Lasst uns bitte gärtnern
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Kurz vor Weihnachten erlebten wir einen Wetterumschwung. Nach einer Kälteperiode war morgendliches Blitzeis angesagt. Bereits am Vorabend wurde im Radio schulfrei verkündet. Wir überlegten kurz in unserer „Chefrunde" und schickten am Sonntagabend in der betrieblichen WhatsApp-Gruppe eine Info raus. Die Mitarbeitenden mögen am Morgen die Straßenverhältnisse kritisch prüfen. Insbesondere jene mit einem längeren Anfahrtsweg, möchten im Zweifelsfall lieber daheimbleiben. Vorbildlich mag der eine oder andere sagen. Aber gegen wie viele Verordnungen haben wir dabei verstoßen? Ist es erlaubt, Mitarbeitende in ihrer Wochenendruhe zu stören? Auch jene, die sich vielleicht gar im Urlaub befinden oder erkrankt sind? Widerspricht eine betriebliche WhatsApp-Gruppe den Datenschutzbestimmungen?
Gesetze, die keiner versteht
Wie man auch immer dazu stehen mag, die Zehn Gebote sind denkbar einfach und klar formuliert. Bereits deutlich komplizierter, aber dennoch innerhalb überschaubarer Zeit im Wesentlichen zu begreifen, sind alle wichtigen Regeln unserer Straßenverkehrsordnung, die zudem überwiegend internationale Gültigkeit haben. Wenn selbst Steuerprüfer als auch Steuerberater sich kaum noch ohne ihre Nachschlagewerke außer Haus wagen, so darf die kritische Frage erlaubt sein, ob nicht eher unsere Regelwerke die Legalitätsgrenze überschreiten, als jene, die diese nicht mehr verstehen, nachvollziehen und beachten können. Was werden hier auf allen Seiten für Kapazitäten gebunden? Ein System, das in sich Milliarden verschlingt, um Beträge zu ermitteln, die wir unserer Staatskasse abzuführen haben. Ob wir es Kundenorientierung oder Bürgernähe nennen, beides ist den Gesetzgebern abhandengekommen.
Wir haben in unserem Betrieb vor vielen Jahren zwei Naturteiche angelegt, die Regenwasser aufnehmen und zugleich der Bewässerung dienen. Entsprechend den Vorgaben steigen die Ufer seicht an, damit diese auch Amphibien und anderen Tieren geeignete Lebensräume bieten. Dennoch haben wir über Jahrzehnte einen Regelverstoß begangen: Es sind keine Rettungsringe angebracht! Natürlich geht von Gewässern für Nichtschwimmer eine Gefahr aus. Es handelt sich jedoch wie bei vielen anderen Teichen in unserem Land nicht um Badeseen. Inzwischen sind Rettungsringe angeschafft. Bezahlen und vergessen – diese Strategie ist manchmal ratsam, um die eigenen Nerven zu schonen.
Vom ZVG kommt monatlich eine Umfrage über die wirtschaftliche Situation der Betriebe. Ich fülle diese gerne aus. Es sind einfache, wenige Fragen – innerhalb kürzester Zeit ist es erledigt. Wenig später erhalte ich eine interessante Auswertung über die aktuelle Stimmung im Gartenbau. Aber es gibt auch andere Statistikumfragen. Diese sind nicht freiwillig, dafür hochkompliziert und zeitraubend. Inzwischen packen wir es pragmatisch an. Stetig widerkehrende Umfragen werden als Kopien abgelegt. So haben wir eine Vorlage, mit deren Hilfe wir sie recht zügig ausgefüllt bekommen.
Kunden, die wiederholt größere Probleme haben, ihre Rechnungen zu begleichen, bitten wir schon mal, die Pflanzen direkt zu bezahlen. Eine saubere Sache könnte man glauben. Der Gesetzgeber sieht das anders. Schließlich könnte der Kunde Verbindlichkeiten haben, die vorrangig zu begleichen sind. In diesem Fall hätte ich das Geld gar nicht annehmen dürfen und muss es gegebenenfalls sogar zurückzahlen. Natürlich habe ich Verständnis, wenn Lohnzahlungen einen besonderen Schutz genießen, aber wie praxistauglich sind derartige Verordnungen?
Jeder Selbstständige hätte kein Problem, weitere Beispiele anzuführen. Gemeinsam könnten wir damit eine gesamte DEGA-Ausgabe füllen. Wir sind umringt von Zeitdieben, die uns von unserem eigentlichen Job abhalten, dem des Gärtnerns. Unsere Berufskollegen der Landwirtschaft trifft es noch härter, ähnliche Stimmen vernehme ich aus den Pflegeberufen mit umfassenden Aufzeichnungspflichten.
Sie werden Götz Neuber kaum kennen, einen engagierten Hobbyimker unserer Gemeinde. In seinen Vorträgen benennt er das Zusammenwirken vieler verschiedener Giftstoffe in oft nur kleinen Konzentrationen als größte Gefahr für Bienen und Insekten. Ähnliches gilt für unsere Familien- und kleineren mittelständischen Betriebe. Es ist nicht die eine Verordnung, es ist die Gesamtheit der Vorgaben, die uns die Freude an der Arbeit raubt.
Wer sich kleinere Familienbetriebe wünscht, der muss sich in diese hineinversetzen, ihnen zuhören und darf ihnen nicht den Boden unter den Füßen wegziehen. Wenn sich auch nach Regierungswechseln nichts ändert, so folgt Resignation und Politikverdrossenheit oder noch schlimmer: Der Nährboden für radikale Thesen wird bereitet.
Vom Gesetzgeber darf man erwarten, Aufwand und Nutzen sorgsam abzuwägen. Wer von anderen etwas verlangt, der muss zuvor einen Perspektivwechsel vornehmen und prüfen, ob es zumutbar ist. Wir sind auch keine Bittsteller, sondern Bürger, die für ihre finanziellen Zuwendungen in unterschiedlichster Form eine faire und zuvorkommende Behandlung erwarten dürfen.
Freundlichkeit – ein legaler Schmierstoff
Genug der Jammerei, was können wir tun? Freundlich, engagiert und pragmatisch sein, dieses sind unsere Instrumente. Stets freundlich zu bleiben, fällt manchmal schwer. Es ist aber der einzige legale und wirkungsvolle Schmierstoff bei bürokratischen Prozessen. Viele klagen über Baugenehmigungen, die sich über Jahre hinziehen. Unsere 3.000 m 2 große Versandhalle stand innerhalb von 15 Monaten von der Antrag- bis zur Fertigstellung. Zu bedanken haben wir uns beim Architekten, der die Unterlagen sorgsam zusammengestellt hat und dem Ansprechpartner im Kreishaus, mit dem wir im persönlichen Gespräch einen Zeitplan entwickelt haben. Zuvor hatten wir unsere betriebliche Situation dargestellt und gemeinsam entschieden, dass diese so nicht länger tragbar ist.
Ehrenämter gilt es zu dosieren. Wer jedoch gänzlich abtaucht, der überlässt das Feld anderen und verwirkt damit das Recht, sich zu beklagen. Meine Ehrenämter konzentrieren sich auf den Berufsstand, aber zeitlich überschaubare Aufgaben übernehme ich auch vor Ort, zum Beispiel als beratendes Mitglied im Finanz- und Wirtschaftsausschuss unserer Gemeinde. Themen und Positionen zu vertreten, ohne auf Wählerstimmen für sich und eine Fraktion achten zu müssen – dafür verzichte ich gerne auf das Stimmrecht. Ich möchte nicht für mich in Anspruch nehmen, dabei viel zu bewegen, aber man sollte den Einfluss auch nicht unterschätzen. Zumindest besitzt man ein Sprachrohr, um Themen kritisch anzusprechen und Kontakte, die manches erleichtern können.
Es gibt weitere Zeitfresser, auch in nicht behördlichen Bereichen: Spendenorganisationen pflegen einen regen Datenaustausch. Was kostet es, wenn unzählige Briefe mit Spendenaufrufen verschickt werden und woher kommt dieses Geld? Bei persönlicher Kontaktaufnahme zeigen wir, mit Ausnahme der örtlichen Vereine, die kalte Schulter. Allein die Prüfung, welche Organisation sauber und ohne größeren Verwaltungsetat agiert, erfordert Aufwand. Dieses vermeiden wir, indem wir ausgewählte Einrichtungen unterstützen, die unser Vertrauen genießen.
Warum schreibe ich diese Artikel? Es geht um Themen, die mich als Gärtner und Unternehmer beschäftigen, von denen eher selten zu lesen ist. Ein Stück weit geht es mir auch um persönliche Frustbewältigung. Jetzt geht es mir wieder besser – bis zum nächsten Erlebnis.
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