Woher kommen künftig Saisonarbeitskräfte?
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Die meisten Erntehelfer sind heute zu 65 bis 70 % Rumänen, gefolgt von 20 bis 25 % Polen, berichtet Rechtsanwältin Nicole Spieß, Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände, auf dem Profi-Tag Gemüsebau 2023 in Hannover-Ahlem. Der Rest stammt aus weiteren EU-Mitgliedstaaten und geringfügig aus Drittstaaten oder Deutschland.
Viele Erntehelfer in Spanien und Portugal kommen aus Rumänien, Nordafrika, aber auch aus Vietnam, Thailand oder Indien. Zudem werde der Mindestlohn in Spanien in Höhe von 6,55 € geduldet und oft deutlich unterschritten, weil dem Gartenbau dort eine große wirtschaftliche Bedeutung beigemessen wird.
Stark reglementiert
Warum gibt es bei uns bislang keinen Zugang für asiatische Arbeitskräfte? In Deutschland besteht für ungelernte Arbeitskräfte aus diesen Staaten bislang nur ein eingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt. Dieser gilt etwa für ferienbeschäftigte Studenten, aber auch Westbalkanstaatsangehörige oder Saisonkräfte aus Georgien und der Republik Moldau. „Allerdings sind die Visaverfahren in den Westbalkanstaaten seit einiger Zeit langwierig, wodurch nur noch wenige Saisonkräfte aus diesen Staaten rekrutiert werden", erläutert Spieß. Studenten dürften nur während ihrer offiziellen Semesterferien eine solche Beschäftigung in Deutschland ausüben. Im April und Mai seien in vielen Staaten keine Semesterferien, sodass beispielsweise in der Spargelernte selten Studierende aus Drittstaaten beschäftigt werden könnten.
Die Saisonbeschäftigung aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen ist auf 20.000 Saison-Arbeitskräfte (SAK) reglementiert. Aus Georgien können aktuell bis zu 5.000 und aus der Republik Moldau bis zu 1.000 SAK angeworben werden. Bislang waren die Kontingente nicht ausgeschöpft. Der Vorteil: Diese SAK dürfen nur in der Landwirtschaft arbeiten, konkurrieren also nicht mit anderen Branchen.
Neu ab März 2024
Ab 1. März 2024 ist eine kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung in Form eines achtmonatigen Arbeitsmarktzugangs für ungelernte Arbeitskräfte aus Drittstaaten erlaubt. Voraussetzung ist ein von der Bundesagentur für Arbeit für bestimmte Wirtschaftszweige oder Berufsgruppen festgelegtes Kontingent. Die Beschäftigung muss bei tarifgebundenen Arbeitgebern oder Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen zu den geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen erfolgen. Der Arbeitgeber muss 100 % der Reisekosten tragen und es darf sich nicht um versicherungsfreie kurzfristige Beschäftigungen handeln. Ein Arbeitgeber darf in höchstens zehn innerhalb von zwölf Monaten Arbeitskräfte nach dieser Regelung beschäftigen.
Geflüchtete UkrainerInnen dürfen arbeiten
Geflüchtete aus der Ukraine dürfen in Deutschland grundsätzlich arbeiten. In der Regel enthält der Aufenthaltstitel bereits die entsprechende Arbeitserlaubnis. Darauf sollte vor Einstellung geachtet werden und bei Fehlen der Arbeitsgestattung diese bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden. Eine versicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung geflüchteter Menschen mit einem Arbeitsentgelt über 520 € (ab dem 1.1.24 über 538 €) ist grundsätzlich nicht möglich. Diese gelten als berufsmäßig und sind deshalb sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob, 520-€-Job) ist dagegen möglich. Bislang waren nur wenige Ukrainer in der Landwirtschaft beschäftigt. Für eine mehr als geringfügige Beschäftigung könnte häufig der Anreiz fehlen, da bei Einkommen von mehr als 100 € monatlich das Bürgergeld gekürzt werde.
Gesetzlicher Mindestlohn belastet Betriebe
Spieß zeigt die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns in den vergangenen Jahren auf und stellt fest, dass gerade die gesetzliche Anhebung auf 12 € brutto je Arbeitsstunde im Jahr 2022 für viele Betriebe herausfordernd war. Denn die Mindestlohnanpassung wirke sich auf das gesamte Tarif- und Lohngefüge aus und hätte gerade bei handarbeitsintensiven Arbeiten die Produktionskosten deutlich nach oben getrieben. Oft könnten die gestiegenen Kosten nicht beziehungsweise nicht vollumfänglich an die aufnehmende Hand (Verbraucher, Handel, Verarbeiter) weitergegeben werden, da die Betriebe im Wettbewerb mit ausländischen Produzenten stünden, die zu deutlich niedrigeren Löhnen und anderen Kosten produzieren könnten.
Zwar sei die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Anhebung auf 12,41 € brutto je Arbeitsstunde ab 1. Januar 2024 und auf 12,82 € brutto ab 1. Januar 2025 recht moderat ausgefallen. Mit einer deutlichen Erhöhung ab 2026 sei aber zu rechnen.
„Lohn ohne Arbeit"
Saisonarbeitskräfte stehe Erholungsurlaub zu (24 Tage bei einer 6-Tage- und 20 Tage bei einer 5-Tage-Woche), eine sechswöchige Lohnfortzahlung, nachdem das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat, und Lohnfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen und bezahlte freie Ausgleichstage für Arbeiten an Feiertagen. Urlaub müsse immer nur für volle Monate gewährt werden, stellte sie klar. Fehlten in einem Monat auch nur wenige Tage, sei für diesen kein Urlaub zu gewähren. Lediglich im Arbeitsvertrag ausgenommen werden darf die Lohnfortzahlung bei vorübergehender Verhinderung des Arbeitnehmers zum Beispiel durch Arztbesuche oder Krankheit von Kindern. Information und Unterstützung zu diesen und weiteren Themen erhielten SAK zunehmend von Mitarbeitern des Projekts „Faire Mobilität". Diese unterstützten ausländische Arbeitskräfte auch bei einer gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen den Arbeitgeber.
In Deutschland ist grundsätzlich jede Beschäftigung sozialversicherungspflichtig. Ausnahmen bestehen bei geringfügig entlohnten und kurzfristig Beschäftigten. Bei Arbeitskräften aus EU-Mitgliedstaaten kann auch während der Beschäftigung in Deutschland das Sozialversicherungsrecht des Heimatlandes zur Anwendung kommen. Das trifft zu auf Arbeitnehmer im Erholungsurlaub und Selbstständige bei ähnlichen Tätigkeiten, also bei einer Beschäftigung von Landwirten und deren Familienangehörigen wiederum in Deutschland in der Landwirtschaft. Diese müssen im Heimatland angemeldet werden. Ein Nachweis über die im Ausland bestehende Versicherungspflicht werde vom Rentenversicherungsträger im Heimatland der Saisonkraft mit dem EU-Formular A1 ausgestellt. Leider gebe es mit Ausnahme Rumäniens keine entsprechende Negativbescheinigung bei fehlender Versicherungspflicht im Heimatland, bedauert Spieß. Nur so könne der Arbeitgeber sicher wissen, ob keine Versicherungs- und Beitragspflicht im Heimatland bestehe und sei vor Nachforderungen, die bis zu sechs Jahre später erhoben werden könnten, geschützt.
Was bedeutet Berufsmäßigkeit?
Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn sie innerhalb eines Jahres auf drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist. Dazu kommt die Bedingung, dass diese nicht berufsmäßig ausgeübt wird, betont Spieß. Allerdings sei die Definition für Berufsmäßigkeit noch kaum geklärt. So darf die Beschäftigung keine oder nur eine untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung für die SAK haben, was gerade bei osteuropäischen SAK oft bezweifelt werde. Denn diese kommen ja gerade her, um zuhause wirtschaftlich besser zu stehen.
Die Deutsche Rentenversicherung beurteile die Berufsmäßigkeit zwar nach Fallgruppen, wonach Schüler, Studenten, Rentner, Hausfrauen und -männer als nicht berufsmäßig eingestuft sind. Bei ausländischen Erntehelfern wird aber von den Prüfern der Deutschen Rentenversicherung seit einigen Jahren allein die Angabe des Status Hausfrau oder -mann in dem von der Rentenversicherung zur Statusklärung zur Verfügung gestellten Fragebogen nicht mehr als ausreichend erachtet. Offensichtlich unplausible Angaben, insbesondere von Minderjährigen, Ehegatten und ledigen Personen, werden nicht mehr akzeptiert. Hier wird häufig ein Nachweis gefordert, wie der Lebensunterhalt im Heimatland bestritten wird. Eine konkrete Angabe, welche Nachweise vorzulegen sind, fehlt. Erste Urteile sind nicht einheitlich. Einige halten die Beschäftigung ausländischer Saisonkräfte stets für sozialversicherungspflichtig. Andere sehen zwar das Ankreuzen des Feldes „Hausfrau/Hausmann" im Fragebogen ebenfalls als nicht ausreichend, um die Versicherungsfreiheit zu bejahen, ist der Fragebogen aber vollumfänglich ausgefüllt und unterschrieben, gingen bestehende Zweifel zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung.
Wenig gute Lösungen
Eine gute Mund-zu-Mund-Propaganda ist hilfreich für den Erhalt von SAK, die wertschätzend behandelt werden müssen.
Die SinD GmbH ( www.sind-gmbh.de ) stellt Betriebe des Gartenbaus einfach und kostengünstig in Polen, Rumänien, Bulgarien und Deutschland in der Landessprache im Internet vor. Die Webseite www.saisonarbeit-in-deutschland.de bringt SAK und Arbeitgeber zusammen.
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