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Neubau Gärtnerei Knaup in Zeil/Main

Zierpflanzen statt Zucker

Mit einem großen Fest und rund 400 Gästen feierte die Gärtnerfamilie Knaup am 7. Juni 2023 die Eröffnung ihres neuen Produktionsbetriebs im unterfränkischen Zeil/Main. Die Gewächshausanlage entstand auf dem Gelände einer ehemaligen Zuckerfabrik. Der Bau war mit großen Schwierigkeiten verbunden und verzögerte sich, nachdem der wichtigste Techniklieferant während der Bauphase Konkurs anmeldete.

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Für Familie Knaup (von links: Sina, Susanne, Andreas und Xenia Knaup) ist es eine große Entlastung, dass die schwierige Bauphase vorbei ist.
Für Familie Knaup (von links: Sina, Susanne, Andreas und Xenia Knaup) ist es eine große Entlastung, dass die schwierige Bauphase vorbei ist.Familie Knaup
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Der mit einiger Verzögerung fertiggestellte Neubau macht sowohl Familie Knaup als auch die Gemeinde Zeil glücklich. Die Kommune hatte lange vergeblich versucht, eine gewerbliche Folgenutzung für das Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik zu finden. Diese war 2001 nach 40-jähriger Nutzung geschlossen worden. Lediglich ein kleiner Betriebsteil der Südzucker AG blieb übrig. Dort wird in Nachbarschaft der Gärtnerei bis heute andernorts erzeugter Zucker gelagert.

Grund dafür, dass sich keine neue Firma niederlassen konnte, ist die hochwassergefährdete Lage des Grundstücks am Main und die über die Jahre immer strenger gewordenen Gesetze dazu. Im Frühjahr 2018 entschied das Verwaltungsgericht Würzburg, dass in dem Überschwemmungsgebiet keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden dürften.

Im Nachhinein war das günstig für die Familie Knaup, die mit ihrem in die Jahre gekommenen Stammbetrieb im gut 30 km entfernten Röthlein seit 2017 auf der Suche war nach einem Grundstück für einen Neubau. Dort vor Ort ergab sich keine passende Gelegenheit. Durch einen Tipp erfuhr Andreas Knaup 2019 von dem zum Verkauf stehenden Gelände der Südzucker AG in Zeil. Er konnte dort schließlich 30 ha einer zusammenhängenden Fläche erwerben.

Bauen im Hochwasserrisikogebiet

Für den geplanten Neubau war dabei günstig: Der Gartenbau gehört zur Landwirtschaft und für diese ist kein Bebauungsplan nötig. Freilich bedeutete das keinesfalls, dass sich die Türen für das Bauvorhaben der Familie Knaup einfach öffneten. Sie musste sich vielmehr intensiv mit dem komplizierten Hochwasserrecht auseinandersetzen. Andreas Knaup erinnert sich: „Über Wochen habe ich versucht, mich in die Materie einzulesen, ehe ich sie verstanden habe." Die Flächen am Main sind mit einem Hochwasserrisiko HQ100 verbunden, was bedeutet, dass ein Hochwasser mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/100 jedes Jahr erreicht oder überschritten wird. Der Betrieb könnte dann etwa 60 cm unter Wasser stehen.

Oft ist Andreas Knaup mit Tochter Sina auf der Behörde gewesen, um über die mit einer Baugenehmigung verbundenen Bedingungen zu verhandeln. Auflage war, neuen Retentionsraum zu schaffen, sprich: Flächen, auf denen sich Wasser sammeln kann, für das auf der Neubaufläche nun der Platz fehlt. Knaups mussten dafür auf erworbenen landwirtschaftlichen Flächen in der Nachbarschaft Gelände abtragen lassen.

Zügiger Baustart

Bereits im November 2019 gab der Bauausschuss grünes Licht für das Bauvorhaben. Familie Knaup hatte sich seit 2017 mit den Planungen für einen Neubau befasst und immer wieder Betriebe von Kollegen in der Region sowie in den Niederlanden und am Niederrhein besichtigt. Besonders die Lösungen im noch recht neuen Betrieb von Johannes Hartmann in Düllstadt (DEGA GARTENBAU 5/2023) waren hilfreich bei den Überlegungen. So konnten die konkreten Planungen für Zeil schon Ende 2020 abgeschlossen werden.

Ein Neubau war anfangs mit 2,5 ha geplant, was sich in den weiteren Planungen als zu klein erwies. Wegen des fundierten Konzepts war auch die finanzierende Bank bereit, die doppelte Größe von 5 ha mitzutragen. Die Quadratmeterkosten für den Bau waren dadurch schließlich auch deutlich niedriger.

Zügig ging es dann zunächst weiter: Anfang 2021 war Baustart. Flächen wurden planiert und für die Fundamente vorbereitet sowie Zufahrtswege angelegt. Auch der Gewächshausbau mit der Firma Saarlucon (Partner von Luiten) lief wie geplant.

Bei der technischen Ausstattung der Flächen gab es unerwartete erhebliche Schwierigkeiten. Als Hauptauftragnehmer war die niederländische Firma Codema verpflichtet. „Die Firma war von Anfang an mit sehr wenigen Mitarbeitern präsent und es ging nur langsam vorwärts", erinnert sich Andreas Knaup.

Die Bombe platzte im Mai 2022, als Knaup erfuhr: Codema ist insolvent. „Eine halbe Stunde später verließen deren 14 Mitarbeiter unsere Baustelle." Die damit verbundenen Folgen mussten in den kommenden Monaten Familie und Mitarbeiter ausbaden. Es war enorm viel eigene und ungeplante Zusatzarbeit und Überstunden zu leisten. Die Belastung ging bis zum Äußersten. An freie Wochenenden oder gar Urlaub war nicht zu denken. „Das war eine sehr schwierige Zeit für den Betrieb und auch für unsere Familie", so Andreas Knaup. Bewässerung und Elektrik wurden mit viel Eigenarbeit fertiggestellt. Schließlich fanden sich drei, vier Firmen für weitere technische Arbeiten. Lobend erwähnt Knaup besonders die niederländische Firma Hawe Cultivation Systems.

Die ersten Roboter gingen im Dezember 2022 in Betrieb. Im Januar 2023 war die Topfstraße schließlich komplett fertig – „eine Riesenerleichterung", so Andreas Knaup. Seit März 2023 schließlich ist das Bauvorhaben so gut wie abgeschlossen und die Produktion läuft rund. Freilich: Die rund acht Monate dauernde Verzögerung des Bauvorhabens hatte immense Folgen für das Unternehmen. Lieferzusagen gegenüber Kunden konnten nur teilweise oder gar nicht eingehalten werden. Bestellte und gelieferte Jungpflanzen wurden in Teilmengen zwar von hilfsbereiten Kollegen übernommen, unterm Strich blieben aber enorme Verluste. „Wenn ich alles zusammenrechne, hat uns die Codema-Pleite 800.000 Euro gekostet", bilanziert Andreas Knaup. Für ungeplante Zusatzkosten sorgte zusätzlich der während der Bauzeit immens gestiegene Stahlpreis.

Wärmeversorung mit Hackschnitzeln

Für eine umfangreiche gärtnerische Produktion ist die Wärmeversorgung entscheidend. Andreas Knaup hatte sich im Vorfeld Hackschnitzelanlagen in Österreich angeschaut, die ihn überzeugten. Die Firma Polytechnik lieferte zwei Poly-HELD 2000 Warmwasserkesselanlagen nach Zeil mit einer Nennleistung von jeweils 2.000 kW. Die erste Kesselanlage wurde im Frühjahr 2023 in Betrieb genommen. Die zweite Kesselanlage soll im Herbst 2023 starten.

Zur Anlage gehören zwei Holzvergaser mit Nachbrennkammer, zwei Warmwasserkessel sowie zwei sogenannte Economiser zur Wärmerückgewinnung und Erhöhung des Anlagenwirkungsgrads.

Energieträger sind Waldhackschnitzel aus der Region, die vom bayerischen Staatsforst stammen. Der Brennstoff wird mittels eines Trogkettenförderers transportiert. Die Brennstoffverteilung erfolgt mittels Schnecken auf die zwei Kesselanlagen. Die Brennstoffaustragung erfolgt über eine Schubbodenanlage, die Entaschung läuft automatisch. Steuerung und Regelung werden durch eine Prozess-Visualisierung anschaulich unterstützt.

Die Anlagen zeichnen sich durch eine neuartige Verbrennungstechnologie aus mit sehr geringen Staubemissionen. Vorteil: Die Anlagen benötigen keinen zusätzlichen Staubfilter, um die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte zu erreichen oder zu unterschreiten. Für das Projekt gibt es eine Bundesförderung für Energieeffizienz in der Wirtschaft.

In den Gewächshäusern ist eine Untertischheizung als Niedrigenergielösung installiert. Ventilatoren sorgen für eine gute Verteilung der Wärme in den einzelnen Abteilen. In allen Häusern sind Tagschirme sowie Verdunklungsschirme eingebaut. Für die Klimasteuerung zeichnet die Firma Sercom verantwortlich.

Durch eine Solaranlage ist die Gärtnerei in Sachen Strom so gut wie autark. Für die Speicherung des Solarstroms gibt es leistungsfähige Speicher.

Automatisierte Produktion mit Mobiltischen und Robotern

Für eine rationelle Produktion sind die Gewächshäuser mit einer vollautomatischen Mobiltischanlage versehen. Das mobile Containersystem besteht aus 3.500 Containertischen, die per Ebbe-Flut bewässert werden. Fünf Topf- und Rückroboter von Hawe stehen für eine weitgehende Automatisierung. Mit einer automatischen Containerwaschanlage werden die Tische gereinigt. Zwei leistungsfähige Containerkräne ermöglichen das nötige Handling. Diese Kräne sind für hohe Kapazitäten während der Produktionssaison ausgelegt.

Die Wasserversorgung erfolgt überwiegend mit aufgefangenem Regenwasser, das in einem Becken (25.000 m 3 ) gesammelt wird. Sofern das nicht reicht, kann Wasser aus einem Brunnen auf dem Gelände genutzt werden.

Sehr breites Sortiment für die Kunden aus dem LEH

„Wir sind ein reiner Topfpflanzenbetrieb", erklärt Andreas Knaup. Zum Jahresanfang werden Frühjahrsblüher wie Primel, Violen, Bellis, Ranunkeln kultiviert, auch die Zwiebeltreiberei gehört zum Programm. Es folgen Beet- und Balkonpflanzen in sehr breitem Sortiment und in allen möglichen Größen vom 6er-Tray über 11-cm-Töpfe bis zu Ampelpflanzen. Auch Gemüsepflanzen im 9-cm-Topf stehen in Kultur, darunter Tomaten, Paprika, Gurken und Zucchini. Im 12-cm-Topf wird veredeltes Gemüse produziert. Als Sommerblüher stehen Kulturen wie Nelken, Rudbeckien und Antirrhinum in den Häusern. Schließlich folgen in den Gewächshäusern und auf den Freilandflächen Chrysanthemen, Callunen, verschiedene Herbstprodukte (Calocephalus), später Amaryllis und Poinsettien. „Wir produzieren, was unsere Kunden wünschen", so Andreas Knaup. Aufmerksam verfolgt er die Entwicklungen bei Cannabis. Möglicherweise wird das ja eine interessante Kultur in der Zukunft.

Die Pflanzen aus dem Gartenbaubetrieb Knaup werden zu 90 % an den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) geliefert. Rund 70 % bleiben in Süddeutschland, etwa 25 % werden in andere Regionen Deutschlands geliefert und 5 % in angrenzende Länder abgesetzt. Mindestens 90 % der Ware ist schon verkauft, ehe sie produziert wird.

In früheren Jahren wurden branchenfremde Kunden oft kritisch beäugt. Das hat sich längst geändert. „Wir haben Ende der 80er-Jahre mit Edeka und Rewe als Kunden angefangen. Dann folgten Geschäfte mit Spar und Coop. Jetzt blicken wir auf um die 30 Jahre Geschäftsbeziehungen mit dem LEH zurück und haben eine sehr gute Partnerschaft. Das gilt heute vor allem für Rewe, Penny oder Aldi", so Andreas Knaup. Probleme im Miteinander gebe es höchstens dann einmal, wenn ein Einkäufer krank sei und nicht von Kollegen vertreten werde. Deshalb sei es wichtig, den Kontakt zu den Kunden auch aktiv selbst zu suchen für die nötigen Absprachen.

Ohne die Familie würde es nicht gehen

Für Andreas Knaup war klar, dass der Stammbetrieb in Röthlein nicht die Voraussetzungen für weitere Jahrzehnte bieten würde. Gleichzeitig würde ein Neubau nur sinnvoll sein, wenn auch die Nachfolgefrage geklärt ist. 2016 äußerte Tochter Sina den Wunsch, Gärtnerin zu werden und in den Betrieb einzusteigen. Nach einer Ausbildung absolvierte sie von 2018 bis 2022 ein duales Gartenbaustudium an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). „Das Studium habe ich als gute Vorbereitung für das erlebt, was ich nun im Betrieb brauche", sagt Sina Knaup. Auch während des Studiums hat sie regelmäßig im Betrieb der Familie mitgearbeitet. „Praktische Erfahrungen sind unbedingt nötig, damit man beispielsweise einschätzen kann, wie lange bestimmte Arbeiten dauern oder auch ein Gefühl dafür bekommt, wann sie gut ausgeführt sind." Das breit aufgestellte Studium hat ihr gut gefallen. Weiterbilden will sie sich künftig noch in Unternehmensführung und Personalmanagement, weswegen sie ein Masterstudium im Blick hat.

Im Unternehmen gehört nun die Kundenbetreuung zu ihren Aufgaben, auch in Einkauf, Verkauf, in Planung, Management und Kalkulation arbeitet sie sich ein. Sina Knaup ist aber nicht nur Büromensch, sondern beispielsweise auch dann dabei, wenn große Aufträge versandfertig gemacht werden.

Großes Anliegen im Blick auf den Neubau war für Andreas Knaup, seinen Bruder Michael Knaup als Betriebsleiter zu gewinnen. Die Brüder haben ein freundschaftliches Verhältnis. Die Last der Unternehmensführung und der Verantwortung für den betrieblichen Alltag ist nun auf mehrere Schultern verteilt.

Organisatorisch sind die Betriebe in Röthlein und in Zeil jeweils selbstständig. Beide verkaufen an eine unternehmenseigene Handels GmbH, die ihrerseits den LEH bedient. Um den Betrieb in Röthlein kümmert sich Andreas Knaup. Bruder Michael Knaup und Tochter Sina Knaup managen den Betrieb in Zeil.

Guter Austausch mit Kollegen

Wie ist die Situation bei und mit Mitarbeitern sonst? Schwierig: „Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Es ist wie ein Sechser im Lotto, wenn man einen guten Mitarbeiter findet! Wir haben über drei Jahre einen Betriebsleiter gesucht und in dieser Zeit gerade einmal drei Bewerbungen bekommen, die für uns nicht überzeugend waren", berichtet Andreas Knaup.

Und wie hat er während der schwierigen Bauphase das Miteinander in der Branche erlebt? Am wichtigsten war für ihn der Austausch und Kontakt mit Kollegen, sei es telefonisch oder mit Besuchen vor Ort. Allen voran hilfreich war dabei für ihn Johannes Hartmann aus Düllstadt, der Familie Knaup umfassend unterstützte.

Für die nähere Zukunft hofft Familie Knaup nun auf geordnete betriebliche Abläufe. Schließlich sollen auch freie Wochenenden und Urlaub wieder ihr nötiges Recht bekommen.

Betriebsdaten

A&S Knaup GmbH & Co. KG

  • Flächen: Grundfläche 30 ha, 50.000 m 2 Hochglas, 35.000 m 2 Freilandproduktionsfläche, Büroräume mit Sozialtrakt und mehreren Mitarbeiterwohnungen
  • Kulturen: Frühjahrsblüher, Beet- und Balkonpflanzen, Gemüsejungpflanzen, Sommertopfpflanzen, Amaryllis, Poinsettien.
  • Absatz: Überwiegend an den LEH in Süddeutschland.
  • Regenwasserauffangbecken: 25.000 m 3
  • Heizanlage: 2 Hackschnitzelkessel, 1 Flüssiggaskessel für den Notbetrieb
  • Energie: 6-700 kwp Solar mit 300 kW Speicher; 1 BHKW für den Notstrombetrieb
  • Automatisierung: 5 Topf- und Rück-Roboter, 3.500 Mobiltische, 1 Space-O-Mat- Anlage für das Freiland
  • Mitarbeiter: rund 20
  • Kontakt: A&S Knaup GmbH & Co.KG, Rübenstr. 5, 97475 Zeil am Main, E-Mail sina.knaup@gartenbaubetrieb-knaup.de
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