Interview mit Philip Testroet, IVG
„Generell wäre es Zeit für einen Runden Tisch“
Der Markt für Kultursubstrate ist unter Druck. Zum einen brach die Nachfrage im vergangenen Jahr deutlich ein. Zum anderen ist der Weg zu torfreduzierten und torffreien Substraten kein einfacher. Dazu befragten wir als Experten Philip Testroet, Industrieverband Garten.
von Die Fragen an Philip Testroet stellte Christoph Killgus. erschienen am 08.05.2024
Zur Person
Philip Testroet
ist Biologe und beim Industrieverband Garten (IVG) in Düsseldorf als Referatsleiter Gartenbau und Umwelt tätig. Nach dem Studium in Bonn war er als Projektkoordinator für das Grüne Klassenzimmer bei der Landesgartenschau NRW 2017 in Bad Lippspringe tätig. Anschließend arbeitete er als Referent für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen.
Es ist wichtig, die Kultursicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe nicht zu gefährden. Neben den genannten Holzfasern und dem im Profibereich aus den genannten Gründen noch nicht so breit eingesetzten Grüngutkompost wird auch Kokos (Cocopeat) hier eine entscheidende Rolle spielen. Dieser Rohstoff ist am Weltmarkt in einer großen Menge verfügbar, muss aber natürlich aufbereitet und zu uns transportiert werden. Derzeit laufen viele Projekte zur Torfreduzierung im Gartenbau. Dafür gibt es auch erhebliche Fördermittel. In aller Regel fallen die Ergebnisse auch recht positiv aus und haben das Fazit: Eine Torfreduzierung ist gut möglich. Wie nehmen Sie die von Fördermitteln abhängige Forschungsarbeit wahr: Ist sie so neutral und kritisch, wie das wünschenswert ist? Philip Testroet: Das stimmt, es gibt eine ganze Bandbreite an verschiedenen Forschungs- sowie Modell- und Demonstrationsvorhaben. Aktuell fließen allein 24 Millionen Euro Fördermittel über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in 39 Teilvorhaben sowie in vier Einzelvorhaben zur Verringerung der Torfverwendung. Ein mittlerer sechsstelliger Betrag fließt in eine Aktionswoche torffreies Gärtnern. Positiv herauszuheben sind aber auch Projekte wie FiniTo, das den Gartenbau bei der Torfreduktion unterstützt. Das Fazit der Forschungsprojekte sieht eher so aus, dass eine Torfreduktion um 40 bis 50 Prozent in vielen Kulturen mit angemessenem Aufwand realisierbar zu sein scheint. Weitere Reduktionen sind, je nach Pflanzenart und Rahmenbedingungen der Kulturführung, jedoch sehr aufwendig und stellen die Kultursicherheit in Frage. In einigen Anwendungsbereichen fehlen aufgrund spezieller Anforderungen generell bis heute die geeigneten Alternativen zum Torf. Die Forschungsarbeit ist so kritisch und neutral wie sie sein kann, da gibt es keine Einwände und man ist auch offen für Argumente und andere Sichtweisen. Der Grundtenor der aus Steuergeldern finanzierten Infomaterialien und Kampagnen trägt natürlich die Handschrift des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit dem Hintergrund der Agenda zum weitgehenden Torfersatz bis 2030. Viel eher wäre es also an der Zeit, dass sich die Politik die Forschungsergebnisse entsprechend anschaut, auswertet und daraus ihre Schlüsse zieht – auch im Hinblick auf eine Ausdehnung der Zeitspannen für die Ziele der Torfminderungsstrategie. Auch Blumenerden sollen künftig möglichst torffrei sein. Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass wir im Profigartenbau eine Umstellung von Blumenerden für Hobbygärtner auf torfarme oder torffreie Produkte recht gelassen sehen, weil es da ja nicht unmittelbar um unser eigenes Feld geht. Allerdings entscheidet der Erfolg, den die Leute mit Blumenerden haben, maßgeblich darüber, wie sehr sie sich für ihr grünes Hobby begeistern. Wo beispielsweise ein starker Trauermückenbefall ärgert, wird die Freude an Zimmerpflanzen schnell abnehmen. Sollte die Profi-Branche hier nicht engagierter für absolut verlässliche Lösungen kämpfen? Philip Testroet: Das ist ein wichtiger Punkt, den wir als Branche auch im Auge haben. Es ist niemandem geholfen, wenn die Endkundinnen und Endkunden die Freude am Gärtnern verlieren, aus Frust über kranke Pflanzen oder mäßigeren Ertrag. Hier ist die richtige Aufklärung über die Handhabung der Erden das A und O. Dies wird gerade erkannt und Infomaterial sowie Workshops oder Seminare dazu nehmen zu. Es wäre wichtig, auch das Fachpersonal am POS dahingehend zu informieren, wofür es auch entsprechende Projekte gibt.
„Bei den Profisubstraten liegt der Fokus natürlich auf der Qualität.“ Philip Testroet
Der Endkunde muss jedoch trotz allem eine Auswahlmöglichkeit behalten zwischen torffreien und torfreduzierten Erden, je nach Anwendungszweck und entsprechend der eigenen Bedürfnisse. Die Beratung muss dahingehend sichergestellt sein, dass beim Kauf von torffreien Erden auch auf die geänderte Handhabung hingewiesen wird. Nach einem „Fit for purpose“-Ansatz sollte die Beratung auch in Erwägung ziehen, dass für Kübel- (sonnenexponiert), Indoor- und Moorbeetpflanzen eher eine torfreduzierte als eine torffreie Erde geeignet ist. Der ganze Prozess der Umstellung auf torfreduzierte und torffreie Erden und Substrate wird von vielen Dingen beeinflusst. Welche Bedeutung sehen Sie im internationalen Handel? Wie verändern sich Exportmöglichkeiten? Wie groß ist die Gefahr, dass über Importe Produkte zu uns kommen, die hier nicht mehr produziert werden sollen? Philip Testroet: Das ist eine real existierende Gefahr. Der Warenverkehr innerhalb der EU ist frei und richtet sich nicht nach den Zielen der Bundesregierung. In den Niederlanden ist man mit einem Pakt zur Torfnutzung bis 2045 langfristig unterwegs und sicher aufgestellt. Man wartet nur darauf, Marktanteile bei uns übernehmen zu können. In der neuesten Statistik müssen wir auch einen Rückgang der Exportzahlen im Consumer- wie im Profibereich um jeweils neun Prozent feststellen. Eine Verlagerung der Produktion von Exportwaren findet ebenfalls statt, da unsere Unternehmen innerhalb Europas auch immer stärker vernetzt sind. Wie erleben Sie den Dialog mit Naturschutzverbänden im Prozess der Torfreduzierung? Inwieweit gibt es da Verständnis für die Herausforderungen in der gärtnerischen Produktion? Philip Testroet: Mit dem NABU Niedersachsen arbeitet der Industrieverband Garten gut zusammen. Es gibt zum Beispiel das NABU-IVG-Konzept aus dem Jahr 2014. Und es zeigt sich durchaus auch Verständnis für gewisse Problematiken im Profigartenbau. Generell wäre es Zeit für einen Runden Tisch und gemeinsame Konzepte. Eine Anfrage unsererseits an die Landespolitik in Niedersachsen dies einzurichten, bleibt seit über einem Jahr aber leider unbeantwortet.
„Der Endkunde muss eine Auswahlmöglichkeit behalten zwischen torffreien und torfreduzierten Erden.“ Philip Testroet
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