
Was ist mit KI im Gartenbau schon alles möglich?
Mit einer Veranstaltung zur Künstlichen Intelligenz (KI) stellte die Hochschule Weihenstephan wichtige Ergebnisse und Erfahrungen aus ihrem einjährigen KI-Projekt zu ChatGPT in der gärtnerischen Praxis und Fortbildung vor.
von Thomas Lohrer, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), Freising erschienen am 14.09.2024Mit seiner Keynote „KI und ChatGPT: Verbündete oder Gegner des Menschen?“ lieferte Thomas Lohrer, der die Veranstaltung auch organisierte, eine Reihe aktueller Fakten und interessanter Zusammenhänge. Rund 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen besuchten die Veranstaltung.
ChatGPT im gärtnerischen Betrieb und in der Fachschule
Von September 2023 bis August 2024 wurde von Sara Emmerich als Bearbeiterin das Projekt „Analyse und Bewertung des Einsatzes von KI-Chatbots wie ChatGPT in der gärtnerischen Praxis und Fortbildung (ACHOR)“ an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf durchgeführt. Gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus, sollte es die Anwendbarkeit und den Nutzen von KI-Chatbots unter Praxisbedingungen erforschen. An dem Projekt nahmen Meisterschüler und Lehrkräfte der Fach- und Meisterschule in Landshut-Schönbrunn und mehrere bayerische Gärtnereien im Zierpflanzenbau und Einzelhandel mit direktem Verkauf teil. In Gruppengesprächen, Interviews und Online-Befragungen wurden umfangreiche Daten gesammelt und ausgewertet.
Das Projekt bestand aus insgesamt vier Bausteinen zum Einsatz von ChatGPT:
- Einführung: „KI-Chatbots – wir nehmen Kontakt auf“
- Vertiefung: „Wie, wo, was: Bist du schon im ChatGPT-Expertenmodus?“
- Überprüfung: „Weiß ChatGPT wirklich alles? Wir machen den Faktencheck“ und
- Optimierung: „Auf der Suche nach dem besten Prompt – gibt es den für ChatGPT überhaupt?“
Im ersten Projektabschnitt zeigten die Teilnehmer sowohl Interesse als auch Vorsicht bezüglich der Zuverlässigkeit und Genauigkeit der KI-generierten Inhalte.
Im zweiten Teil zeigten Gruppengespräche und Interviews, dass GPT-4 detailliertere Antworten liefert als GPT-3.5, besonders bei komplexen Fragen. Die Teilnehmer probierten verschiedene Funktionen wie Textgenerierung und Informationssuche aus. Dabei wurden Fortschritte, aber auch Herausforderungen erkannt, etwa in der Bildverarbeitung.
Im dritten Teil des Projekts wurde die Genauigkeit und Verlässlichkeit von ChatGPT geprüft. Die Teilnehmer untersuchten, wie gut ChatGPT in Fachbereichen wie Pflanzenschutz, Bodenkunde und Recht präzise und aktuelle Informationen liefern konnte. Es zeigte sich, dass ChatGPT bei allgemein zugänglichem Wissen zuverlässige Antworten gab, jedoch bei spezifischen und komplexen Fachfragen, insbesondere im Pflanzenschutz, Schwächen offenbarte. So wurden teilweise veraltete oder nicht mehr zugelassene Pflanzenschutzmittel genannt.
Die Ergebnisse machen deutlich: ChatGPT kann ein nützliches Werkzeug sein, aber bei spezialisierten Aufgaben die menschliche Expertise nicht vollständig ersetzen. Notwendig ist, die Nutzung von ChatGPT bewusst und mit einem kritischen Blick auf die Qualität der gelieferten Informationen anzugehen.
Im vierten Teil zeigte sich: Einfache, präzise formulierte Prompts sind oft effektiver als komplexere Anweisungen. Teilnehmer berichteten von praktischen Anwendungen wie der Erstellung von Flyern und Gartenplänen. Sie verwiesen auch auf die Bedeutung von Prompts beim Einsatz visueller Tools wie DALL-E oder auch anderen GPTs.

Im Einsatz vor Ort: Der KI-Plantfinder
Jakob und Valentin Kiefl berichteten über Erfahrungen im Förderprojekt „Future Retail Store“ der Rid Stiftung mit ihrem Konzept der „Urban Gardeners“ (https://urban-gardeners.de) im Münchner Rathaus. Die beiden Brüder setzen im zur Verfügung gestellten Ladengeschäft am Münchner Marienplatz auf innovative, selbst programmierte Technologien wie interaktive Displays. Dazu gehört der „KI-Plantfinder“ als digitale Stele mit Touchfunktion. KI-gestützte Chatbots helfen bei der Pflanzenauswahl, um junge Erwachsene aus urbanen Gebieten als Kundschaft anzusprechen. Eine Reihe einfacher Filterfunktionen unter anderem zum Licht- und Bewässerungsanspruch erlauben eine individuelle Recherche. Auch können mittels Sprachchat direkt Fragen an den KI-Plantfinder gestellt werden. Größere Berührungsängste gab es bei der Kundschaft nicht. Die meisten Besucher lagen in der Alterskategorie von 20 bis 40 Jahren. Das im Geschäft angebotene Sortiment umfasste etwa 200 Pflanzen. Den Schwerpunkt bilden verständlicherweise Grünpflanzen. Das Portfolio wurde kontinuierlich angepasst. Darüber hinaus können sich die Besucher vor Ort dank eines 3D-Druckers individuell konfigurierte Übertöpfe, passgenau für die im Geschäft ausgewählten Pflanzen, oder auch Vasen herstellen lassen.
Das Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen begleitet den Future Retail Store wissenschaftlich. Dabei fließt das erfasste Kunden-Feedback zur Optimierung kontinuierlich in das Projekt zurück. Das Personal vor Ort setzte sich aus einem 15-köpfigen, überwiegend nichtgärtnerischen Team zusammen. Aufgrund des Geschäftsmodells und Dank der KI als Expertin im Hintergrund war dies möglich und führte zu keinen Schwierigkeiten im Tagesgeschäft. Die in der etwa halbjährigen Präsenzphase bis Mitte August 2024 in München gewonnenen Erkenntnisse fließen in ein erweitertes Konzept ein, das auch andere Zielgruppen wie ältere Personen integrieren soll. Eine Umsetzung im elterlichen Gartencenter Kiefl in Gauting bei München ist für den Jahresbeginn 2025 geplant.
KI-Anwendungen jenseits von ChatGPT
In ihrem Vortrag „KI-Tools im Überblick: Anwendungen und Praxisbeispiele jenseits von ChatGPT“ stellten Laura Popig und Marion Strauß von der Bibliothek der HSWT Tools vor, die auch im Gartenbau erfolgreich einsetzbar sind und zu Verbesserungen im Arbeitsablauf führen.
So bietet sich für die Auswertung von Versuchsdaten – demonstriert am Beispiel einer hochgeladenen Excel-Datei – der Data Analyst von ChatGPT an, der ähnlich wie Dall-E (zur Bildgenerierung) als wählbarer GPT angeboten wird. Die Dateien können analysiert und dialogbasiert ausgewertet werden.
Einen größeren Bekanntheits- und Nutzungsgrad besitzt Perplexity, das als KI-gestützte Suchmaschine und Wissensplattform schnelle und präzise Antworten auch auf komplexe Fragen generiert (https://www.perplexity.ai).
Für den akademischen und wissenschaftlichen Bereich bietet sich eine Literaturrecherche bei Research Rabbit an. Möglich ist eine visualisierte Darstellung zur Vernetzung relevanter Veröffentlichungen beispielsweise über die Autoren der jeweiligen Quellen (https://www.researchrabbit.ai).
Das Tool Gamma (https://gamma.app) unterstützt den Anwender bei der Erstellung interaktiver Präsentationen – beispielsweise in PowerPoint – und anderer Dokumente. Mit seiner Hilfe lassen sich visuell ansprechende Inhalte auf einfache Weise erstellen.
Der Designer von Microsoft (https://designer.microsoft.com) versteht sich als Grafikdesign- und Bildbearbeitungs-App mit dessen Hilfe der Nutzer sich leicht Bilder, ein Design oder Sticker generieren lassen kann.
Für die Erstellung einfacher Erklärvideos kann der „simpleshow video maker“ genutzt werden (https://simpleshow.com). Er zeichnet sich durch einen charakteristischen Stil aus, bei dem gezeichnete Illustrationen ins Bild gebracht oder weggewischt werden, was den Eindruck einer animierten, aber handgemachten Präsentation vermittelt. Eine auf diese Weise zu einem Thema erstellte Bildergeschichte besitzt die klassischen Elemente eines „Visual Storytelling“ und lenkt die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf wichtige Kernaussagen und Zusammenhänge.
Viele der genannten Tools sind in einer kostenlosen Basisversion erhältlich. Bei einem größeren Workload, der Nutzung zusätzlicher Einstellungen oder einer schnelleren Generierung gibt es meist abgestuft kostenpflichtige Modellvarianten.
Der von der US-Firma OpenAI im November 2022 eingeführte ChatGPT hat zu einem länder- und branchenübergreifenden neuen Erwachen des Interesses an der künstlichen Intelligenz (KI) geführt. Aktuell nutzen weltweit über 180 Millionen registrierte Personen den KI-Chatbot.
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