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Jens Schachtschneiders Praxisgedanken (34)

Endlich Frühling

Es gibt viele gute Gründe Pflanzen zu kaufen. Freude an der Blütenpracht, Sichtschutz zum Nachbarn, leckeres Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten oder als wunderbares Gastgeschenk. Es gibt noch eine weitere Motivation, weswegen Kunden zu uns kommen.

von Jens Schachtschneider, Neerstedt erschienen am 08.04.2025
Der Garten ist Ort der Begegnung; mit der Familie und der Natur. © GMH/Bettina Banse
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Es geht den Kunden dabei nicht nur um Pflanzen, sondern um viel mehr. „Wenn du den Gesang eines Vogels hören willst, dann kaufe keinen Käfig, sondern pflanze einen Baum.“ Welch ein wunderbares Zitat! An dieser Stelle könnte ich bereits meinen Text beenden. 16 Wörter, die alles sagen. Der Natur Lebensräume zurückgeben, statt ihnen diese immer mehr zu rauben. Und Wege finden, wie wir gemeinsam mit dieser im Einklang leben. Im Garten kann jeder seinen Beitrag leisten und selbst als Belohnung ein Stück Natur erspüren, von der wir uns so sehr entfremdet haben. 

Endlich ist Frühling! Für mich die schönste Jahreszeit, auch wenn sie für uns Gärtner mit viel Arbeit verbunden ist. Die Natur erwacht, zunächst blühen die Blumenzwiebeln auf, wenig später treiben die ersten Stauden und Gehölze aus. Welch ein Naturschauspiel und nicht nur das! Die bereits angesprochenen Vögel erfreuen uns mit ihrem Gesang. In unserem Garten ist bereits seit Ende Februar wieder eine größere Kolonie von Feuerwanzen aktiv. Herrliche kleine Tierchen, die sich insbesondere im Totholzbereich pudelwohl fühlen.

Bald werde ich wieder in unserem kleinen, schönen Garten-Gewächshaus neun Tomaten- sowie zwei Gurkenpflanzen setzen und mehrfach Sätze von Radieschen und Salat anbauen. Ich kann es kaum erwarten! Dabei ist dieses Glashaus mit einem Quadratmeterpreis von über 1.000 Euro wirtschaftlich betrachtet die dümmste Investition meines Lebens. Sicher hätte unser Edeka-Marktleiter im Dorf meiner Frau und mir für diesen fünfstelligen Betrag eine lebenslange Tomaten- und Gurkenflatrate angeboten. Dieses sogar ganzjährig und nicht nur für die paar Erntemonate bei uns. Wenn mir eine eigene Ernte so wichtig ist, so könnte ich ebenso im nahen Betrieb ein paar Quadratmeter für Gemüsepflanzen in eines der Häuser abtrennen, der Gießdienst wäre inkludiert. Beides kam mir nicht in den Sinn. Denn es geht mir nicht nur um die Ernte. Sondern um die Lust des Gärtnerns bei uns daheim im Garten. Dieses ursprüngliche Erlebnis, ganz entspannt ohne jeden ökonomischen Druck – Wellness für die Seele.       

Das Hobbygärtnern zählt zu den wohl interaktivsten Tätigkeiten, die man sich vorstellen kann. Hautnah erleben wir die Natur. Dabei entdeckt man täglich neues, soweit wir denn all unsere Sinne nutzen. So wusste bereits Karl Foerster „Man geht nie zweimal in denselben Garten.“ Natürlich ärgert man sich über Läuse an den Rosen. Vielleicht wurden diese bereits von Marienkäfern entdeckt und erfreuen sich an dieser Köstlichkeit. Wir müssen nicht in die Serengeti reisen, um Raubtiere zu beobachten. Gleiches spielt sich bei uns täglich im Vorgarten ab. Wir müssen es nur sehen (wollen).

„Vielfach nehmen wir kaum noch wahr, in welcher schönen Umgebung wir arbeiten dürfen“ Jens Schachtschneider

Diese Betrachtung mag mancher Gärtnerkollege als romantisch verklärt empfinden. Schließlich bedeutet unser Beruf für viele von uns tagein tagaus harte Arbeit. Kein Widerspruch – leider. Vielfach nehmen wir kaum noch wahr, in welcher schönen Umgebung wir arbeiten dürfen. In einem harten Wettbewerb streben wir nach der optimalen Qualität zu einem möglichst günstigen Preis. Mit immer neuen Sorten hoffen wir unsere Kunden zum Kauf zu stimulieren. Emotionale Etiketten sorgen für zusätzliche Aufmerksamkeit. Wir halten für den Kunden Fachinformationen parat und erklären ihm, was er seinen Pflanzen Gutes tun kann. Landschaftsgärtner erstellen herrliche Grillplätze. Ebenso darf eine Terrassenüberdachung nicht fehlen – heute als Schutz vor Sonne und morgen vor Regen. Nichts davon will ich in Abrede stellen, schließlich praktizieren wir vieles davon ebenso in unserem Betrieb.

Dennoch sei eine selbstkritische Frage erlaubt: Erreichen wir damit alle Gartenfreunde? Entrücken wir gar die Menschen noch weiter von der Natur? Ausgerechnet im Garten, wo sich doch die großartige Chance bietet, unsere natürliche Umgebung im Nahkontakt zu erleben. Wie viele Kinder haben noch nie in ihrem Leben Kaulquappen gesehen und glauben das Kartoffeln an Bäumen hängen? Mit unseren „Fertiggerichten“ des Gartenbaus tragen wir zu diesem Missstand bei. Zu meiner Lehrzeit endete noch die Pflanzzeit für Rosen Anfang Mai. Der Kunde erlebte dann im Garten, wie sich die Pflanzen in den kommenden Wochen entwickeln, um dann farbenfroh aufzublühen. Nein, dieses ist kein Aufruf, die Zeit zurückzudrehen. Es darf uns jedoch nicht erstaunen, dass sich der gärtnerische Kenntnisstand vieler Kunden reduziert hat.

Verschenken wir also ein spannendes Gartenthema mit unserer stetig wachsenden gärtnerischen Perfektion, indem wir dabei den Kunden die gärtnerischen Erfolgs- und Naturerlebnisse entziehen? In unseren Einzelhandelsgärtnereien und Gartencentern wird der Kunde von floralen Emotionen geradezu erschlagen. Das Thema „Natur erleben“ wird hingegen kaum bespielt. Na klar, wir drucken „bienenfreundlich“ bei Salbei und Co. auf das Etikett. Ebenso wie Insektenhotels schwer in Mode waren, jedoch bis heute vielfach unbewohnbar für das Zielpublikum. Es ist wichtiger, dass es uns Menschen gefällt. Es geht uns also weniger um die Natur als um das Verkaufen. Es reicht nicht, wenn wir Schmetterlingspflanzen bewerben. Wenn wir der Natur tatsächlich etwas Gutes tun wollen, so müssen wir den Gartenfreunden auch aufzeigen, wie und wo sie im Garten für die weiteren Stadien des Insektes eine Kinderstube einrichten.    

Wie wäre es mit folgender Definition: Der Garten ist ein gemeinschaftlicher Lebensraum von Pflanze, Tier und Mensch. Er bietet uns die Chance zu beobachten, wie Flora und Fauna sich in den Jahreszeiten entwickeln. Wir gestalten und verändern den Garten, ebenso ernten wir davon. Es erfreut uns mit Stolz, wenn etwas besonders gut gelingt und lernen dazu, wenn dieses nicht der Fall ist.

Nachbarn, Freunde und Verwandte werden nicht direkt zu den Sitzgelegenheiten auf der Terrasse geführt, sondern wir begeben uns zunächst mit ihnen auf den Erlebnispfad durch den Garten. Naschen gemeinsam von den Stachelbeeren, sammeln unterwegs noch ein paar Minzblätter und genießen diese unmittelbar als Tee. Auf dem Rückweg führt der Weg an den drei Hühnern vorbei, um ein paar Salatblätter über den kleinen Zaun zu werfen. All das erinnert mich an die Besuche bei unseren Großeltern in Kindheitstagen. Diese hatten einen solchen Erlebnisgarten, in dem wir Enkel gerne spielten, auch mal mithalfen und dabei vieles über die Natur hautnah erfuhren. Dieser Garten war weder groß noch perfekt, es gab nicht mal eine Terrasse. Bei schönem Wetter setzten wir uns direkt und die Älteren mit Stühlen auf den Rasen. Der Garten als Ort der Begegnung; mit der Familie und der Natur.

Soweit diese Gedanken. Zugegeben, ein wenig wild und unsortiert. Sie zeigen auf, der Garten ist weit mehr als Blütenzauber und Grillplatz. Und vor allem, er gehört nicht uns allein. Bereits Albert Schweitzer wusste, „Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Uns Gärtner kommt dabei eine zentrale, vermittelnde Rolle zu. Wir sind in gewisser Weise Botschafter des Glücks. Ich bleibe dabei und jetzt noch mehr: Wir Gärtner haben den schönsten Beruf der Welt, aber das sagte ich ja bereits in ähnlicher Form an anderer Stelle.

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