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    Saatzucht Rose in Erfurt

    Zukunft säen

    Bei Saatzucht Rose in Erfurt lebt die Verbindung zur Gartenbau-Tradition und zur Gesellschaft. Die verschiedenen Standbeine des Betriebs sind ein Stabilitätsfaktor und die Vielfalt der Kulturen hilft, Risiken zu minimieren. Dass die Saatzucht Rose schon seit 2007 biologisch wirtschaftet, ist ein effektiver Beitrag zum Schutz der Umwelt und der Biodiversität.
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    Mit seinen deutschen, rumänischen, serbischen und thailändischen Wurzeln ist das Team von Saatzucht Rose ähnlich vielfältig wie die Kulturen.
    Mit seinen deutschen, rumänischen, serbischen und thailändischen Wurzeln ist das Team von Saatzucht Rose ähnlich vielfältig wie die Kulturen.Barbara Neumann
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    Das Bild der prächtigen Blumenfelder habe ich immer noch vor Augen", sagt Annegret Rose, während sie sich an ihre Anfänge im damaligen DDR-Betrieb „VEG Saatzucht Zierpflanzen" in Erfurt erinnert. Das war 1986. Mittlerweile ist die diplomierte Agraringenieurin seit 27 Jahren Geschäftsführerin des daraus hervorgegangenen Unternehmens: Der Rose Saatzucht Erfurt. Die bunten Blumenfelder von einst sind in kleinerem Umfang geblieben und nach wie vor ist der Samenbau zentrale Aufgabe. Das Selbstverständnis des Betriebs allerdings hat sich gewandelt. Im Rundumblick über die ökologisch gewachsene Vielfalt von Blumen, Gemüse und Kräutern hin zu den urbanen Ausläufern der Stadt Erfurt formuliert Annegret Rose ihr Anliegen: „Wir wollen die Menschen mitnehmen und ihnen unsere Arbeit nahebringen. Denn nur im Austausch mit der Gesellschaft wird die gärtnerische Kultur die ihr gebührende Wertschätzung erfahren und auch dadurch Bestand haben."

    Der Blick in die Zukunft baut auf die Anerkennung der langen Erfurter Gartenbau-Tradition. Zunächst war es der Waid-Handel, durch den die Stadt im 16. Jahrhundert zu Wohlstand kam. Auch durch ihn war ihre kulturelle Entfaltung möglich. Im 17. Jahrhundert dann begründete Christian Reichert hier den professionellen Gartenbau und über die Zeit wurde Erfurt zum Zentrum für interessierte Fachleute der Branche.

    Dass die Saat seit jeher gut aufgegangen ist und sich die Expertise darum überhaupt erst entwickeln konnte, haben die Gärtner/ -innen auch dem hiesigen Boden und dem Klima zu verdanken. So bildet eine in Deutschland seltene Löss-Schwarzerde mit fast 100 Bodenpunkten die natürliche Grundlage des pflanzlichen Gedeihens. Der relativ geringe Jahresniederschlag von 500 ml/m 2 und die Sommersonne, die in dieser Gegend oft und warm und weit in den Oktober hinein scheint, bewirken ein gutes Ausreifen der Samen.

    Rundherum Vielfalt

    Dem Dreiklang von Boden, Pflanze und Mensch ist die Saatzucht Rose verbunden. Mit ihrem Wirken wollen Annegret Rose und ihr Team dazu beitragen, das kulturelle Erbe zu erhalten und dieses weiter gestalten. Auf 109 Freiland-Hektar züchten und vermehren sie heute über 200 Arten und Sorten von Gemüse, Kräutern, Blumen und Wildpflanzen, darunter viele alte Sorten. In der frühsommerlichen Weite der farbigen Felder sind unter anderem Bohnenkraut, Kürbispflanzen, Ringelblumen, Rittersporn, Rosen, Rosmarin und Thymian auszumachen. Und natürlich: Die Pfingstrosen – was für eine Pracht! Zusammen mit besonderen Astern-Varietäten aus eigener Züchtung – der ersten Bio-Asternzüchtung der Welt! – sind sie eines der Markenzeichen des Betriebs. Daneben wachsen auf 1.600 m 2 im Folientunnel Jungpflanzen, sensible Schützlinge sowie Paprika-, Salat- und Tomatenpflanzen zur Saatgutgewinnung.

    Konsequent ökologisch

    Die verschiedenen Standbeine des Betriebs sind ein Stabilitätsfaktor und die Vielfalt der Kulturen hilft Risiken zu minimieren. Passt die Witterung für eine Kultur nicht, ist sie für eine andere gerade richtig. Dadurch können Ausfälle ausgeglichen werden. Außerdem kann aus der Breite von Arten und Sorten auf verschiedene Bedarfe reagiert werden. Und: Die Vielfalt in der Züchtung und Vermehrung vor Ort bewahrt regional geprägte genetische Ressourcen als wichtigen Baustein von Ernährungssouveränität.

    Dass die Saatzucht Rose schon seit 2007 biologisch bewirtschaftet wird, versteht die Inhaberin als Beitrag zum Schutz der Umwelt und der Biodiversität. Ein Beleg dafür sind die Feldhamster, Feldhasen, Rebhühner und Kolkraben, die heute auf dem Betriebsgelände zu Hause sind. Sogar geschützte Insektenarten wurden hier entdeckt. 2011 begann die Umstellung auf den biodynamischen Anbau, das heißt auf die Bewirtschaftung nach den Richtlinien des Demeter-Verbands. Seit Frühjahr 2020 ist der gesamte Betrieb Demeterzertifiziert, ein Meilenstein, den zu erreichen viel Aufwand gekostet hat. Doch der ist es Annegret Rose wert gewesen. Denn die den Demeter-Richtlinien zugrunde liegende Achtsamkeit im Umgang mit den natürlichen Ressourcen, das Denken und Handeln in Kreisläufen und die Vitalität der so aufgewachsenen Pflanzen lässt sie zu dem Schluss kommen, dass „biologischdynamische Qualität das Beste ist, was wir heute haben können".

    Internationales Team

    Diesem Anspruch gerecht zu werden, darum ist das Team der Saatzucht Rose bemüht. Mit seinen deutschen, rumänischen, serbischen und thailändischen Wurzeln ist das Kollegium ähnlich vielfältig wie die Kulturen auf den Feldern. Hand in Hand teilen sich die 15 Mitarbeitenden die rund ums Jahr anfallenden Aufgaben. Dazu gehören die Pflege und Bewässerung der Pflanzen sowie die Ernte, Reinigung, Trocknung und Verpackung des Saatguts. Auch technische Helfer kommen zum Einsatz, darunter alte, gut gepflegte Schmotzer-Modelle für die maschinelle Beikrautbeseitigung sowie ein neuer, solarbetriebener Jäteflieger für das Jäten und Ernten per Hand. Noch für dieses Jahr ist außerdem die Modernisierung der Ausstattung in der Saatgutlagerung geplant. Um die umfangreiche Technik des Betriebs kümmert sich Produktionsleiter Christof Ersfeld, ebenfalls Diplom-Agraringenieur, der schon seit 20 Jahren an der Entwicklung der Rose Saatzucht mitwirkt.

    Gut zu tun gibt’s jedenfalls immer. Dabei sind Flexibilität und Verlässlichkeit gefragt. Denn manchmal stehen neben den regulären Wochenenddiensten Extraeinsätze an, etwa wenn die Samenreife die Ernte nicht heute, sondern erst morgen zulässt. Ausgleich für manches Zeitopfer finden die Gärtner/-innen zum Beispiel im Garten. So ist mitten im Betriebsgelände eine Fläche für Mitarbeiter/-innen reserviert. Auf Wunsch können sie hier eine Parzelle zum Anbau für den eigenen Haushalt nutzen.

    Viele Geschäftskontakte

    So werden die fülligen, oft wunderbar duftenden Pfingstrosen in Weinrot, Rosé und Cremeweiß und mit wohlklingenden Namen wie ‘Coral Charme’, ‘Monsieur Jules Elie’ und ‘Primevere’ an den Wochenenden um Pfingsten im Direktverkauf sowohl auf dem Domplatz in Erfurt als auch auf dem Marktplatz in Jena angeboten. Auch der Blumen-Großhandel in Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main, Nürnberg sowie bald auch in Dresden und Chemnitz nimmt die Pfingstrosen ab. Das spezielle Kleinsortiment an Blumensaatgut von Astern und Färberpflanzen wird über den regionalen Bio-Fachhandel vermarktet und erreicht so die Hausgärtner. Und das umfangreiche Hauptsortiment an Blumen-, Kräuter- und Gemüse-Saatgut aus der gesamten Jahresproduktion geht jährlich vor Weihnachten vor allem an die Bio-Saatgutanbieter Bingenheimer Saatgut in Deutschland, ReinSaat in Österreich und an Sativa Rheinau in der Schweiz sowie an das deutsche Unternehmen Rieger-Hofmann als Spezialist und Anbieter von Wildpflanzen. Durch diese Partner gelangen die Samen aus Erfurt an Gärtner/-innen in der Region und in ganz Europa.

    Ein Projekt untersucht Pflanzenstärkungsmittel

    Das vom Europäischen Landwirtschaftsfonds (ELER) geförderte Projekt „Pflanzen-Hydrolate im ökologischen Anbau" wurde auf Initiative der Pflanzenforscherin Petra Heilmann aus Bad Salzungen gestartet. Dabei werden aus einer Auswahl der bei Rose Saatzucht kultivierten Pflanzen die wasserlöslichen Pflanzeninhaltsstoffe (= Hydrolate) extrahiert. Untersucht wird, inwieweit diese Hydrolate als Pflanzenstärkungsmittel wirken können und welche weiteren Anwendungsmöglichkeiten es im Gartenbau gibt. Das Projekt läuft bis 2022 und die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet. Eine Probe Rosenwasser, an der Annegret Rose schon mal schnuppern lässt, verströmt einen feinen Duft.

    Führungen im BUGA-Jahr

    Selber schauen, schnuppern und staunen können interessierte Besucher/-innen im Rahmen von verschiedenen Veranstaltungen vor Ort. So lädt die Rose Saatzucht zur Pfingstrosen- und Asternblüte zu Rundgängen durch den Betrieb ein. Für 2021, wenn die Bundesgartenschau in Erfurt stattfindet, sind monatliche Führungen zu verschiedenen Themen geplant, unter anderem zur Bedeutung des regionalen Samenbaus. Außerdem wird es Kräutertage mit Klang und Kaffee geben. Solche Angebote werden gerne angenommen. Überdies sind auf Anfrage Führungen außer der Reihe möglich. „Rücksichtsvoll genießende Gäste sind immer willkommen", so Annegret Rose.

    Offen für Gartenprojekte

    Eine weitere besondere Initiative sind die „Global Bio Gardens", die so heißen, weil hier internationale Studierende und Flüchtlingsfamilien, mittlerweile über 40 Menschen aus mindestens 18 Ländern, zum gemeinsamen Anbau und Austausch zusammengefunden haben. Saatzucht Rose hat dafür nicht nur Land zur Verfügung gestellt, sondern auch Saatgut, Jungpflanzen, Wissen und zwei Tutorinnen, die beratend zur Seite stehen. „Frau Rose ist unser großer Star", meint denn auch Dr. Fred Meier-Menzel vom Koordinationskreis der Global Bio Gardens, „die meisten von uns hatten ja überhaupt keine praktische Gartenerfahrung. Doch wir lernen im Tun, miteinander, und insbesondere die geflüchteten Menschen eignen sich durch die tägliche Arbeit und Mühe im Garten regelrecht ein Stück Deutsch-Land an". Auch die Kinder eines Erfurter Kindergartens sind regelmäßig hier zu Gast. Bereits zwei Praktikanten engagieren sich in dem Projekt und von der Politik über die Soziologie bis hin zum Ingenieurswesen wird es von verschiedenen Disziplinen wissenschaftlich beleuchtet. Sogar ein soziales Start-up-Unternehmen ist in Planung.

    Im Sinne des Lernens durch Erfahrung ist Annegret Rose bestrebt, die praktische Gartenbau-Lehre im Betrieb anzusiedeln und auszubauen. Es gibt Ideen für eine Kooperation mit dem Lehrstuhl für Gartenbau der Fachhochschule Erfurt, insbesondere mit den Bereichen Ökologischer Gartenbau und Pflanzenzüchtung. Die Studierenden könnten im Betrieb Praktika absolvieren und sich mit diversen Themen im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten beschäftigen. Auch in die Praxis der Schulgartenlehrer-Ausbildung, die deutschlandweit nur noch an der Universität Erfurt stattfindet, möchte sich die Rose Saatzucht gerne aktiv einbringen. Zudem besteht die Möglichkeit, eine gärtnerische Ausbildung im Betrieb zu absolvieren. Es mangelt jedoch zurzeit an Interessenten/-innen. „Eine Ausbildungsinitiative wäre gut", sagt Annegret Rose, „und eine Ausbildung, bei der die Lernenden unterschiedliche Betriebe besuchen können, um möglichst viel Erfahrung zu sammeln und sich dann entsprechend ihrer Neigung und Fähigkeiten zu spezialisieren."

    Die Liste von Ideen ließe sich fortsetzen. Doch es ist klar geworden: Bei Rose Saatzucht wird bewusst und in vielerlei Weise Zukunft gesät. Wirklich nachhaltig geht das allerdings nur im Einklang und im gemeinsamen Wollen mit der Stadt. Bisher bestand bei Annegret Rose die Sorge, die vom Betrieb gepachteten Flächen könnten der Bebauung zum Opfer fallen. Doch sie hofft, dass die Verantwortlichen der Stadt die Bedeutung des Samenbaus für Erfurt und für ganz Mitteleuropa erkennen – und entsprechend entscheiden: „Wir gestalten einen Ort, der Ernährung, Erfahrung und gesellschaftliches Gedeihen ermöglicht, von unseren Feldern ziehen feine Kräuterdüfte in die Stadt und wir halten die gärtnerische Kultur lebendig. Für unsere Arbeit wünschen wir uns Anerkennung – und Unterstützung in einem aktiven Miteinander, aus dem viel Gutes wachsen kann."

    Interview - Annegret Rose, Erfurt

    Bisher immer Lösungen gefunden

    DEGA GARTENBAU: Frau Rose, mit Blick auf Ihren Beruf und Betrieb haben Sie wahrlich den passenden Namen. War Ihnen die Verbindung zu den Pflanzen in die Wiege gelegt?

    Annegret Rose: Ich bin auf einem Bauernhof in Kühren bei Aken in Sachsen-Anhalt groß geworden und seit jeher mit der täglichen Arbeit in der Landwirtschaft vertraut. Gärtnerin wollte ich schon als Kind werden. Von einer Tante, die gerne gesehen hätte, dass ich Lehrerin werde, habe ich mich nicht abbringen lassen.

    Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit mit der Pflanze und mit den Menschen wichtig?

    Ich möchte ein harmonisches und respektvolles Zusammenwirken von Boden, Pflanze und Mensch mitgestalten, dabei mein Bestes geben, um Gutes zu ernten und Gutes weitergeben zu können.

    Welche Herausforderungen erleben Sie im Betriebsalltag – und wie begegnen Sie ihnen?

    Die Vorstellung dieses Dreiklangs Wirklichkeit werden zu lassen, stößt im Alltag immer wieder an Grenzen. Oft ist die Zeit zu knapp, um allem nachzugehen, das Aufmerksamkeit verdient. Zudem fordern uns manchmal die Wetterabhängigkeit unserer Arbeit und die Grenzen der Planbarkeit heraus, etwa mit Blick auf die Keimfähigkeit des Saatguts. Auch Fehlzeiten von Mitarbeitenden sind manchmal problematisch. Bisher haben wir aber immer Lösungen gefunden und wenn möglich, schauen wir, wie wir durch strategische Änderungen Schwierigkeiten vermeiden können.

    In den Kommentaren auf Ihrer Internetseite wird gelobt, dass Sie den „Global Bio Gardens" Flächen zur Verfügung stellen. Was hat Sie zu Ihrem Engagement in diesem Projekt bewegt – und wie kommt es an?

    Ich finde es essenziell, dass Menschen direkten Kontakt zum Boden und zur Pflanze haben, dass sie im Garten, durch ihrer eigenen Hände Werk eine Beziehung zur Natur aufbauen und dabei in ihrem Tempo lernen. Bei den Menschen in den Global Bio Gardens ist trotz mancher Sprachbarriere und kulturellen Unterschiede die Lernbereitschaft spürbar, der Instinkt, dass das [Gärtnern] geht und sie es können. Sie fragen sich nun, wie es geht. Und ihre große Begeisterung darin, sich die noch fehlenden Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen, bewegt mich im Herzen.

     

    Die Fragen stellte Kati Partzsch

    Die Autorin
    Kati Partzsch war zuletzt Projektleiterin der Europa Minigärtner auf der Insel Mainau. Ihren M.Sc. Global Change Management machte sie an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Davor studierte sie Forst-wissenschaften an der Technischen Universität Dresden.
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