Was bedeutet der Brexit für den Sortenschutz?
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Den internationalen Verband CIOPORA mit Sitz in Hamburg und derzeit 129 Mitgliedern aus 26 Ländern und fünf Kontinenten vertrat Anna Kähne. Aus Deutschland ist Ingrid Slangen, Selecta One, 2020 in den Vorstand des internationalen Verbands gewählt worden. Seit Dezember 2019 bietet die CIOPORA Academy Webinare an und hat das digitale Bildungsangebot um das Thema Sortenschutz erweitert ( www.ciopora-academy.org ).
Verschiedene Züchtervereinigungen haben einen Entwurf zur Erläuterung zu im wesentlichen abgeleiteten Sorten für den internationalen Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) erarbeitet. Die UPOV ist eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in Genf/CH. Ihre Aufgabe ist die Bereitstellung und Förderung eines wirksamen Sortenschutzsystems.
Über weitere Aktivitäten des internationalen Verbands CIOPORA berichtete Micaela Filippo. Die Pflanzenzüchter haben eine rasche Novellierung der EU-Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz angemahnt. CIOPORA hat den kürzlich von der EU gestarteten Aktionsplan für geistiges Eigentum genutzt, um eine Kampagne zur Überarbeitung der Basic-Regularien auf europäischer und nationaler Ebene zu initiieren.
Was bedeutet der Brexit?
Wie es nach dem Brexit weitergeht mit dem Sortenschutz und Pflanzenhandel im Vereinigten Königreich, beschäftigt Züchter und Handel. Die vorläufigen Anwendungen für Handels- und Kooperationsabkommen galten bis Ende Februar 2021, so Annette Benoit, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Berlin (BMEL). Für nur in der EU geltende Unionsmarken hat das Vereinigte Königreich (VK) gesetzliche Grundlagen für eine Fortgeltung als nationale britische Marken geschaffen. Für Einzelheiten und weitere Informationen verwies Benoit auf die Internetseite https://bit.ly/2O6XxGO.
Dr. Brigitta von Wilmowsky, BMEL, erläuterte die Brexit-Anpassungsreserve. Diese soll von den negativen Folgen des Austritts aus der EU betroffene Mitgliedstaaten, Regionen und Sektoren, insbesondere den Fischereibereich, unterstützen, um die Auswirkungen abzufedern. Die Reserve in Höhe von 5 Mrd. € soll in zwei Tranchen in 2021 und der kleinere Teil in 2024 nach einem bestimmten Schlüssel auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Deutschland wird rund 400 Mio. € erhalten, davon sind 40 Mio. € für den Fischereisektor vorgesehen. Staat oder Unternehmen können das Geld beispielsweise für zusätzliche Kontrollen oder Maßnahmen aufgrund des Brexits in Anspruch nehmen. „Es sind unglaublich viele Aspekte denkbar, warum eine solche Reserve in Anspruch genommen werden kann", so die Juristin Wilmowsky. Sowohl Maßnahmen einzelner Unternehmen wie auch staatliche Maßnahmen, wie Umschulungs-, pflanzenschutzrechtliche Kontrollmaßnahmen, aber auch Zertifizierungs- und Zulassungsmaßnahmen, können förderfähig sein. Die Kriterien werden in der Verordnung nicht detailliert genannt. Es handelt sich um eine sehr offene Auflistung einzelner Punkte. Eine Konkretisierung sowohl auf EU- wie auch auf nationaler Ebene befindet sich in der Diskussion. „Wenn Sie uns Kriterien oder durchgeführte Maßnahmen übermitteln, können wir diese in die Diskussion für das Vergabeverfahren einfließen lassen", appellierte Wilmowsky. Das Bundeswirtschaftsministerium erhielt die Federführung auf Bundesebene. Die Verordnung soll am 26. April 2021 vor dem EU-Parlament sein.
Es gelten die Drittlandregelungen
Für den Im- und Export von und nach Großbritannien gelten die Drittlandregelungen, sagte Dr. Thomas Schröder, BMEL, der Auskunft über phytosanitäre Regelungen beim Import und Export gab. Ein Abkommen wie mit der Schweiz sei nicht vorgesehen. Alle Notmaßnahmen, die in der EU für einzelne Schadorganismen gelten, finden weiterhin Anwendung, insbesondere auch die Durchführungsverordnung für Hochrisikopflanzen mit rund 30 Arten und Gattungen mit Einfuhrverbot, bis das Drittland bei der EU einen Antrag für den Import stellt. Das hat das VK bisher noch nicht getan, was bedeutet, dass all diese gelisteten Pflanzen nicht in die EU eingeführt werden können.
Das VK hat ein Dreistufen-Modell gewählt. Grundsätzlich sind für Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse Pflanzengesundheitszeugnisse vorgesehen. Die Waren unterliegen Pflanzenschutzkontrollen, aber bis zum 20. Juni 2021 keinen Zollkontrollen.
Das VK hat für die erste Phase der Implementierung „High Priority Plants" etabliert. Darunter befinden sich alle Pflanzen zum Anpflanzen, Speisekartoffeln, ein Großteil des Saat- und Vermehrungsguts, ein Großteil Holz und Holzprodukte sowie gebrauchte land- und forstwirtschaftliche Maschinen. Seit Anfang des Jahres müssen diese „High Priority Plants" beim Import in das VK von einem Pflanzengesundheitszeugnis begleitet sein, benötigen eine Voranmeldung und es erfolgt eine physische Kontrolle am Bestimmungsort. Ab 1. April 2021 sollen alle Pflanzen(erzeugnisse) Pflanzengesundheitszeugnis pflichtig sein. Für diese erfolgt eine risikobasierte Dokumentenkontrolle.
Ab 1. Juli 2021 ist das vollständige System der Kontrollen implementiert. Das VK plant bis dahin die Kontrollen an Grenzkontrollstellen durchzuführen. Das bedeutet nicht zwingend in den beengten Häfen, sondern an Grenzkontrollstellen etwas weiter im Landesinnern. So bleibt abzuwarten, ob alles zum 1. Juli wie geplant umgesetzt werden kann. Aber klar ist: Alle regulierten Pflanzen benötigen dann ein Pflanzengesundheitszeugnis und unterliegen der vollen Kontrolle.
Für Details verwies Schröder auf die „Plant Health Regulations 2020", welche der EU-Pflanzengesundheitsverordnung entspricht: https://bit.ly/3swGaOu.
Alle Holzverpackungen wie Holzpaletten müssen beim Handel von Waren zwischen dem VK und der EU den internationalen Standard für pflanzengesundheitliche Maßnahmen für Verpackungsmaterial aus Holz im internationalen Handel ISPM 15 entsprechen. Darauf sei ein Großteil des Handels unvorbereitet.
Die Pflanzenschutzdienste der Bundesländer sind zuständig für Kontrollen und Ausstellung der Pflanzengesundheitszeugnisse. Das Julius-Kühn-Institut gibt Auskunft über phytosanitäre Einfuhrvorschriften in die EU ( https://bit.ly/3bOco0Z ).
Schröder verwies außerdem auf das online verfügbare Heft Border operation Model ( https://bit.ly/3kxm7N8 ).
Genome Editing meist für die Wissenschaft
Dr. Thorben Sprink, Julius Kühn-Institut, Quedlinburg, ging auf die Anwendung neuer molekularbiologischer Züchtungs-Techniken ein. Züchterisch am meisten verwendet sei das Genome Editing, eine Methode, um gezielt gewollte Veränderungen in eine DNA-Sequenz einzubringen. Dafür sind verschiedene Ansätze möglich. In über 33 Ländern wird mit Genome Editing gearbeitet. Führend ist China, gefolgt von den USA. Die genutzten Techniken sind vielfältig, in der Regel Crispr-Systeme. In den meisten Fällen handelte es sich um wissenschaftliche Studien.
Deutsche Züchterunternehmen finden sich derzeit in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie importierte Pflanzen aus Drittstaaten, in denen Genome Editing dereguliert ist, für das Züchterprivileg, also die klassische Pflanzenzüchtung nutzen. Keiner sieht der Pflanze an, ob und wie sie verändert wurde. Ebenso wie bei der klassischen Mutagenese ist einer durch Bestrahlung veränderten Pflanze dies nicht anzusehen. Es soll in Kürze eine Stellungnahme dazu von Seiten der EU geben.
Sortenschutz wird umgewandelt
Europäischer Sortenschutz, der bis zum 31. Dezember 2020 erteilt wurde, wird automatisch, ohne Nachprüfung in britischen Sortenschutz umgewandelt, erklärte Micaela Filippo. Der Titelinhaber muss keine Schritte unternehmen. Die Dauer der übertragenen Rechte entspricht der Restlaufzeit des EU-Rechts. Noch gibt es keine Jahresgebühren in Großbritannien. Titelinhaber benötigen erst ab Januar 2024 eine Adresse oder einen Bevollmächtigten in UK. Allerdings benötigen Sortenschutz-Titelinhaber aus UK ab sofort eine Adresse oder einen Bevollmächtigten in der EU.
Wer Details seiner eigenen Pflanzensorte ändern möchte, sollte sich mit seinem Antrag und der EU-Erteilungsnummer wenden an: pvs.helpdesk@apha.gov.eu
Alle Anträge auf Erteilung von Züchterrechten im VK müssen gebührenpflichtig über „UPOV PRISMA", ein Online-Instrument zur Unterstützung der Einreichung von Sortenschutzanträgen bei den Sortenschutzämtern der mitwirkenden UPOV-Mitglieder, gestellt werden.
Derzeit übernimmt das Gemeinschaftliche Sortenamt der EU CPVO keine Prüfberichte aus dem VK, zukünftig könnte dies jedoch möglich werden. Züchter sind aufgefordert, dem Büro Informationen der Arten zu übermitteln, für die ein besonderes Interesse an einer Übernahme des Prüfberichts aus dem VK besteht.
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