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Jens Schachtschneiders Praxisgedanken (22)

Fehlzeiten – ein heißes Eisen

Wer von uns Chefs hat sich beim Thema Krankmeldungen noch nicht die Finger verbrannt? Auch ich durfte bereits Lehrgeld zahlen. Die Fehlzeiten sind in vielen Betrieben zuletzt deutlich angestiegen. Eine Situation, die Unternehmen in mehrfacher Hinsicht belastet – da ist guter Rat teuer.
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Echte Wertschätzung ist gar nicht so einfach zu gestalten.
Echte Wertschätzung ist gar nicht so einfach zu gestalten.Grünes Medienhaus/BVE
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Unsere gesellschaftliche Solidarität steht in der politischen Diskussion immer wieder in der Kritik. Aber so schlecht ist sie bei näherer Betrachtung vielleicht gar nicht: In Deutschland zahlen Besserverdienende (soweit sie nicht privatversichert sind) höhere Krankenkassenbeiträge für gleiche Leistungen wie Arbeitskollegen in den unteren Lohngruppen. Ebenso differenziert der Beitrag nicht zwischen einem sportlich-gesundheitsbewussten Mitglied und einem Starkraucher. Ob gerecht oder nicht, beides zeugt von einer solidarischen Grundhaltung. Bei der Autoversicherung zahlen mehrfache Unfallverursacher in aller Selbstverständlichkeit deutlich mehr.

Ein ebenso hohes Maß an gegenseitiger Solidarität zeigt sich im Arbeitsalltag. Hat sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter (zukünftig abgekürzt MA) eine Grippe eingefangen, so springen die MA ein und kompensieren den Ausfall. In gemeinsamer Kraftanstrengung gelingt es irgendwie, selbst wenn gerade Urlaubszeit ist und die Belegschaft sich ohnehin ausgedünnt hat. Ebenso greift der Chef in den Geldbeutel, denn die deutsche Gesetzgebung sieht im Gegensatz zum Beispiel zur Schweiz in den ersten sechs Wochen eine Lohnfortzahlung seitens des Betriebes vor. Es mag sich in den Corona-Jahren etwas verändert haben, aber langfristig betrachtet hat etwa die Hälfte unserer Belegschaft keine krankheitsbedingten Fehltage im Jahresverlauf. Dieses ist in einem körperlich anspruchsvollen Beruf ein respektabler Wert. Diese MA zeigen sich in mehrfacher Hinsicht solidarisch.

Heiße Diskussionen führen oder meiden?

Kommen wir zu den „heißen Eisen". Was ist, wenn die von mir so gepriesene Solidarität nicht von allen Seiten gelebt wird? Also MA und/oder Chefs das Gefühl entwickeln, dass einzelne Arbeitskollegen – vorsichtig formuliert – schneller zu einer Krankschreibung neigen. Wir spüren sofort die Sensibilität des Themas. Es gibt Bereiche, die wir kaum noch diskutieren können, ohne dass viele von uns unmittelbar Puls verspüren. Ein wenig vergleichbar mit der Diskussion beim Thema Migration, als es beim Jahreswechsel in Berlin gewalttätige Übergriffe auf Feuerwehr und Sanitäter gab. Sofort gehen bei uns allen die Alarmlichter an. Niemand möchte sich die Zunge verbrennen, also wird geschwiegen, was auf Dauer ebenso gefährlich ist.

Bekanntlich sind MA nicht verpflichtet gegenüber Arbeitskollegen und Arbeitgeber Angaben zur Erkrankung zu machen. Dieses ist nachvollziehbar und richtig. Schließlich gibt es abseits der Grippe so manche Erkrankung, über die man nicht gerne sprechen möchte und die in den Bereich der Privatsphäre gehört. Zugleich kennen wir alle das Munkeln im Betrieb, wenn MA häufiger oder länger erkrankt sind und die Hintergründe im Dunkeln liegen. Von einem Personalcoach habe ich gelernt, dass sich bei mangelnder Transparenz unser aller Phantasien – ob wir wollen oder nicht – irgendwann ins Negative entwickeln. Wir Chefs mögen uns vielleicht noch bestmöglich kontrollieren. Was aber, wenn aus der Belegschaft kritische Stimmen aufkommen, weil sie glauben, ahnen oder gar wissen, dass MA eigentlich arbeitsfähig sind. Spätestens wenn Sätze fallen wie „Einzelne Kollegen können sich im Betrieb mehr erlauben …" oder „Dann gönne ich mir demnächst auch mal ein paar Krankheitstage …" wird es brandgefährlich.

Die Dinge von zwei Seiten betrachten

Solidarität funktioniert auf Dauer nur, wenn diese allseitig gelebt wird. Mitfühlende Genesungswünsche seitens der Belegschaft und der Chefetage sind bei längeren Erkrankungen wohltuend. Ebenso kann der Erkrankte einen wertvollen Beitrag leisten: Wer während der Saison längere Zeit ausfällt, der weiß, was das für den Betrieb bedeutet. Ein Kuchen oder ein paar Süßigkeiten, versehen mit einem dankenden Gruß, sind Signale, die von allen Arbeitskollegen verstanden werden. Wichtig ist eine Kommunikation im Dreieck, mit der erkrankten Person, den MA und dem Chef. Dabei geht es weniger um Details der Erkrankung als vielmehr um die Sicherstellung des gegenseitigen Vertrauens. Idealerweise erfolgt dazu die Initiative vom Erkrankten, denn insbesondere der Chef bewegt sich dabei stets auf einem glatten Parkett.

Ohne Geld und Gesundheit abwägen zu wollen, sei es erlaubt einen Blick auf die Kosten zu werfen: Wenn wir diese für den Betrieb mit 25 € pro aktive Arbeitsstunde ansetzen, so kommen wir bei einem Vollzeitbeschäftigten auf knapp 200 € pro Tag. Bei zehn Krankheitstagen im Jahr steigern sich die Kosten jeder verbleibenden aktiven Arbeitsstunde um zirka 1,10 €, bei 20 Tagen um 2,40 € und bei 30 Tagen um 3,80 €. Da ist es nachvollziehbar, wenn Arbeitgeber einen Blick auf die Krankheitsstatistik der MA werfen. Der eine oder andere mag diese Kostenbetrachtung bereits als grenzgängig empfinden. Hilfreich ist es, im Leben stets Dinge von beiden Seiten zu betrachten. Niemand käme auf die Idee, den Frisör zu bezahlen, wenn dieser krankheitsbedingt den vereinbarten Termin absagt. Für Arbeitgeber ist dieses im übertragenen Sinne selbstverständlich. Um sein Unternehmen wirtschaftlich zu führen, muss er auch diese Zahlen im Blick halten, zumindest um sie kalkulatorisch zu berücksichtigen.

Darf man Gesundheit honorieren?

Arbeitgeber und MA dürften sich einig sein, dass besondere Leistungen gewürdigt werden. Darf man also MA ein monetäres Dankeschön zukommen lassen, die im Jahresverlauf keine oder kaum Fehlzeiten hatten und mit besonderem Einsatz entstandene Lücken geschlossen haben? An dieser Stelle ist die Einigkeit schon wieder dahin. Einige werden dieses ausdrücklich befürworten, andere sehen darin eine Benachteiligung erkrankter MA.

In den Corona-Jahren konnten Unternehmer ihren MA 1.500 € steuerfrei zukommen lassen. Wir beschäftigen zahlreiche MA in Teilzeit. Ich halte es für gerecht, wenn es eine Differenzierung gibt zwischen MA, die weniger Stunden in der Woche kommen können oder wollen und anderen, die in Vollzeit tätig sind. Schließlich ist der Betrag auch vorher in unterschiedlichen Anteilen verdient worden. So entschieden wir uns, während der beiden Corona-Frühjahrssaisonphasen jede aktive Arbeitsstunde mit einem zusätzlichen Euro zu honorieren. Die Meinungen über diese wohlgemerkt übertarifliche Zuwendung dürften auseinanderdriften. Wir spüren die fließenden Übergänge zwischen einer anerkennenden Zahlung und heiklen Anreizen, sich auch im Krankheitsfall zur Arbeit zu schleppen. Letzteres ist auch nicht im Interesse von Arbeitgebern. Aber welche Möglichkeiten bleiben für eine monetäre Anerkennung von MA, die in kritischen Phasen sich in besonderer Weise einbringen? Mangelnde Wertschätzung ist ein häufiger Kritikpunkt an Chefs, gleichzeitig ist diese schwierig zu gestalten, wenn es mehr als eine Dankesbotschaft sein soll. Dabei geht es ja nicht um ein Abstrafen und dennoch kann es bei kritischer Betrachtungsweise stets als ein solches empfunden werden. Wer will, der findet in diesem brisanten Themenfeld immer problemlos gleich mehrere Haare in der Suppe. Die absolute Gerechtigkeit bleibt ein hehres, kaum erreichbares Ziel.

Andere Dinge werden hingegen nicht in Frage gestellt. Betrachten wir unsere Lohngruppen nicht nur im Gartenbau: Je nach Qualifizierungsabschluss wird man in eine Schublade gesteckt, aus der man kaum herauskommt. Ist es fair, dass engagierte MA ohne Abschluss in ihrem Tätigkeitsfeld auch nach Jahren ein geringerer Tariflohn zusteht, als MA mit höheren Abschlüssen, die jedoch in einer persönlichen Schonhaltung ihr Tageswerk verrichten? Dieses ist dennoch gesellschaftlich akzeptiert, während das vorherige Thema schnell zu einer emotionalen Diskussion führt. Die Begriffe Solidarität und Fairness fühlen sich ähnlich an und driften doch im betrieblichen Alltag leicht auseinander.

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