Pflanzen wahrnehmen und wertschätzen
Mit 24 anderen Floral-Designern wird der Berliner Nicolaus Peters im September auf dem Fleurop-Interflora World-Cup in Manchester um die höchste Auszeichnung der Floristenbranche kämpfen – und es ist wahrscheinlich, dass er der einzige Akteur mit einer klassischen Gärtnerausbildung sein wird. Wird ihm die helfen? Darüber sprach Martin Hein mit dem Floristen.
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In gestalterischen Fragen werde ihm die gärtnerische Ausbildung eher nicht helfen, meint Nicolaus Peters. In grundsätzlichen Aspekten aber schon. Im Gespräch mit ihm tauchen vor allem die Begriffe „Wertschätzung" und „Wahrnehmung" immer wieder auf.
„Ich habe in meiner Gärtnerausbildung gelernt, wie Pflanzen funktionieren, welche Bedürfnisse sie haben, welcher Weg zurückgelegt werden muss, bevor aus der Pflanzenblüte eine Schnittblume wird", erklärt der gebürtige Berliner die Grundlage für das, was er als Wertschätzung bezeichnet. Schon bei der Werkstoffauswahl achtet er auf Pflanzengemeinschaften und würde nie etwa Rosen mit Helikonien in einem Werkstück verarbeiten. Man könne das machen, die floristische Gestaltungslehre verbietet so etwas nicht grundsätzlich – „doch für mich ist das kein Weg".
Schwer tut sich der gebürtige Berliner auch damit, wenn durch gärtnerische Züchtung natürliche Attribute verloren gehen. Auf der IPM hat er den Fleurop-Stand floristisch gestaltet, zur Verfügung hatte er 1-A-Ware. Allerdings waren die Stiele der Rosen aus Südamerika fingerdick und „so gerade gewachsen wie Bleistifte verarbeitet sind". Damit könne er sich als Gestalter, der immer auf der Suche nach natürlicher Bewegung der Materialien ist, schwer anfreunden.
Aus seiner gärtnerischen Erfahrung stammt auch der Respekt vor den Jahreszeiten. „Rosen mit Tulpen in einem Werkstück ist für mich ein No-Go", sagt er mit fester Überzeugung. Wohl wissend, dass in der Alltagsfloristik nahezu alles miteinander kombiniert wird.
Der gärtnerische Hintergrund ist sicherlich auch dafür verantwortlich, dass Nicolaus Peters ein überzeugter Regionalist ist – auch wenn ihm bewusst ist, dass er ohne Import-Blumen ein halbes Jahr arbeitslos wäre. Er fühlt sich aber als Gestalter in den nördlichen gemäßigten Zonen beheimatet. Er nutze gar nicht das komplette internationale Sortiment: „Wenn es sich vermeiden lässt, verarbeite ich keine Überseeware. Man muss auch mal auf etwas verzichten können." Verzichten können – auch das ist ein Teil von Wertschätzung.
Außergewöhnlicher beruflicher Werdegang
Die Mutter von Nicolaus Peters betrieb ein Blumenfachgeschäft, Pflanzen und Blüten waren schon in der Kindheit präsent. Daher lag eine Gärtnerausbildung nahe. Nicht irgendwo, sondern in dem der FU Berlin angegliederten „Institut für Pflanzenphysiologie" – praktisch so etwas wie ein botanischer Garten.
Während der Gärtnerausbildung wurde ihm klar, dass er ein Gartenbaustudium anschließen würde. Dazu war zunächst ein Fachabitur notwendig. Nach dem Studium eröffnete er mit einem Kommilitonen ein Blumengeschäft. In diesen zwei Jahren wurde ihm klar, dass eine floristische Ausbildung notwendig ist. Also ging er noch einmal in die Lehre, um dann später auch eine Meisterausbildung zu absolvieren. Überhaupt: Bis heute ist Nicolaus Peters ein Verfechter fundierter Ausbildungswege: „Unsere weltweit einzigartige dreijährige Floristenausbildung ist die Basis für das hohe Niveau in unseren Blumenfachgeschäften."
Nicolaus Peters arbeitete in führenden Berliner Blumenfachgeschäften. Doch schnell machte er sich mit einer „Werkstatt" selbstständig. Heute ist Werkstattfloristik in den Metropolen alltäglich, damals war diese Arbeitsweise Avantgarde, eine Pioniertat. Seit rund 30 Jahren betreut er mit nur einem Helfer eine Reihe von Geschäfts- und Privatkunden, auch in Ministerien des Regierungsviertels kann man ihn antreffen. Solch ein Berufsweg bietet eine große gestalterische Freiheit abseits von den Zwängen der Alltagsfloristik.
Neben der gärtnerischen Basis war für den beruflichen Werdegang von Nicolaus Peters die schon im Alter von 16 Jahren begonnene Beschäftigung mit der japanischen Blumenkunst Ikebana wesentlich. Nach diversen Lehrgängen und Reisen nach Japan trägt er nun schon seit vielen Jahren den höchsten Rang der Sogetsu-Ikebana-Schule. Er gibt Lehrgänge (etwa in Grünberg) und auch in seiner Diplom-Arbeit zum Gartenbauingenieur spielte Ikebana die zentrale Rolle.
Für Nicolaus Peters ist die aus dem Zen entstandene Ikebana-Kultur eine Schulung des Sehens. Aus diesen Gestaltungsideen kommt seine Vorliebe für bizarre Formen, für den reduzierten Gebrauch von Blumen – der auch die skandinavische Floristik prägt, die Peters nahesteht. Immer geht es um die Wertschätzung der einzelnen Blume.
Zu der Wertschätzung gesellt sich die Wahrnehmung. Nur wenn man etwas schätzt, kann man auch die dem jeweiligen Objekt innewohnende Wahrheit wahrnehmen. Ein zentrales Element der Gestaltungen des Berliner Floral-Designers ist denn auch Bewegung, die von den Betrachtern der Werkstücke als fluide Leichtigkeit empfunden wird. Gärtner und Ikebana-Künstler wissen gleichermaßen um die Kraft der Bewegung, die Pflanzen, Blumen und Blüten innewohnt. Die Natur ist und wächst nicht statisch. Dies einzufangen – das macht die gestalterische Handschrift von Nicolaus Peters aus.
2008 erhielt Nicolaus Peters in seiner Heimatstadt Berlin mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft der Floristen eine erste große Auszeichnung. Acht Jahre später folgte die Gold-Medaille, mit der er auf dem Singapur Garden Festival geehrt wurde. Seine Weltzugewandtheit zeigt auch die Beteiligung bei der von Fleurop ins Leben gerufenen Gruppe „Junge Wilde" – jüngere, aber erfahrene Floristinnen und Floristen, die die Branche auch in der Öffentlichkeit vertreten. Für Nicolaus Peters ist die Teilnahme am World-Cup der Floristen ein inneres Bedürfnis. Wettkämpfe haben ihm immer Spaß gemacht und die Floristen-Weltmeisterschaft sei das Höchste, was es gibt. Der 1969 Geborene möchte nicht stehenbleiben, sondern sich immer fordern.
Auf zur Weltmeisterschaft
Und so bereitet sich Nicolaus Peters akribisch auf den Wettkampf in Manchester vor. Die internationale Fachjury wird nach dem Florint-System bewerten, das sich von den in Deutschland üblichen Prüfungsgrundlagen unterscheidet. Es ist sicherlich kein Nachteil, dass Nicolaus Peters schon vor längerer Zeit einen Prüfungslehrgang des Florint-Systems abgeschlossen hat – und schon selbst häufig als Prüfer tätig war.
Die 25 Teilnehmer des Fleurop-Interflora World Cups dürfen drei in Teilen schon vorbereitete Werkstücke mitbringen. Eine freie Objektarbeit zum Thema Wald, eine Tischdekoration mit dem Leitfaden Ozeanwelle, ein Brautschmuck zum Thema Wolken. Zwei Drittel der Gestaltungen müssen aus floralen Werkstoffen gefertigt sein – sie können also erst in der Wettkampfzeit gearbeitet werden. Nach einem vierten Werkstück (eine Überraschungsarbeit) erfolgt die erste Bewertung – und 15 Teilnehmer fliegen aus dem Wettbewerb.
Es folgt eine weitere Überraschungsarbeit – und wieder werden fünf Teilnehmer den Wettkampf verlassen müssen. Die letzten fünf verbliebenen Floral-Designer werden dann anlässlich eines Galaabends eine letzte Überraschungsarbeit bewältigen müssen und den Weltmeister der Floristen unter sich ausmachen. Die Vielzahl der Überraschungsarbeiten zeigt, dass bei der Weltmeisterschaft die spontane Gestaltung im Zentrum steht. Nicolaus Peters ist bewusst, dass unser Auge drei Sekunden braucht, um Floristik wahrzunehmen. Der Volksmund sagt dazu: Der erste Eindruck entscheidet.
Möglicherweise ist es auch ein Vorteil für Nicolaus Peters, dass ihm die Strömungen in der internationalen Floristik bekannt sind. Er ist Mitglied von Floos, einer internationalen Vereinigung von in ständigem Austausch stehenden Top-Floristen, die auch auf der IPM auf der Bühne standen. Über allem werden für ihn auch bei diesem Wettkampf zwei Überzeugungen stehen: „Man muss sich treu bleiben." Und: „Die Blume muss sich wohlfühlen." Das sind Sätze, aus denen auch der Gärtner spricht.
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