu achten, um Kältebrücken zu vermeiden.
6 Das umfangreiche Thema Heizung werden wir in einem gesonderten Artikel behandeln. Deshalb hier nur in Kürze einige Hinweise zum Thema Wärmeströme der Heizung: Die Wärmeabgabe erfolgt bei einer Rohrheizung vorwiegend durch Strahlung und Konvektion, wobei mit steigender Vorlauftemperatur der Strahlungsanteil zunimmt. Bei Luftheizern und Konvektoren wird die Wärme hingegen zu großen Teilen über Konvektion abgegeben.
7 Energieschirme lösen die gegensätzlichen Anforderungen nach hoher Durchlässigkeit für die Globalstrahlung tagsüber und geringem Wärmedurchgang in der Nacht. Bei geschlossenen Schirmen wird der Konvektionsstrom in Richtung Dach angestaut, wodurch der effektiv beheizte Luftraum abnimmt und über dem Schirm ein weiteres, dämmendes Luftpolster entsteht.
Das oftmals eingesetzte Aluminium-Gewebe bewirkt zudem eine Reflexion der Strahlung zurück in die Kulturen. Die beste Wirkung zeigen Energieschirme bei Einfachverglasung mit einer Verringerung des Wärmebedarfs um bis zu 50 %.
Tipp: Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Funktionsweise eines Energieschirms ist ein unbeschädigtes, dichtes Gewebe. Zur Vermeidung von Kaltlufteinfall ist weiterhin auf dichten Schluss der Schirmelemente zueinander sowie an der Konstruktion zu achten.
8 Zwischen Atmosphäre und Innenraum besteht ein ständiger Luftaustausch, der Luftwechsel. Dieser erfolgt gewollt über Öffnung der Lüftungsklappen zur Abfuhr von Wärme, aber auch unbeabsichtigt aufgrund von Undichtigkeiten in der Gewächshaushülle. Über den Luftwechsel besteht ein direkter Austausch von latenter Wärme und Konvektionswärme zwischen Atmosphäre und Innenraum. Einfluss auf den Luftwechsel haben die Dichtigkeit der Hülle, die Bauweise und Stellung der Lüftung und die Windstärke.
Tipp: Anfällig für Undichtigkeiten in der Hülle sind im Besonderen die Lüftungsklappen. Eine regelmäßige Überprüfung auf vollständigen Schluss sowie intakte Abdichtprofile kann dem ungewollten Wärmeverlust vorbeugen.
Ganz einfach lernen!
Wenn auch Sie das Weihenstephaner Modell in Ihrem Betrieb einsetzen möchten, erfahren Sie alles Wissenswerte hierzu im kostenfreien Onlinekurs des Weiterbildungsportals der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Zugang zum Kurs „Weihenstephaner Modell – Energieeinsparung im Gartenbau durch intelligente Klimaregelung im Gewächshaus" erhalten Sie nach kurzer Registrierung unter https://wbmoodle.hswt.de.
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Nach einer Kurzvorstellung der Funktionsweise und Stimmen aus der Praxis finden Sie sieben Lerneinheiten vor, die neben den Forschungsergebniss en auch zahlreiche weitere Informationen zur energieeffizienten Gewächshaussteuerung liefern.
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