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Verein zur Förderung der Friedhofskultur

Von der vielfältigen Rolle des Friedhofs

An vielen Stellen wird derzeit über die Liberalisierung des Friedhofs diskutiert. Leider viel zu häufig extrem einseitig – meint Andreas Mäsing vom Verein zur Förderung der Friedhofskultur. In literarischer Form setzt er sich mit der Bedeutung des Friedhofs auseinander.

von VFFK erschienen am 06.11.2025
Der Friedhof hat große Bedeutung für die Gesellschaft, die Gemeinschaft, die Trauer, die Erinnerung, das Individuum, das Stadtklima, die Biodiversität – und sicherlich noch manches mehr. © VFFK
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„Wann diskutieren wir eigentlich mal wieder darüber, was der Friedhof für die Gesellschaft, die Gemeinschaft, die Trauer, die Erinnerung, das Individuum, das Stadtklima, die Biodiversität, … so alles tut?“, fragt Andreas Mäsing in einer Mail. Die ist mit dem Titel „Ich bin der Friedhof“ überschrieben – und liefert einen nachdenklichen Text, der sich aus der imaginären Sicht des Friedhofs mit dessen Rolle beschäftigt.

„Ich bin der Friedhof“ Ort des Gedenkens, der Gemeinschaft, des Glaubens und der Natur

Ich bin der Friedhof. Ich bin der Ort, an dem Stadt und Stille sich begegnen. Ich bin Kirche ohne Mauern, öffentliches Grün, Ort der Erinnerung und der Heilung.

Hier darfst du stehen, auch wenn du nichts mehr zu sagen weißt. Hier darfst du weinen, schweigen, hoffen, atmen. Hier fragt dich niemand, woran du glaubst oder woher du kommst. Hier zählt nur, dass du fühlst – und dass du Mensch bist.

Vielleicht bist du schon lange nicht mehr hier gewesen. Vielleicht denkst du, Friedhöfe sind Orte des Vergangenen. Aber hast du schon einmal darüber nachgedacht, was das eigentlich für dich bedeutet? Dass es diesen Ort gibt – frei zugänglich, offen, ohne Schwellen – mitten in deiner Stadt?

Was gerade geschieht

Seit einigen Jahren wird viel über eine „Liberalisierung der Friedhofskultur“ gesprochen. Das klingt modern, fortschrittlich, nach mehr Freiheit. Aber was heißt das genau?

In mehreren Bundesländern – zuletzt in Rheinland-Pfalz – wird das Bestattungsgesetz verändert: Urnen dürfen künftig zu Hause aufbewahrt, in Flüssen verstreut oder auf privaten Grundstücken beigesetzt werden [4][8]. Viele Menschen entscheiden sich zudem für neue Formen: Bestattungswälder, Ascheverstreuungen, Erinnerungsdiamanten – und immer weniger klassische Gräber.

Auf den ersten Blick scheint das gut: mehr Auswahl, weniger Vorschriften. Doch Fachleute aus Kirche, Kommunen und Kultur warnen davor, dass Trauer dadurch privatisiert und unsichtbar wird.

Denn wenn jede Familie ihre eigene Asche im Garten vergräbt, wenn Trauer nur noch in Wohnzimmern, Wäldern oder Online-Portalen stattfindet, dann verliert die Gesellschaft etwas Entscheidendes: den gemeinsamen Ort der Erinnerung, an dem wir uns als Menschen begegnen.

Und ich frage dich: Wenn niemand mehr kommt – wer hält dann die Erinnerung lebendig? Wer erzählt den Kindern, dass Erinnerung nicht nur privat, sondern Teil unseres Miteinanders ist?

Die Teufelsspirale der Gebühren – und warum sie alle betrifft

Viele sagen: „Friedhöfe sind zu teuer.“ Und ja – es stimmt: Ein Grab kostet Geld.

Aber weißt du auch, warum? Ein Friedhof – ob kirchlich oder kommunal – ist keine Wiese oder Wald, die einfach da sind. Er braucht Wege, Wasserleitungen, Entwässerung, Kapellen, Bäume, Mauern, Pflege, Verwaltung, Sicherheit. Diese Infrastruktur muss dauerhaft erhalten werden – egal, wie viele Menschen hier bestattet werden.

Wenn aber immer weniger Verstorbene hier ihre letzte Ruhe finden, dann müssen die Kosten auf weniger Schultern verteilt werden. Die Gebühren steigen, weil weniger Gräber belegt sind. Und weil die Gebühren steigen, entscheiden sich wieder mehr Menschen für Alternativen.

Das ist die Teufelsspirale der Friedhofsgebühren. Eine Entwicklung, die fast alle deutschen Friedhöfe betrifft – kommunale wie kirchliche. Landesrechnungshöfe und Städtebünde weisen seit Jahren darauf hin, dass Friedhöfe als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge behandelt werden müssen – nicht nur als Kostenträger für die Hinterbliebenen.

Oder, wie Andreas Mäsing vom VFFK .de es formuliert: „Wer den Friedhof politisch zur bloßen Option erklärt, darf sich nicht wundern, wenn er ökonomisch zur Luxusware wird.“

Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass dein Wegbleiben – so verständlich es sein mag – mitentscheidet, ob dieser Ort bleibt?

Warum ich dich brauche – und was ich dir gebe

Ich bin nicht nur ein Ort für die Toten. Ich bin ein Ort für die Lebenden. Wenn du herkommst, spürst du: Trauer ist kein rein privates Gefühl. Sie verbindet uns – über Generationen, Religionen und Grenzen hinweg. Studien belegen, was ich täglich erlebe:

Der Besuch eines Grabes hilft, den Tod als Teil des Lebens zu begreifen.

Blumen niederzulegen, den Namen zu berühren, eine Kerze anzuzünden – das sind Handlungen, die trösten und heilen.

Friedhöfe sind Orte, an denen man sich begegnet, auch ohne Worte.

Ich bin Kirche ohne Mauern, weil hier alle willkommen sind: Christen, Muslime, Humanisten, Zweifelnde, Suchende. Niemand wird ausgeschlossen. Hier darfst du glauben – oder einfach nur fühlen. Ich bin ein Ort der Integration. Hier begegnen sich Menschen, die sich sonst nie getroffen hätten. Hier spielt es keine Rolle, wie du aussiehst, wen du liebst oder woran du glaubst. Hier zählt das, was uns verbindet: das Menschsein.

Der Tote ist kein Privatbesitz, sondern bleibt Teil der öffentlichen Gesellschaft.

Ein Friedhof ist also nicht nur der Ort, an dem jemand ruht – sondern der Ort, an dem du selbst dich verorten kannst.

4. Ich bin mehr als Grabreihen – ich bin Teil des Lebens

Vielleicht siehst du mich nur als stillen Ort – aber ich bin lebendig. Ich bin ein Stück Stadtökologie: Mein alter Baumbestand spendet Schatten, speichert Wasser, filtert Luft und senkt Temperaturen in Hitzesommern.

Ich bin ein Trittstein für Biodiversität – Lebensraum für Wildbienen, Tagfalter, Eidechsen, Fledermäuse.

Ich bin auch sozialer Freiraum – ein Ort, an dem Menschen spazieren, denken, atmen.

Dies alles ganz in deiner Nähe mittendrin.

Forschung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigt: Friedhöfe gehören in vielen Städten zu den größten zusammenhängenden Grünflächen – sie sind wichtige Klimaoasen und Orte der Ruhe, auch für Menschen, die hier niemanden beerdigt haben.

Wenn du also durch meine Alleen gehst, tust du nicht nur etwas für deine Seele – sondern auch für dein Klima.

Was wir gemeinsam tun können

Ich will bleiben – aber dazu brauche ich dich.

Erkenne den Friedhof als Gemeinschaftsaufgabe. Ich bin Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie Schule, Park oder Bibliothek. Mein Erhalt darf nicht allein von Gebühren abhängen.

Verstehe mich als gemeinsamen Raum von Kirche und Stadt. Ich bin Seelsorgeort und Grünfläche, Erinnerungsraum und Klimainsel zugleich. Ich verbinde Himmel und Erde, Glauben und Alltag.

Sieh mich als Ort der Integration. Hier darf jede und jeder trauern – egal welcher Herkunft, Sprache oder Religion. In meiner Stille sind alle gleich.

Gestalte mit. Komm vorbei. Pflanze Blumen. Bringe Ideen. Lass mich Ort der Begegnung bleiben – im Leben wie im Erinnern.

„Ein moderner Friedhof ist kein Fossil der Bestattungspflicht, sondern eine Caring-Infrastruktur für Lebende und Tote – ökologisch, sozial, spirituell und kulturell unverzichtbar.“ – Andreas Mäsing, VFFK.de

Zum Schluss

Ich will dir nichts vorschreiben. Ich will dich nur erinnern.

Wenn du eines Tages hier stehst – vor einem Namen, einem Stein, einem Baum – dann wirst du spüren, dass dieser Ort dir etwas schenkt: Ruhe. Trost. Hoffnung.

Denn hier darfst du trauern, ohne dich zu rechtfertigen. Hier darfst du still sein, ohne allein zu sein. Hier darfst du glauben, ohne belehrt zu werden.

Hier darfst du Mensch sein.

Also sag mir: Hast du schon mal darüber nachgedacht, was ich für dich bedeute?

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