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Europa-Rosarium Sangerhausen

Blühende Garten-Pracht und Gen-Sequenzen

Als sei ein leuchtend buntes Tuch in die grüne Hügellandschaft des südlichen Harzvorlandes geweht, liegt das Europa-Rosarium zwischen Feldern und der Altstadt von Sangerhausen. Etwa 80.000 Sträucher wachsen hier, was den Ort zu einem Highlight unter den „Gartenträumen“ Sachsen-Anhalts macht. Aber es geht um mehr als romantische Träumerei. Im weltweit größten Rosarium blüht auch die Wissenschaft.

von Marlis Heinz erschienen am 25.07.2025
Blütengirlanden über den Wegen durch das Rosarium. © IMG/Volkmar Heinz
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Jeder Gast genießt die Anlagen auf seine Weise. Der eine lässt sich einfach durch all die Pracht treiben, betrachtet und beschnuppert die Blüten oder nutzt sein Handy nicht nur, um all die Schönheiten zu fotografieren, sondern auch, um per Audioguide Geschichten zu hören: Was hat es mit Goethes Heidenröslein auf sich? Warum müsste das Märchen eigentlich „Stachelröschen“ heißen? Und wie kam die Teerose zu ihrem Namen?

Die Strauchrose "Bastei" in voller Blüte.
Die Strauchrose 'Bastei' in voller Blüte. © IMG/Volkmar Heinz

Rund 80.000 Rosensträucher von 8.750 Sorten

Andere Besucher steuern erst einmal einen der Spielplätze oder das Restaurant im Glashaus an. Oder das Rosen-Café, wo sogar Rosen-Eis und Rosen-Torte serviert werden. Einige versammeln sich gleich am Haupteingang zu einer Führung. Aber die meisten falten einen Lageplan auseinander, um solche Sensationen wie die Schwarzen Rosen schnell zu finden oder um das Rosarium ganz systematisch zu ergründen. Wobei das mit der Systematik gar nicht so einfach ist. Rund 80.000 Rosensträucher von 8.750 Sorten ziehen sich auf mehreren Ebenen über 13 hügelige Hektar. Auf nur auf wenigen Beeten haben sie in Reih und Glied Platz genommen. Meist tun sie sich in kleinen Gruppen zusammen, plaudern mit anderen Blumen, Kräutern und Sträuchern oder umkränzen Skulpturen und Wasserbecken, Kieswege und Sitzecken.

Thomas Hawel, Gartenbauingenieur arbeitet 23 Jahre im Rosengarten und ist seit 2005 Leiter des Europa-Rosariums Sangerhausen.
Thomas Hawel, Gartenbauingenieur arbeitet 23 Jahre im Rosengarten und ist seit 2005 Leiter des Europa-Rosariums Sangerhausen. © IMG/Volkmar Heinz

Ab 1903: Eine Arche Noah für die hiesigen Gartenrosen

Dass diese romantische Optik zugleich einer botanischen Systematik folgt, dafür sorgt Thomas Hawel, Leiter des Rosariums. Um zu erklären, warum die weltgrößte Rosensammlung gerade in diese vom Bergbau geprägte Kleinstadt kam, beginnt er in der Geschichte: „Ende des 19. Jahrhunderts fluteten immer mehr chinesische Teehybriden nach Europa, revolutionierten den Markt und drohten die vor allem die in England und Frankreich gezüchteten Sorten zu verdrängen. Also wollte der Verein der Deutschen Rosenfreunde eine Arche Noah für die hiesigen Gartenrosen bauen.“ Die Herren gingen auf Standortsuche und erhielten mehrere Angebote zum Flächenkauf. Die Sangerhäuser Stadtoberen jedoch reagierten nicht nur am schnellsten, sondern spendierten – ohne geschäftliches Ansinnen – kurzerhand 1,5 Hektar des Stadtparks. Die wurden eingezäunt und ab 1903 mit Rosen-Spenden aus ganz Europa bepflanzt. Von einigen der so zusammengetragenen Sorten stehen inzwischen die weltweit letzten Exemplare in Sangerhausen.

Noch heute erreichen historische, neu gezüchtete und wilde Rosen Sangerhausen und brauchen einen Platz im Rosarium. „Deshalb ist unsere Anlage relativ streng gegliedert“, erläutert Hawel. „Das Auftauchen auf dem Markt bildet die Basis für die Teilung in Wildarten sowie historische und moderne Sorten; ihre Statur sortiert sie nach Strauch-, Beet- und Kletterrosen; aber wir haben auch einen Duftgarten oder eine Anlage, die die Entwicklungsgeschichte der Rose zusammenfasst.“

Deutsche Genbank Rose bewahrt kostbares Erbgut

Doch es geht nicht allein um die Pracht, mit der die Königin der Blumen die jährlich etwa 100.000 Gäste bezaubern will. Tafeln in einigen Beeten erläutern, warum auch vergleichsweise empfindliche und kümmerliche Exemplare ihren Platz im Rosarium behalten dürfen. Neben all der Schönheit regiert hier nämlich die Wissenschaft, das heißt, einigen der wilden oder gezüchteten Rosen wird eine besondere Bedeutsamkeit zuteil: Sie sind in der Deutschen Genbank Rose (DGR) registriert. Solche Genbanken gibt es – angeregt durch den Umweltgipfel in Rio – für zahlreiche wichtige Kulturpflanzen, beispielsweise auch für Apfel oder Weizen. In Form von lebenden Pflanzen oft an mehreren Standorten soll wertvolles Erbgut gespeichert und für die Erhaltung oder für Neuzüchtungen bewahrt werden.

Die Deutsche Genbank Rose, das erste Teilnetzwerk der Deutschen Genbank Zierpflanzen (DGZ), entsteht seit 2009 in Sangerhausen. Lediglich die analytische Erfassung der Genstrukturen der Rose geschieht nicht im Rosarium, sondern beispielsweise im Rahmen von Projekten an der Leibniz Universität Hannover. „Dort wird ermittelt“, so erläutert Hawel das Herangehen der Forschenden, „welche Gensequenz für eine spezielle Eigenschaft der Pflanze verantwortlich ist, also beispielsweise für Blütenfarbe, Größe, Duft oder Widerstandsfähigkeit.“ Beim Züchten können dann mit Blick in die Gene der Ausgangssorten bestimmte Tugenden der künftigen Generation vorausberechnet oder Mängel verhindert werden.

Eine Genbank ist nur zum Teil eine Datenbank – aber auch die will gepflegt werden. Diese Aufgabe obliegt Agrar-Ingenieurin Gerhild Schulz, die tausende Rosen fotografisch dokumentiert und eingeordnet hat. Von rund 6.000 Rosen hat sie Herbarbelege erstellt, also Blüten und Blätter gepresst und eingeordnet.
Eine Genbank ist nur zum Teil eine Datenbank – aber auch die will gepflegt werden. Diese Aufgabe obliegt Agrar-Ingenieurin Gerhild Schulz, die tausende Rosen fotografisch dokumentiert und eingeordnet hat. Von rund 6.000 Rosen hat sie Herbarbelege erstellt, also Blüten und Blätter gepresst und eingeordnet. © IMG/Volkmar Heinz

Jährlich bis zu 100 Sorten werden in der Sammlung „geadelt“

Welche Sorten die Sangerhäuser Sammlung ergänzen und welche sogar mit der Aufnahme in die bislang 3.500 Sorten umfassende Genbank geadelt werden, bestimmen Hawel und anderen Experten immer wieder neu. „Für das Rosarium wählen wir jährlich 50 bis 100 vor allem deutsche und europäische Sorten aus. Außerdem integrieren wir in die Sammlung Wildrosen mit definierten Herkünften, seltene Sorten oder Rosen mit besonders herausragenden Eigenschaften. In die Genbank werden pro Jahr zwischen 150 und 200 Rosensorten und Arten nach deren Verifizierung, also der zweifelsfreien Bestimmung, aufgenommen.“

Darf sich Thomas Hawel angesichts seiner weiträumigen Aufgabe als Rosen-Gen-Bänker eigentlich zu einer Lieblingssorte bekennen? Er tut es: „Diese ändern sich immer wieder mal. Derzeit gefällt mir besonders die historische Portlandrose ‘Mme. Boll’ (gezüchtet von Boll 1843). Aber auch die aktuellen Beetrosen ‘Spotlight’ (Kordes 2023), ‘Hansestadt Rostock’ (Tantau 2010) oder ‘Darling’ (Noack 2024) gehören zu meinen Favoriten.“

Und wo auf dem ausgedehnten Gelände liegt der Lieblingsplatz des Chefs? „Der hölzerne Pavillon aus dem Jahre 1899, von wo aus, sich weit in den historischen Teil der Anlage schauen lässt.“ Dort finden übrigens auch die sommerlichen Rosenberatungen statt, ein Teil des vielfarbigen Veranstaltungsprogramms.

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