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Osnabrücker Kontaktstudientage 2022

Den Energiebedarf sicherstellen

Die Energiepreise zwingen so manchen Unternehmer in die Knie. Über die Hälfte der an einer ZVG-Umfrage teilgenommenen Betriebe sehen den Fortbestand ihres Unternehmens kritisch. Doch Not macht bekanntermaßen erfinderisch. Die aktuelle Energiekrisen-Situation und mögliche Wege und Chancen der Energienutzung zeigten Referenten auf den Osnabrücker Kontaktstudientagen 2022.
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Die Herausforderungen für den Unterglasgartenbau sind riesig und werden zu heftigen, dauerhaften Marktveränderungen führen", so das Resümee von Berater Torsten Wolf, Landwirtschaftskammer (LWK) Nordrhein-Westfalen (NRW). Energieintensive Produkte würden verschwinden. Der Unterglasgartenbau müsse dringend von den fossilen Energieträgern wegkommen. Er riet, betriebsindividuell Maßnahmen zu prüfen wie Produktpreisanpassungen, reduzierte Anbaumengen zur Risikominimierung, Veränderungen von Anbauprogrammen, verbesserte Energieeffizienz und möglicherweise einen Wechsel des Energieträgers, Optimierung der Arbeitswirtschaft sowie frühzeitige Abstimmung mit den Kunden.

Wie ist die Lage anderswo?

Online zugeschaltete Experten aus anderen EU-Ländern berichteten von ihrer Situation:

  • So ist Energieverfügbarkeit in Norwegen kein Thema, sagte Michel Verheul, Norwegian Institute of Bioeconomy Research. Ein Großteil norwegischer Gewächshäuser diene gar als Energiequelle für weitere Verbraucher. 50 % der Tagesenergie kann für nächtliches Heizen genutzt werden. Minimumfaktor in geschlossenen Anbausystemen sei höchstens CO 2 . Da der in Norwegen produzierte Strom durch die Exporte einem gewissen Marktpreis unterliegt, zog der Strompreis auch dort an. Viele Betriebe stellen die Beleuchtung auf LED um.
  • Die dänischen Gärtner versuchen Energie einzusparen, indem sie mit unterschiedlichen Kulturbedingungen experimentieren, berichtete Carl Otto Ottosen, Universität Aarhus. Licht sei die künftige Herausforderung. LEDs sind teuer und die Auswahl sei oft schwierig. Vertical Farming scheitere bislang an dem dreimal so hohen CO 2 -Fußabdruck im Vergleich zu einem herkömmlichen Gewächshaus.
  • Von einer erträglichen Situation in Spanien berichtete Silvia Jimenez-Becker, Universität Almeria. Die „low cost"-Produktion in einfachen Folienhäusern ohne Kunstlicht und Heizung leidet allerdings unter den gestiegenen Kosten für Dünger, Wasser, Diesel und weiteren Produktionsfaktoren. Demgegenüber stiegen die Produktpreise, für Tomaten beispielsweise um ein Drittel.
  • Eva Reybroeck, Proefcentrum voor Sierteelt, Destelbergen, lud die belgischen Produzenten ein, ihre eigenen Pflanzen für Kulturversuche bei verschiedenen Kulturtemperaturen (16, 13, 10 °C) an die Versuchsstation zu schicken. Die Zierpflanzenproduzenten testen unterschiedliche kurz- wie auch langfristige Strategien und sehen sich nach alternativen Energiequellen um.

Warum die Senkung des Energieverbrauchs so wichtig ist

„Raus aus der Bubble" ist für Prof. Dr. Thomas Rath, Hochschule Osnabrück, die einzige Möglichkeit, an der jeder mitzuwirken habe. Jeder einzelne und jede Gruppe stecke in einer Blase, einer „Bubble", die die eigenen klimaschädlichen Verhaltensweisen rechtfertigt. Wenn nichts geschieht und der Klimawandel weiter voranschreitet, herrsche in 40 Jahren in Norddeutschland das Klima von Florenz.

Es werde nicht leicht sein, das „Bubble-Syndrom" zu überwinden. Die Misere: Wenn wir unseren Energieverbrauch senken, sinke automatisch das Wirtschaftswachstum und es komme zum Aufruhr, weil die Bubble angegriffen wird, in der sich jeder eingerichtet hat. „Aber ohne Einschränkung des Energieverbrauchs bekommen wir die CO 2 -Problematik nicht in den Griff, denn wir sind hochgradig nicht klimaneutral und leben in unserer Bubble auf Kosten anderer", so Rath.

Im Winter auf Importe setzen

Holz und Biomasse bezeichnete Rath als Spielereien. Dies seien keine Energieträger der Zukunft. Auch die Abwärme aus der Verbrennung von Kohle, Öl, Gas und Biomasse sei damit keine Lösung. Wasserstoff wäre nutzbar für Gewächshausbeheizung, sorge aber für einen längeren Verbleib von klimaschädlichem Methan (CH 4 ) in der Luft. „Eigentlich dürfen wir nur noch mit hochwertigem Strom heizen", erklärte Rath. Zusätzlich müsse der Stromeinsatz im Winter drastisch reduziert werden. Das mache phasenweise Ersatz aus dem Ausland nötig, der freilich nicht regional sei.

Als Irrsinn aus energetischer Sicht bezeichnete Rath selbst gut isolierte Kunstlichträume. Selbst moderne LEDs hätten einen zu schlechten Wirkungsgrad und die Kühlung fresse viel zu viel Energie. Je wärmer es bei uns wird, desto besser schneiden Gewächshäuser im Vergleich ab.

Möglich wäre eine Verschiebung des Wärmebedarfs von der Nacht auf den Tag, am besten in Verbindung mit guten Speichern. Geschlossene Gewächshäuser bieten hier die beste Möglichkeit. Die Wärmespeicherung kann beispielsweise in mit Wasser gefüllten Folienschläuchen, Wassertanks, Schotter oder Grundwasser erfolgen. Bestimmte Baumaterialien mit Phasenwechseleigenschaften ermöglichen eine Wärmespeicherung außerhalb des Gewächshauses. Eine Minimierung des Stromeinsatzes sei jedoch auf jeden Fall notwendig.

Das Ziel sind Wärmepumpen mit einem hohen COP-Wert. „Da müssen wir hin", so Rath. Die für die Effizienz einer Wärmepumpe stehende Kennzahl COP (Coefficient of Performance) beschreibt das Verhältnis aus nutzbarer und aufgebrachter Energie und damit die Effizienz der Wärmepumpe. Je niedriger die Vorlauftemperatur, desto besser. Das bedeutet große Heizflächen in den Gewächshäusern.

Vakuumglas für hohe Energieeinsparung

Vakuumglas ist im Vergleich zu Einfachglas und Stegdoppelplatten unter Berücksichtigung der Energie-, Kapital- und Baukosten am vorteilhaftesten, berichtete der Masterstudent Thomas Mählmann, Hochschule Osnabrück. Bei der Tomatenproduktion sei mit 75 % Energieeinsparung zu rechnen. Interessant sei die Nutzung von Vakuumglas insbesondere, wenn Fördermöglichkeiten wie das Bundesprogramm zur Förderung von Maßnahmen zur Energieeffizienz genutzt werden können. Allerdings bestünden weitere offene Fragen, beispielsweise die U-Wert-Messung bei erhöhter Luftfeuchtigkeit und Kostenkalkulationen bei anderen Kulturen und Temperaturführungen.

Bessere Zusammenarbeit nötig

Die Energie muss dort genutzt werden, wo sie anfällt, so Michael Pippert, Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt/Weinstraße. Er erläuterte das europäische Energie-Verbundnetz mit seinen Grenzkapazitäten und Stromqualitäten. Städte, Gemeinden und Stadtwerke müssten besser zusammenarbeiten. Ein Teil der Preistreiberei sei selbstverschuldet durch die Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom und wieder zurück für die Gleichstromverbraucher. Diese Umwandlungsverluste könnten vermieden werden, wenn die vor Ort aus Photovoltaik gewonnene Energie direkt für die Assimilationsbeleuchtung genutzt wird. Statt 31 % gebe es dann durch die wegfallenden Umwandlungen nur 13 % Energieverlust.

„Sie müssen es bei Gewächshausneubauten einer gewissen Größe schaffen, gegen die Stadtwerke eine Ausschreibung bei der Bundesnetzagentur zu bekommen", riet Pippert. Es sei jedoch schwer, eine eigene Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Anlage gegen die Stadtwerke ans Netz zu bringen. In den Ausschreibungen wird auf Basis von Geboten die Höhe der Zuschlagszahlungen für Strom aus neuen oder modernis ierten KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von 500 kW bis einschließlich 50 MW und aus KWK-Anlagen, die Bestandteil von innovativen KWK-Systemen sind, bestimmt. Den Zuschlag erhalten die Gebote mit den niedrigsten Gebotswerten, bis das Volumen des jeweiligen Gebotstermins erreicht ist.

Es lohne sich, das Gewächshaus neben einem Wärmeerzeuger zu platzieren. Als Beispiel nannte Pippert den Wittenberger Tomatenanbau neben einer Wärme und CO 2 liefernden Düngemittelfabrik. Allerdings wachsen dort in diesem Winter keine Tomaten, da die Fabrik derzeit keine Düngemittel produziert. Die Wärmeenergie der vielen großen Rechenzentren könne genauso genutzt werden wie die Flusseinleitungen großer Chemiefirmen zu Kühlzwecken. Die BASF habe 14 Warmwassereinleitungen in den Rhein. „Doch um diese zu nutzen, müssen verkrustete, altbackene Konzernstrukturen aufgebrochen werden und der Gärtner muss sich in Richtung Energieanfall bewegen", bewertete Pippert die Lage.

Positiv hob Pippert das Geothermie-Projekt in Kirchweidach im Chiemgau hervor, das neben einem großen Tomatengewächshaus gleich mehrere Gemeinden mit Wärme versorgt. Auch Freilandproduzenten müssen umdenken. Ein Kühllager für die fertigen Pflanzen bis zur Auslieferung muss künftig mit Wärmeenergie statt mit Strom betrieben werden.

Zukünftig gehe es um energetische Diversifizierung. Deutschland sei größter Müllexporteur. Warum verwenden wir nicht im Inland die daraus zu produzierende Energie? Zukünftig könnten Gärtner Elektrobusse mit Gleichstrom versorgen.

Wann sich Photovoltaik lohnt

„Am sinnvollsten ist es immer, den Strom direkt aus der Photovoltaikanlage (PV) zu nutzen", so der Energieberater Nils Seidel, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Münster, der die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Stromerzeugung mit PV erläuterte. Ab 2023 gebe es laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Einspeisung von regenerativem Strom in die öffentlichen Stromnetze regelt, auch einen Bonus für Volleinspeisungsanlagen. Möglich ist zudem der Betrieb von zwei voneinander getrennten Anlagen auf einer Dachfläche für Volleinspeisung und Eigenverbrauch. Möglich ist die Ausweitung der Freiland-PV auf künstliche Gewässer, landwirtschaftlich genutzte Flächen mit ein- oder mehrjährigem Nutzpflanzenanbau, Dauergrünland, Parkplatzflächen und Moorflächen bei gleichzeitiger Wiedervernässung. Neue Volleinsparungsanlagen rechnen sich jetzt, über 20 Jahre gerechnet, durch eine höhere Vergütung besser als nach dem alten EEG.

Noch besser rechnen sich Eigenverbrauchsanlagen, die allerdings keine EEG-Vergütung erhalten und eine höhere wirtschaftliche Unsicherheit bieten. Die Förderalternative nach BLE-Rahmenbedingungen unterliegt gewissen Voraussetzungen wie einem Gutachten zur Förderung und Ermittlung der CO 2 -Einsparung, von dem die Förderhöhe abhängt. Förderberechtigt sind nur Unternehmen mit landwirtschaftlicher Primärerzeugung.

Interessant in diesem Zusammenhang sind Speicheranlagen, die allerdings einen gewissen Wirkungsgrad und eine lange Nutzungsdauer aufweisen sollten. Freiflächen-PV benötigen im Vergleich zu Agri-PV weniger Platz, lassen eine Bewirtschaftung zwischen den Reihen zu und können sich über die Förderalternative „progres.nrw" rechnen. Bedingung ist kein Eigenverbrauch, keine Vergütung über das EEG, dafür eine freie Stromvermarktung. Aktuell ermöglicht die Vermarktung über die Strombörse Zusatzerlöse.

Kulturtechnik neu überdenken

Sparmaßnahmen im Bereich der Kulturtechnik können nur ein kleiner Baustein zur Energieeinsparung sein, sagte Prof. Dr. Andreas Bettin, Hochschule Osnabrück, und gab Anregungen, neue Wege zu gehen. Die Nutzung von Zeiten höherer Einstrahlung verbunden mit deutlich höheren Temperaturen sollte näher in Betracht gezogen werden. Möglicherweise können einige Sätze früher im Jahr begonnen und die fertigen Pflanzen später bis zum Verkauf kühl gelagert werden.

Spät kultivierte Cyclamensätze bringen kleinere, dennoch hochwertige Pflanzen, wie ein Versuch zeigte. Allerdings sollte bei späten Sätzen der Kulturtopf kleiner ausfallen, um ein harmonisches Gesamtbild zu zeigen. Die kleineren Pflanzen erlauben zudem eine höhere Flächenbelegung.

Weitere Möglichkeiten liegen in der Prüfung der Temperaturtoleranz unterschiedlicher Arten und Sorten sowie einer möglichen Abhärtung oder Temperaturtoleranzerhöhung durch Stress. Neben einer Sortimentsänderung könnte auch die Verlagerung der Produktionsfläche in klimatisch günstigere Gebiete eine Möglichkeit sein. Viele offene (Kultur-)Fragen gilt es genauer zu untersuchen.

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