Zu Besuch in Unterfranken
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Der neue Betriebsteil in Düllstadt wurde 2017 unmittelbar neben der Stammgärtnerei der Familie Hartmann gebaut. 2013 war zunächst das Grundstück gekauft worden, und zwar von Manfred Hartmann (einem Cousin von Senior Hans Hartmann), für dessen Azerca-Betrieb es keinen Nachfolger gab. Da der Stammbetrieb an den Rand seiner Wachstumsmöglichkeiten gekommen war und es auch in Rain/Lech keine Erweiterung mehr gab, kam das zusätzliche Grundstück in Düllstadt zur rechten Zeit.
Zunächst war in Überlegung, mit dem geplanten neuen Betrieb in den Gemüsebau einzusteigen. Anstoß dafür war, die gärtnerische Produktion insgesamt breiter aufzustellen. Hartmanns schauten sich eine ganze Reihe von Projekten dafür an und konnten sich diesen Weg gut vorstellen. Die Gespräche mit dem Handel waren allerdings ernüchternd. Es gab keine verbindlichen Signale für Absatzpartnerschaften. So wurde klar: Das Unternehmen würde weiterhin ganz im Zierpflanzenbau bleiben.
Beim Neubau entschied man sich wie bereits in Rain/Lech für die Kultur auf Tischen und nicht für eine Bodenkultur. Dafür gab es mehrere Gründe: Mit den Tischen ist Hartmann gut vertraut. Außerdem lässt sich die Produktion darauf gut automatisieren und bietet große Flexibiltät: „Ich kann problemlos von einem 9-cm-Topf bis zu einer 23-cm-Schale alles produzieren", sagt Johannes Hartmann. Entscheidend für ihn ist, die Produktion jederzeit an die Nachfrage des Markts anpassen zu können. „Wenn der Handel sagt: Wir wollen keine 12-cm-, sondern 14-cm-Töpfe oder eine andere Größe, dann muss das jederzeit möglich sein."
Der andere Betrieb in Rain/Lech ist so strukturiert, dass die Produktion für die Sortimente der Dehner-Fachgartencenter mit einer Vielzahl von Kulturen in eher kleinen Stückzahlen sinnvoll möglich ist. Dort lohnt es sich deshalb nicht, die Tische in eine Arbeitshalle zu fahren, um dann wenige Container zu packen. Deshalb werden die Container in Rain im Gewächshaus beladen. Im neuen Düllstadtbetrieb ist das anders: Dort gibt es zwar auch eine ganze Reihe unterschiedlicher Kulturen. Diese werden allerdings in großen Sätzen schnell und rationell kultiviert.
Flächengliederung in Bereiche hat sich bewährt
Auf zwei Dritteln der Produktionsfläche sind die Tischsysteme mit einem Shuttle automatisiert. Die fertigen Kulturen werden manuell in das andere Gewächshausdrittel geschoben. Entlang der Längsfläche dieses Teils findet die Vermarktung statt. In diesem Bereich haben die Tischreihen durchgehende Wege. Die Mitarbeiter können sich zwischen den Tischen bewegen, ohne über Rohre steigen zu müssen.
Interessant ist die Aufteilung der Arbeitsflächen: Während die Arbeitshalle für Vermehrung und Topfen wie in vielen Betrieben quer zur Gewächshausanlage im vorderen Teil liegt, erstreckt sich der Bereich für die Vermarktung wie bereits erwähnt auf der ganzen Längsseite der Gewächshausanlage – eben dort, wo die Tische manuell bewegt werden. „Diese Aufteilung hat sich in der Praxis bewährt", stellt Johannes Hartmann fest, denn so sind die Arbeitsbereiche für neue Sätze und für die Vermarktung getrennt.
Die neue Produktionsanlage ist in sechs recht große Abteilungen mit jeweils 4.000 m 2 gegliedert.
Gebaut wurde in Eigenregie
Eingedeckt ist die Anlage in Düllstadt mit prismiertem Einfachglas. Dieses bietet eine außerordentlich gute Lichtstreuung innerhalb des Hauses. „Das macht sich absolut bezahlt. Wir merken in der Entwicklung der Pflanzen keinen Unterschied, ob sie an der Stehwand oder mitten im Bestand stehen", so Johannes Hartmann.
Eine weitere interessante technische Lösung: Überall ist eine Schattierung installiert. Diese läuft auf den gleichen Drähten wie der Energieschirm, denn Schattierung und Tagschirm werden nicht gleichzeitig benötigt – im Sommer die Schattierung, im Winter der Schirm. Auf einem extra Drähtebett darunter läuft die Verdunklung.
Der Betrieb in Düllstadt wurde nicht schlüsselfertig gebaut. Die Hartmanns haben die Gewerke einzeln vergeben und den Bau selbst betreut. „Das war ein sehr intensives Jahr", erinnert sich Johannes Hartmann. Normalerweise kümmert er sich um den Betrieb in Rain/Lech. Zum Bau war er dann viel vor Ort in Düllstadt. „Da reichte nicht einmal in der Woche, weil so viele Entscheidungen schnell vor Ort zu treffen waren – oft Kleinigkeiten, die aber wichtig sind, damit das große Ganze läuft. Mein Vater wohnt in Düllstadt und hat uns hier sehr stark unterstützt."
Durchdachtes Vierpflanzensystem
Schon etliche Jahre sind verschiedene Konzepte der Jungpflanzenanbieter am Markt, mehrere verschiedene Arten in einem Topf als Mischung bereits im frühen Anfangsstadium unterzubringen. Je nachdem, wie gut die unterschiedlichen Pflanzen zueinander passen, sind diese Konzepte mehr oder weniger erfolgreich. Hartmann hat vor wenigen Jahren ein innovatives eigenes Kultursystem entwickelt, das mittlerweile zum Patent angemeldet ist. Beim „CrazziCube”-System werden vier verschiedene Pflanzen eigenständig in speziellen Trays vorkultiviert, und zwar jeweils mit einem Wurzelballen, dessen Querschnitt einen Viertelkreis darstellt. Vier Viertelkreise füllen einen ganzen Kreis – und so ergeben auch vier einzeln vorkultivierte Pflanzen genau einen Topf.
Auf der Topfstraße sieht das Verfahren folgendermaßen aus: Die Kulturtöpfe werden von einer Mayer-Maschine vollautomatisch mit Erde gefüllt. Mit einem großen Bohrer wird ein Teil der Erde wieder entnommen, was verfahrenstechnisch einfacher ist, als die Töpfe nur teilweise zu füllen. Auf den teilgefüllten Töpfen finden dann die vier Pflanzen Platz, sie werden von zwei sich gegenüberstehenden TTA-Topfrobotern in die Töpfe gebracht. Auf jeder der beiden Seiten der Verarbeitungsstraße werden Trays mit zwei unterschiedlichen Pflanzenarten verarbeitet, sodass insgesamt vier verschieden Pflanzen zusammengetopft werden können. Mit 16 Greifern werden vier Töpfe gleichzeitig gepflanzt. Die Stundenleistung beträgt zwei- bis viertausend fertige Töpfe. Dafür braucht es gute Mitarbeiter: „Die Maschine steht und fällt mit dem, der sie bedient. Da braucht es jemand, der Lust drauf hat, damit zu arbeiten, der auch das technische Know-how mitbringt. Da ist immer wieder Feinschliff nötig", erklärt Johannes Hartmann.
Technisch funktioniert all das gut – die Herausforderungen für das „CrazziCube”-System liegen in der Vorkultur. Schließlich müssen vier verschiedene Kulturen in den Trays auf den gemeinsamen Topftermin hin gesteuert werden. „Der Tag des Zusammentopfens muss gut überlegt sein, denn bis dahin können wir kulturtechnisch auf jede einzelne Gattung Einfluss nehmen, dann nur noch auf die ganze Mischung", erklärt Johannes Hartmann. „Der Vorteil bei unserem System ist: Wir können Pflanzen miteinander kombinieren, bei denen das ansonsten kaum möglich wäre."
Hartmann ist mit dem „CrazziCube”-System jetzt in der dritten Saison großflächig unterwegs. Manches funktioniert noch nicht so, wie man sich das vorstellt. Aber Testen und Probieren, das gehört für engagierte Gärtner einfach dazu.
Flexibilität und gute Planung
Bei den Kulturen will Hartmann nicht nur für ein paar bestimmte Gattungen bekannt sein, sondern flexibel sein und immer sagen können: Diese vom Kunden gefragte Kultur passt bei uns herein, da können wir gut mitspielen. Anders als in früheren Zeiten ändern sich Aufträge und Kundenwünsche heute oft sehr schnell. Auch wenn ein Auftrag zu voller Zufriedenheit des Kunden erledigt wurde, werden die Karten für neue Aufträge von Jahr zu Jahr neu gemischt.
Sowohl in Rain/Lech als auch in Düllstadt werden große Partien für die Fachgartencenter von Dehner produziert. Darüber hinaus kultiviert Hartmann große Partien auch für Aktionen des LEH, für Baumärkte und Discounter. Die Kulturplanung ist dabei ein ständig fortlaufender und auch herausfordernder Prozess. Das bringen die großen Kunden mit, die recht unterschiedlich sind. Der eine plant viermonatlich, der andere quartalsweise.
Als Grundlagen für seine Planung hat Johannes Hartmann eine ausführliche und transparente Excel-Tabelle selbst entwickelt. Dort ist jeder Satz aufgeführt mit allen Details, ganz unabhängig davon, wie groß dieser ist. Zur Tabelle gehört eine Checkliste für alle Dinge, die für die Kultur nötig sind, damit nichts vergessen wird. Jeder Verantwortliche kann in diese Planung hineinschauen und sich einen Überblick verschaffen.
Eine Mitarbeiterin ist ganz für Planung und Organisation in den Betrieben sowohl in Düllstadt als auch in Rain/Lech zuständig. Beispielsweise auch dafür, die Auftragsbestätigungen der Jungpflanzenfirmen zu checken, denn da gibt es gegenüber Bestellungen auch immer wieder Änderungen bezüglich Liefertermin oder Sorten.
Mit immer weiter torfreduzierten Substraten unterwegs
Seit zwei Jahren arbeitet Hartmann mit Substraten, die zu 50 % torfreduziert sind und das bei jeder Kultur. „Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Unser Ziel ist es, auf 70 bis 80 % torfreduzierte Substrate zu gehen. Komplett auf Torf zu verzichten, halten wir allerdings für kaum möglich. Wir sehen auch die Sinnhaftigkeit darin nicht, denn dann muss der komplett fehlende Torf durch andere Stoffe ersetzt werden, was momentan auch nicht zwingend ökologisch ist", so Hartmann. Sein Betrieb ist beim Projekt TerZ (Torfreduzierte Substrate im Zierpflanzenbau) von Anfang an dabei gewesen und hat profitiert.
Eines ist ihm nach der ausführlichen Technikbesichtigung noch wichtig: „Bei all der modernen Technik sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Rückgrat bei uns im Unternehmen. Meine Frau und ich sind sehr stolz auf jeden unserer Mitarbeiter! Ohne den Faktor Mensch ist alles, was wir machen, nicht möglich!"
Hartmann in Düllstadt
- Inhaber: Johannes und Katja Hartmann
- Geschichte: 1936 Betriebsgründung, 2017 zweiter Betrieb, 2022 Verschmelzung der Josef Hartmann GbR und der Hartmann GmbH & Co. KG zur Josef Hartmann GmbH & Co. KG
- Flächen: 60.000 m² Hochglas, 5.000 m² Freiland
- Mitarbeiter: 1 Master of Science, 1 Gärtnermeister (Standortleitung), 2 Gärtnermeister, 8 Ganztagskräfte, 6 Halbtagskräfte, 20 Saisonarbeitskräfte
- Technik: Assimilationsbelichtung auf 3.000 m², Roll-Mobiltischanlage, Mayer-Topfmaschine mit 4 Absetzautomaten, TTA-Topfroboter, Logiqs-Shuttle-System, Arbeitshalle mit Kransystem und Tischwaschmaschine, geschlossenes Bewässerungssystem (BE de Lier), RAM Klimacomputer, Kühlhalle 1.000 m², Regenwasserbecken 18.000 m³, 560 kWth Gas-BHKW, 750 kWth Biogas-BHKW (Contracting), 900 kW Anthrazith-Kessel (Omnical), 3,0 MW Spitzenlastkessel Öl & Gas, 2.000 m³ Pufferspeicher
- Kulturen: Primula, Viola, Myosotis, Pelargonium, Impatiens-Neuguinea, Petunien, Fuchsien, Hortensien, Tagetes, Lobelien, Multiflora-Chrysanthemen, „CrazziCube”-System, Poinsettien
Kontakt: www.hartmanngartenbau.de
Hartmann in Rain/Lech
- Inhaber: Johannes und Hans Hartmann
- Geschichte: 1999 Betriebsgründung, 2003 Erweiterung Hochglas 15.000 m², 2009 Erweiterung Hochglas 7.000 m², 2013 Erweiterung Hochglas 15.000 m²
- Fläche: 65.000 m² Hochglas
- Mitarbeiter: 2 Gärtnermeister, 10 Ganztagskräfte, 4 Halbtagskräfte, 14 Saisonarbeitskräfte
- Technik: Gewächshaus Venlo-Bauweise mit 16 Kulturabteilungen, Assimilationsbelichtung auf 5.000 m², Induktionsbelichtung auf 3.000 m², Roll-Mobiltischanlage, Mayer-Topfmaschine mit 4 Absetzautomaten, TTA-Topfroboter, Arbeitshalle mit Kransystem und Tischwaschmaschine, geschlossenes Bewässerungssystem (BE de Lier), RAM-Klimacomputer, Kühlhalle 300 m², Regenwasserbecken 4.500 m³, 750 kWth Biogas-BHKW (Contracting), 1.000 kWth Biogasanlage im Contracting, 3,5 MW Spitzenlastkessel Gas, 800 m³ Pufferspeicher
- Kulturen: Frühjahrsblüher (Myosotis, Bellis, Primula), Beet- und Balkonpflanzen (Pelargonien, Celosia), Herbstartikel (Chrysanthemen), blühende Topfpflanzen (Kalanchoe, Hortensien, Edelpelargonien, Weihnachtssterne)
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