„Ich bin ein Fan von klarer Profilierung"
Richard Petri ist ein Marketingexperte, der Pflanzen liebt und im Gartenbau seit Jahrzehnten unterwegs ist, in unterschiedlichen Unternehmen ebenso wie in ganz verschiedenen Ländern. Sein Anliegen ist es, mehr Wertschätzung für gute Pflanzen zu erreichen. Wir sprachen darüber, wie das möglich ist.
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DEGA: Lieber Richard, du hast an deiner vorigen Stelle bei Selecta one die Topfnelken „Pink Kisses" zu einem echten Hit gemacht – nicht allein, sondern im Team zusammen mit sehr fähigen Kolleginnen und Kollegen, das stellst du sehr heraus. Verrätst du, was für den Erfolg entscheidend war?
Richard Petri: Der erste Grundstein für den Erfolg war die Züchtung. Über jahrelange Vorarbeit ist da die Voraussetzung für die „Pink Kisses" geschaffen worden. Die Topfnelken waren dann lange in Beobachtung, auch die, die dann später als „Pink Kisses" bekannt wurden. Zunächst wurden diese als ganz normale Staudennelke eingeführt und beworben – mit ihrem wunderbar niedrigen kompakten Wuchs und ihrem Duft. Wir haben dann gesehen, dass die Sorte noch mehr kann, das zeigten positive Rückmeldungen aus dem Vertrieb und auch aus Handelsgesprächen. Die Agentur, mit der wir zusammengearbeitet haben, empfahl uns – und das war schon neu – die Nelken nicht mit ihren technischen Eigenschaften zu bewerben, sondern ganz auf Emotion zu setzen. So ein Kurswechsel ist für uns Gärtner gar nicht so einfach, denn natürlich verweisen wir gern auf vorhandene gute Eigenschaften wie Winterhärte oder Duft!
Wir haben dann Freundschaft unter Mädchen als relevantes Thema festgelegt. Für diese Gruppe haben wir die Bildwelt aufgebaut. Dazu gehörten Fotowettbewerbe auf Instagram. Dabei war uns durchaus klar, dass das nicht unbedingt die Zielgruppe ist, die gern selbst viele Pflanzen kauft – aber dafür ist sie sehr gern in Social Media unterwegs und verbreitet dort Botschaften. So haben wir ein Grundrauschen für die Marke erzeugt. Das ist insbesondere im Handel gut angekommen.
Als Logo wurde ein pinker Kussmund und keine Blüte gewählt – also etwas, was man eher aus dem Bereich Beauty oder Mode kennt. Wir haben versucht, möglichst viel anders zu machen, um aus der Vergleichbarkeit herauszukommen und im Gespräch zu bleiben. Natürlich war auch der Faktor Glück dabei.
DEGA: Über Marken im Gartenbau wird zwar immer wieder gesprochen, aber die wenigstens Pflanzen, die eine Marke sein wollen, setzen sich wirklich durch. Woran liegt das?
Richard Petri: Entscheidend ist: Man braucht ein gutes Produkt. Viele Produkte, die um einen Platz am Markt kämpfen, sind einfach nicht gut genug! Und dann braucht man eine langfristige Vision, einen langen Atem – man darf nicht meinen, mit einer Kampagne in diesem und im nächsten Jahr ist es getan. Natürlich braucht es auch einiges Geld – und den Mut, dieses Geld auszugeben, man hat ja vorab keine Erfolgsgarantie. Mut benötigt man auch für neue Marketingwege.
DEGA: Eine Marke aufzubauen ist also nicht einfach – und die Entwicklung kostet eben auch viel Geld und Durchhaltevermögen. Ist es dann überhaupt ein sinnvolles Ziel, im Gartenbau für mehr Marken bei Pflanzen zu kämpfen?
Richard Petri: Der Verbraucher bekommt heutzutage so viele Werbebotschaften, dass man ein absolut klares Profil braucht, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Im Gartenbau haben wir wohl oft noch gar nicht richtig verstanden, was Marke bedeutet. Es reicht eben nicht aus, mit der schönsten Blüte, der besten Verzweigung und längsten Haltbarkeit zu werben und dafür ein buntes Logo auf ein Etikett zu drucken. Natürlich kostet die Entwicklung eines Konzepts auch Geld. Auch das ist nicht jedem klar. Selbst große Unternehmen im Gartenbau stecken ihr Geld oft lieber in Technik, in Standortausbau, Produktentwicklung als in die Entwicklung von Konzepten und ins Marketing. Wer da weiterkommen will, sollte darüber nachdenken, in den ja durchaus wichtigen technischen Bereichen etwas weniger Geld auszugeben und dafür etwas mehr in die Profilentwicklung zu investieren. Ich sehe bei den Unternehmen, mit denen ich ins Gespräch komme, regelmäßig bislang noch nicht erkannte Chancen und ein Potenzial, das noch nicht erkannt und genutzt wird – weil man noch zu sehr aufs Technische schaut.
DEGA: Du hast eben das Stichwort „klares Profil" genannt. Das siehst du als eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg mit Marken und damit für Unternehmen überhaupt?
Richard Petri: Eine Chance für breite Sortimente hat sicherlich derjenige, der im Fachhandel gut verankert ist. Es geht ansonsten aber um die Entscheidung, sehr fokussiert auf wenige Produkte zu setzen. Ein breites Sortiment zu kommunizieren ist sehr schwierig. Deshalb bin ich ein Fan von klarer Profilierung. Eine interessante Erkenntnis und Erfahrung ist dabei, dass man mit der Fokussierung auf ein Produkt auch andere Produkte besser verkauft. Mit dem, was mit und für „Pink Kisses" geschehen ist, wurde das Feld der Topfnelken insgesamt befördert. Auf die Verbreiterung von Sortimenten zu setzen, halte ich dagegen für problematisch, zumal ja im Gartenbau meist wenig Geld für das Vermitteln von Botschaften da ist.
DEGA: Wo siehst du für das Marketing im Gartenbau insgesamt die größte Baustelle?
Richard Petri: Zunächst: wir haben mit der Pflanze ein wunderbares Produkt im Gartenbau! Es gibt ganz wenige Menschen, die sagen: Pflanzen sind doof. Die große Frage ist allerdings: Wie erreichen wir die nächsten Generationen? Leider haben wir im Gartenbau zu wenige Analysen zum Kaufverhalten. Wir wissen zwar, wo was eingekauft wird, kennen also die Vertriebskanäle, aber über die Kaufmotivation wissen wir recht wenig.
DEGA: Es hört sich an, als ob erfolgreiches Marketing viel Anstrengung erfordert – kannst du da noch etwas Ermutigendes sagen?
Richard Petri: Wir dürfen sehen: Unsere Pflanzen kosten in aller Regel nicht viel Geld. Häufig geht es um Beträge von 3 oder 4 €. Da müssen wir als Gärtner auch nicht meinen, alle möglichen Supereigenschaften gleichzeitig garantieren zu müssen, bevor wir mit unseren Pflanzen selbstbewusst auftreten. Die Erwartung der Leute zum Beispiel an die Haltbarkeit oder an die Winterhärte ist bei den genannten Beträgen gar nicht so hoch, wie wir selbst oft meinen. Wir dürfen da entspannter mit unseren Produkten umgehen.
DEGA: Und ein Tipp fürs Marketing, den jeder möglichst einfach umsetzen kann?
Richard Petri: Tolle Bilder spielen eine große Rolle! Wenn man gute Bilder hat, wird man in den Medien gern auch abgedruckt.
Das Gespräch führte Christoph Killgus
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