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Interview mit Bertram Fleischer

„Es kommt auf das persönliche Gespräch an"

Mitte Januar erschien der Jahresbericht 2017 des Zentralverbands Gartenbau (ZVG), der die vielfältige Arbeit in der Interessensvertretung der grünen Branche aufzeigt. Anlass, mit Bertram Fleischer, Generalsekretär des ZVG, ins Gespräch über die Verbandsarbeit zu kommen.
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Verbandsarbeit bedeutet vor allem, Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen. Hier auf der Internationalen Grünen Woche 2018 (von links): Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, und Bundesagrarminister Christian Schmidt werden von der Deutschen Blumenfee Lisa Bartels und dem geschäftsführenden Vorstand des ZVG empfangen – Jürgen Mertz, Präsident, Hartmut Weimann, Vizepräsident und Wilhelm Böck, Vizepräsident.
Verbandsarbeit bedeutet vor allem, Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen. Hier auf der Internationalen Grünen Woche 2018 (von links): Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, und Bundesagrarminister Christian Schmidt werden von der Deutschen Blumenfee Lisa Bartels und dem geschäftsführenden Vorstand des ZVG empfangen – Jürgen Mertz, Präsident, Hartmut Weimann, Vizepräsident und Wilhelm Böck, Vizepräsident.(c)2017 Thomas Rafalzyk
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DEGA: Der Jahresbericht 2017 zeigt die große Bandbreite der Arbeit des ZVG. Wie kommen Sie mit der immensen Themenbreite als Verband zurecht?

Bertram Fleischer: Die Themenbreite geht auf die Vielfalt der Branche und ihrer Sparten zurück. Wir haben Mitglieder aus den Bereichen von der Produktion über den Handel bis hin zur Dienstleistung. Und in jedem Bereich gibt es wieder eine eigene Vielfalt: In der Produktion zum Beispiel mit Obst, Gemüse, Zierpflanzen, Stauden und Gehölzen. Den Mitgliedern wollen wir mit dem Jahresbericht aus der vielfältigen Arbeit des ZVG etwas vermitteln. Ja, die Themenfülle ist eine echte Herausforderung! Die Palette ist schon breit und sie wird immer noch breiter. Nicht einfach für die Verbandsarbeit ist dabei, dass die Betriebe weniger werden, die Anforderungen an die Verbände gleichzeitig steigen. Wir bedienen ja die verschiedenen politischen Ebenen bis hin zu Europa. Für den Umgang mit der Themenfülle gibt es sicherlich kein Patentrezept, uns helfen aber langjährige Erfahrungen.

Auch wenn das jeder im Jahresbericht nachlesen kann: Welches sind die im vergangenen Jahr und heute besonders wichtigen politischen Themen?

Bertram Fleischer: Da schauen wir am besten einmal in den Koalitionsvertrag. Da ist zunächst sehr positiv zu werten: Der Gartenbau hat einen eigenen Abschnitt bekommen. Unabhängig davon, was dann konkret im Vertrag steht, ist das eine besondere Wertschätzung der Branche, die wir auch als Wertschätzung unserer Verbandsarbeit sehen. Dann sind im Koalitionsvertrag auch wichtige Themen genannt: Das Bundesprogramm Energieeffizienz, das Thema Torfschutzstrategie, auch der Pflanzenschutz mit der personellen Aufstockung der Behörden und dem Ziel, dass die Zulassungsarbeit schneller geschehen kann. All das sind Themen, die wir fortlaufend und auf ganz unterschiedlichen Ebenen immer wieder an die Politik herangetragen haben.

Welche besonderen Aktionen gab es letztes Jahr im Blick auf die anstehende Bundestagswahl?

Bertram Fleischer: Anfang letzten Jahres, zeitiger als andere Verbände, haben wir ein großes Positionspapier zur Bundestagswahl gemacht. Es gab dazu zusätzlich eine Kurzfassung. Beides war dafür gedacht, immer wieder auf allen Ebenen, auch von unseren Landesverbänden, als fundierte Unterlage an die Politik weitergegeben werden zu können. Zum Beispiel dann, wenn Politiker in die Betriebe kommen, was ja erfreulich oft geschieht. Der frühe Beginn dieser Aktion zur Bundestagswahl hat sich gelohnt, wie wir daran sehen, dass der Gartenbau so klar im Koalitionsvertrag vorkommt. Wir haben unsere Themen über mehrere Monate immer wieder vorgebracht. Wir haben dann vor den Sondierungsverhandlungen daraus nochmals fünf, sechs Kernthemen aus unserem Papier entnommen, nochmals fokussiert und heruntergebrochen und der Politik nochmals zur Verfügung gestellt, denn in dieser Phase hat kein Politiker Zeit, um umfangreiche Papiere zu lesen.

Nun sprechen viele Branchen mit ihren Themen bei der Politik vor. Was kann der Gartenbau da tun, um gehört zu werden?

Bertram Fleischer: Zunächst – Lobbying funktioniert nicht einfach mit schönen bunten Bildchen in tollen Broschüren, manche meinen, das genügt, so geht das aber nicht. Es kommt auf das persönliche Gespräch an! So haben wir unsere Themen immer wieder persönlich wiederholt, auch vor den Koalitionsverhandlungen nochmal, denn man kann von keinem Politiker erwarten, dass er, wenn die Entscheidungen getroffen werden, gerade das Thema im Kopf hat, das uns wichtig ist. Das gilt auch für die Agrarspezialisten, auch bei diesen haben wir wiederholt vorgesprochen, denn die sind nachvollziehbarerweise oft recht landwirtschaftsorientiert. Man kann da nicht automatisch erwarten, dass die Wünsche des Gartenbaus immer gleich präsent sind.

Fragen die Politiker umgekehrt auch selbst nach den Wünschen der Branche?

Bertram Fleischer: Das ist sicher nicht ständig der Fall, kommt aber regelmäßig vor. Kurz vor Ende der Koalitionsverhandlungen zum Beispiel bekamen wir die Bitte eines Verhandlungsteilnehmers: Ich brauche nochmals Euer Anliegen in ein, zwei Sätzen. Was sind Eure drei Kernanliegen, die Ihr unbedingt dabei haben wollt? Da war also selbst die Kurzfassung unserer Forderungen noch zu lang. Wenn sich die Politik bei uns als Verband meldet, dann deshalb, weil der ZVG seit vielen Jahren gut verdrahtet und aufgestellt ist. Solche guten Beziehungen entstehen nicht mit einem „wir treffen uns mal", sondern nur über jahrelange Arbeit und Vertrauensbildung.

Wie beurteilen Sie nun die Ergebnisse des Koalitionsvertrags für den Gartenbau?

Bertram Fleischer: Da sind wir mit einigem durchaus sehr zufrieden. Das Bundesprogramm Energieeffizienz wird verlängert, das ist toll, dafür haben wir intensiv geworben, weil dieses Programm ein echtes Erfolgsprojekt ist. Da war auch große Offenheit dann da vonseiten der Politik, schließlich profitiert sie auch davon. Die Politik zeigt damit, dass sie etwas für den Klimaschutz und für Energieeinsparung tut. Auch die Torfschutzstrategie ist nicht vom Himmel gefallen. Die Forderungen darin kommen von uns, hier haben wir der Politik schon lange in Gesprächen vermitteln können: wenn ihr fordert, dass die Torfverwendung eingeschränkt wird, sprechen wir gerne darüber, aber wir erwarten dann auch Unterstützung bei der Frage: Wie kann das gehen? Wo kommen die Alternativen zu Torf her? Nicht von allem sind wir da nun begeistert: Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, die Reststoffverwertung für die Bioenergie zu verstärken. Da schrillen bei uns die Alarmglocken, denn die Reststoffe werden teils ja eben auch gebraucht, wenn wir uns um Torfalternativen bemühen. Wenn geeignete Reststoffe dann in andere Bereiche abfließen, gibt es natürlich Konfrontationspunkte.

Gibt es weitere für den Gartenbau wichtige Themen im Koalitionsvertrag?

Bertram Fleischer: Es finden sich dort auch Digitalisierung, Aus- und Fortbildung und eine Weiterbildungsstrategie für grüne Berufe – das ist super! Wie viel uns das nützt, hängt natürlich dann von der konkreten Ausgestaltung ab. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung ist dabei eine Art semipolitisches Thema, denn da ist erst einmal der Berufsstand gefragt, Leute für den Gartenbau zu begeistern. Da ist der ZVG ja auch mit seiner Nachwuchswerbekampagne sehr aktiv. Auch beim Gartenbautag 2017 war das Thema Arbeit ebenfalls sehr präsent.

Und fehlen Ihnen wichtige Themen?

Bertram Fleischer: Sehr gewünscht haben wir uns, dass der Koalitionsvertrag auch das Risikomanagement anspricht. Das haben wir schon seit Jahren auf verschiedenen Ebenen gefordert ebenso wie der Deutsche Bauernverband. Risikomanagement kann ja verschiedenes bedeuten, sowohl den Umgang mit den Folgen von Elementarschäden wie Frost im letzten Jahr beim Obst, als auch mit den Folgen von Quarantäneschädlingen. Eine Risikoausgleichsrücklage ist schon beim letzten Koalitionsvertrag kurz vor Ende der Verhandlungen wieder herausgestrichen worden. Dieses Mal ist das Thema Risikomanagement auch wieder nicht drin, das ist schade, ganz unabhängig davon, wie es umgesetzt werden kann.

Sie sprachen eben davon, dass es beim Risikomanagement bei den Landwirten ähnliche Wünsche gibt. Wie sehen Sie die Möglichkeiten der verbandlichen Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft?

Bertram Fleischer: Wir haben die Zusammenarbeit angestrebt bei der Pflanzenquarantäne, da ist die Landwirtschaft allerdings bis auf Kartoffeln nicht betroffen. Von daher ist ein gemeinsamer Weg gar nicht so einfach. Man sieht da durchaus auch die Dominanz der Landwirtschaft in der politischen Wahrnehmung, denn vonseiten der Politik wird zum Risikomanagement immer wieder auch gesagt: Ihr habt doch die GAP als eine Art Risikoabsicherung für die Betriebe. Das stimmt zwar grundsätzlich, bei dieser flächenbezogenen Lösung profitiert der Gartenbau aber nur partiell. Die Zierpflanzenbetriebe zum Beispiel fallen fast komplett aus der GAP-Förderung raus und wären damit auch von der Förderung ausgenommen.

Wie sehen Sie die Entwicklung bei der Gartenbauforschung?

Bertram Fleischer: Hinsichtlich der Agrar- und Gartenbauforschung hätte ich mir im Koalitionsvertrag mehr und klarere Aussagen gewünscht. Es gibt allgemeinere Ankündigungen, dass man die Forschung stärken wolle. Abzuwarten bleibt, was damit für den landwirtschaftlich-gärtnerischen Bereich möglich wird.

Ein ebenfalls alles andere als einfaches Thema für den Gartenbau ist die Zukunft der berufsspezifischen Studiengänge. Ist die negative Entwicklung gerade an den Universitäten nicht längst unumkehrbar, weil die Zahl der Professoren und Lehrstühle mittlerweile zu klein ist? Gelegentlich ist die Idee zu hören, dass die Bundesregierung ein Gartenbaustudium gemeinsam mit irgendeinem Land finanzieren könnte.

Bertram Fleischer: Als ZVG sind wir bei dem Thema sehr engagiert. Wir haben zum Beispiel seit ein paar Jahren einen runden Tisch mit der Wissenschaft, um zu diskutieren, wie es weitergehen kann. Die Entwicklungen laufen dabei schnell und sicherlich ist es wichtig, dass wir da mit neuen Konzepten und Ideen noch schneller werden als bisher, übrigens auch vonseiten der Wissenschaft selbst. Bei der DGG werden ja aktuell verschiedene Ansätze diskutiert, wie die Gartenbauwissenschaft an den Universitäten gerettet werden kann. Den Vorschlag einer Bund-Länder-Finanzierung für eine Gartenbau-Fakultät halte ich aufgrund, des bestehenden verfassungsrechtlichen Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern für sehr schwierig.

Gleichzeitig wird ja eine stärkere Vernetzung der Universitäten beziehungsweise die Eingliederung des Gartenbaus in den Agrarbereich mit eigenen Lehrstühlen diskutiert. Wir sind beim ZVG sehr gespannt, wie sich die DGG hierzu entscheiden wird. Darüber hinaus lohnt es sich für den Gartenbau auch, die Augen aufzuhalten für andere Studiengänge, die für die Branche spannend sind, denken wir zum Beispiel an Biotechnologie oder Pflanzengenetik.

Wie sehen Sie die Bedeutung politischer Verbandsarbeit für den Verband in der heutigen Zeit? Manche Entwicklung zeigt, dass politische Entscheidungen überlagert werden von anderen, weil beispielsweise große Handelsketten ihren Lieferanten strengere Auflagen machen als dies die Gesetze vorsehen.

Bertram Fleischer: Auch hier zeigt sich, die Arbeit für Verbände wird nicht gerade leichter. Wir sind in Fake-News-Zeiten. Das zeigt sich beispielsweise beim Thema Glyphosat, wo viele Halbwahrheiten und auch Falsches im Umlauf sind. Bei der Diskussion über solche Themen stehen wir in kritisch-konstruktiver Auseinandersetzung auch mit den NGOs. Die ist, wenn es um die Vermittlung unterschiedlicher Sichtweisen in die Gesellschaft geht, für einen Berufsverband alles andere als einfach. Die Kommunikationsleistung von NGOs ist im Vergleich zu dem, was ein Berufsverband bieten kann, bedeutend größer. Dort gibt es mittlerweile Kampagnenmanager mit einem Stab von Mitarbeitern, wir haben für ein Pressereferat eine einzelne Person. Die Frage ist, mit welchen NGOs man auf eine gute Art und Weise bei aller kritischen Distanz zusammenarbeiten kann. Miteinanderreden ist da unbedingt wichtig. Es gab schon immer wieder verschiedene Dialoge zwischen NGOs und grünen Verbänden, die recht konstruktiv verlaufen sind. Fakt dabei ist, wir können nicht einfach lamentieren, wenn wir feststellen, dass der Druck auf die Verbandsarbeit in einer von Fake-News beeinflussten Welt immer höher wird und man teilweise auch mit fachlich richtigen Argumenten ganz schwer durchdringt.

Letztendlich geht es da um die Frage, wie Verbände nicht nur ihre Mitglieder, sondern auch die breite Öffentlichkeit erreichen.

Bertram Fleischer : Wir gehen im Rahmen des Möglichen auf die Verbraucher zu. So sind wir zum Beispiel auf der Grünen Woche aktiv, dieses Jahr mit einem Gewächshaus mit Tomaten, das war ein absoluter Publikumsmagnet. Daneben haben unsere Kolleginnen mit dem Thema Einsatz von Nützlingen die Ausbildung im Gartenbau vorgestellt, über 350 Schüler sind gekommen. Da wurde auch sehr deutlich, wie viel der Gartenbau bereits mit biologischem Pflanzenschutz macht!

Mittlerweile wird der Großteil der Entscheidungen in der Landwirtschaftspolitik auf EU-Ebene getroffen. Inwieweit ist da eine nationale politische Verbandsarbeit noch zielführend?

Bertram Fleischer : Die Landwirtschaftspolitik ist der einzige komplett vergemeinschaftete Politikbereich in der EU, das stimmt. Trotzdem: die Entscheidungsprozesse laufen nicht abgeschnitten von den Nationalstaaten. Unsere eigene Europaarbeit machen wir auch nicht nur mit dem Blick auf die Entscheidungen in Brüssel. Der entscheidende Punkt ist, wie verlaufen die Prozesse zwischen den Nationalstaaten und der EU. Da wollen wir natürlich auf die deutsche Seite einwirken, damit diese ihre Position auf der Brüsseler Ebene einnimmt. Dass sich bei 28 Mitgliedsstaaten der EU nicht immer die deutsche Position durchsetzen kann, ist auch klar. Aber manchmal kommt ja auch von anderer Seite Positives, man darf da kein EU-Bashing betreiben. Wir haben das letztes Jahr gesehen, als es die Überprüfung der Umsetzung des Pflanzenschutzrechts in Deutschland gab. Dabei wurde festgestellt, dass bei uns die Genehmigungsprozesse außerordentlich lang dauern. In der Folge wurde Deutschland aufgefordert, etwas für die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren zu tun.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit anderen nationalen Gartenbauverbänden in Europa, gerade im Bereich Produktion aus?

Bertram Fleischer: Wir pflegen einen sehr intensiven Austausch mit befreundeten Verbänden aus Europa. Zum einen über das Netzwerk von COPA/COGECA, aber auch bilateral. So laden wir zum Beispiel in einem regelmäßigen Rhythmus zum internationalen Verbändetreffen zur IPM nach Essen ein. Aber auch bei Schwerpunktthemen, wie dem Pflanzenschutz, beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz und in der Absatzförderung suchen wir einen engen Schulterschluss. Insbesondere mit den Kollegen in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Österreich läuft das sehr vertrauensvoll.

Ein Reizthema war in der letzten Zeit die Frage: Inwiefern ist der ZVG noch Dachverband der grünen Branche, nachdem sich die eine oder andere Sparte selbstständig gemacht hat oder machen will?

Bertram Fleischer: Ich habe das Gefühl, dass mit dem Begriff „Dachverband" für manche ein Dominanzgebahren verbunden ist. Dieses sehe ich aber gar nicht. Im ZVG sehe ich, dass wir ganz vielfältige Interessen des Gartenbaus vertreten. Das umfasst in der Produktion Obst, Gemüse, Stauden, Gehölze und Zierpflanzen. Übrigens bleibt uns der Bereich Baumschulen selbst dann erhalten, falls der BdB austreten sollte – in unseren Landesverbänden sind Betriebe aller Sparten vertreten. Und natürlich vertreten wir deren Interesse weiterhin! Das liegt auch inhaltlich nahe, denn viele Produktionsthemen sind spartenübergreifend relevant. Wir vertreten darüber hinaus die Mitglieder der Handelsverbände mit Endverkaufsbetrieben und Gartencentern und deren Themen. Und im Dienstleistungsbereich sind wir für die Friedhofsgärtner da, die zunehmend auch landschaftsgärtnerische Leistungen anbieten, ohne dass damit im Feld anderer gewildert wird. Wenn wir alle unsere Mitglieder sehen, ist klar: Natürlich sind wir ein Dachverband! Wir sind das Dach unserer Landesverbände. Und wir haben unter unserem Dach eine Vielzahl anderer Verbände, die es sehr begrüßen, mit dem ZVG zusammenzuarbeiten und von dessen Netzwerk zu profitieren.

Diskussionen entzünden sich wohl weniger am Begriff des Dachverbands an sich, sondern daran, ob sich der ZVG als EIN Dachverband oder als DER Dachverband versteht.

Bertram Fleischer: Die Diskussion darüber ist überflüssig, sie spielt in der konkreten Verbandsarbeit keine Rolle. Wir haben regelmäßig Kontakt mit dem BGL. Die Treffen verlaufen sehr positiv und vertrauensstärkend. Ich schaue da auch gar nicht darauf, was in der Vergangenheit gewesen ist. Da diskutieren wir überhaupt nicht über die Frage, ob der ZVG der Dachverband ist, das interessiert überhaupt keinen. Der BGL macht seine sehr gute Arbeit für seine Betriebe und ist sehr gut aufgestellt. Und der ZVG macht seine Arbeit für seine Betriebe und die macht er auch sehr gut und ist auch sehr gut aufgestellt. Da kommen wir uns nicht in die Quere, sondern fragen: Wo sind die Themen, die beide Verbände betreffen. Wo können wir zusammenarbeiten? Wir arbeiten seit Jahren schon sehr gut im Bildungsbereich zusammen. Da sitzen wir jeweils in den Bildungsausschüssen des anderen Verbands. Auch bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung arbeiten wir eng zusammen. Also, die Diskussion über die Frage eines „Dachverbands" interessiert nicht. Wir sind ein Verband und vertreten die Interessen unserer Mitglieder. Wir haben eine ganz große Bandbreite, die größer ist als bei anderen grünen Verbänden, was natürlich auch eine besondere Herausforderung und schwerer ist, als wenn wir nur eine einzige gärtnerische Sparte vertreten würden. Dass wir beispielsweise die Erzeuger von Obst und Gemüse, die ein großes Gewicht haben, vertreten, hilft uns dabei wiederum insgesamt sehr, weil wir dadurch ganz anders gegenüber der Politik auftreten können als ein reiner Spartenverband.

Und wie sehen Sie die Forderungen nach einem „Grünen Dach" der Bundesverbände? Auf Landesebene gibt es das mittlerweile ja schon mehrfach.

Bertram Fleischer: Die Forderung nach einem Grünen Dach ist letztendlich Semantik. Die Politik kann recht gut damit umgehen, dass verschiedene Verbände mit ihren spezifischen Anliegen auf sie zukommen. Übrigens gibt es auch auf Landesebene keine echten grünen Dächer, da gibt es Landesvereinigungen, die Verbände arbeiten in ihren jeweiligen Bereichen für ihre Mitglieder und treten auch als separate Verbände auf und mehr oder weniger regelmäßig vertritt man dann Anliegen, die es gemeinsam gibt, zusammen gegenüber der Politik. Das ist vollkommen sinnvoll. Vor diesem Hintergrund sehen wir im ZVG auch die geplante gemeinsame „Initiative Grün – Für Stadt und Land" mit dem BGL, dem BdLA und dem BdB als sehr positiv. Und im Übrigen auch bei der Vorbereitung und Durchführung von Gartenschauen treffen sich die verschiedenen Gartenbausparten und Verbände und arbeiten auch öffentlichkeitswirksam gut zusammen.

Zum Schluss noch die Frage nach einer weiteren Herausforderung: Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist nicht mehr groß. Was können Sie als Verband tun, um das positiv zu beeinflussen?

Bertram Fleischer: Wir haben es da mit einem gesellschaftlichen Trend zu tun, das ist nicht nur etwas, was unseren Berufsstand betrifft. Früher war es selbstverständlich, bei den großen Vereinen am Ort Mitglied zu sein und sich zu beteiligen. Das wird immer weniger, und das ist natürlich auch bei uns so. Ich kann es völlig nachvollziehen, dass es für einen Betriebsinhaber schwer ist, sich von seinem Betrieb loszureißen. Zwei Chancen sehe ich, zum einen bei den Jungen, zum anderen bei den Älteren. Die jungen Betriebsinhaber wissen oft gar nicht, was so ein Berufsverband tut und leistet. Dann kann natürlich auch keine Bereitschaft zur Mitarbeit da sein. Deshalb haben wir letztes Jahr zum ersten Mal junge Leute in der Phase der Übernahme eines Betriebs eingeladen, um ihnen zu zeigen, wie spannend Verbandsarbeit ist. Die waren zwei Tage hier, verschiedene Kollegen haben ihren Fachbereich vorgestellt. Auch die politische Arbeit wurde vermittelt, wir sind zu Ministerien, Landesvertretungen und auch Fraktionen gegangen. Dann haben wir noch ein Seminar zur Betriebsübernahme angehängt. Die Teilnehmer gaben sehr positive Rückmeldungen. Das war also so etwas wie eine nachhaltige Mitarbeiterwerbekampagne. Wegen des Erfolgs wollen wir das auch wiederholen. Und wenn wir die Älteren anschauen: Es ist eine tolle Sache, wenn die ihren Betrieb an die nächste Generation übergeben und neue Freiräume haben und dann sagen: Ich will meine Erfahrungen weitergeben und habe jetzt auch die Zeit dafür. Die Älteren laden wir deshalb ebenso herzlich wie die Jüngeren ein, sich einzubringen!

Jahresbericht des ZVG

Viele Themen

Der Zentralverband Gartenbau (ZVG) hat für das Jahr 2017 Bilanz gezogen. In seinem Jahresbericht berichtet der ZVG über die Themen, die den Dachverband und seine Mitgliedsverbände über das Jahr hinweg beschäftigt haben. Diese reichen von Landtagswahlen und der Bundestagswahl über die IGA Berlin 2017 zu den Herausforderungen für die grüne Branche, zu denen insbesondere die Nachwuchswerbung, der Wandel der Arbeitswelt, die Pflanzenschutzmittelzulassung, Steuerreformen und die Situation der Hochschulen zählt. Der Jahresbericht findet sich über folgenden Link sowie über den QR-Code im Internet: www.g-net.de/files/download/ZVG_Jahresbericht_2017.pdf.

 

Der Interviewpartner
Bertram Fleischer ist seit November 2014 beim Zentralverband Gartenbau tätig, seit Anfang 2015 als Generalsekretär. Der 47-Jährige ist im sächsischen Freiberg geboren. Er studierte in Bonn Politik, Jura und Psychologie, außerdem in einem Aufbaustudium Betriebswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen. Vier Jahre war er in der Kommunikationsberatung, Marketing und Pressearbeit tätig. Von 2002 bis 2005 war Bertram Fleischer im Bundestagsbüro von Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, damaligem Agrarsprecher der CDU/CSU tätig, von 2005 bis 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Franz-Josef Holzenkamp, Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft der Unionsfraktion, und von 2012 bis 2014 Agrarreferent der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bertram Fleischer ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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