Was erwarten die Gärtner?
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Einem Großteil der Menschen in Deutschland geht es gut. Dennoch zeigt das Ergebnis der letzten Bundestagswahl, dass viele Menschen unzufrieden sind. Viele sprechen von einer schizophrenen Gesellschaft: ökonomisch zufrieden, aber doch irgendwie verunsichert. Nach dem Jamaika-Tsunami und dem GroKo-Taifun bleibt zu hoffen, dass die MS Deutschland zügig wieder in ruhiges Fahrwasser kommt. Fest steht, dass sich die zukünftige Bundesregierung der gespaltenen Wirklichkeit stellen muss.
Der Argusblick auf die steigende Temperaturkurve der deutschen Wirtschaft darf dabei nicht fehlen. Digitalisierung und Bildung werden die wichtigsten Themenfelder sein. Mindestens genauso wichtig wird es sein, Antworten auf die größten Sorgen und Ängste der Bürger zu finden – Terror, Sicherheit, Migration, Zukunft der Sozialsysteme, bezahlbarer Wohnraum und Klima –, damit die „German Angst" nicht zur Hysterie wird.
Eine Befragung 94 bayerischer Gartenbaubetriebe hilft als konjunkturelles Stimmungsbarometer für folgende Fragen: Wie war das Geschäftsjahr 2017? Wie sind die Erwartungen für 2018? Wie sieht es mit Bio aus?
Das Wetter ist entscheidend
„Der Teufel soll sie holen – die Wetterkapriolen." Dieses Zitat des Dichters Friedrich Löchner spiegelt die Gemütslage vieler Betriebsleiter im vergangenen Jahr wider. In den Sparten des Produktionsgartenbaus wurde die Situation dabei recht unterschiedlich erlebt.
Im Zierpflanzenbau hat sich die Beurteilung des Geschäftserfolgs auf einem gleichbleibend guten, hohen Niveau eingependelt. Für fast die Hälfte der Betriebe verlief das Geschäftsjahr 2017 erfolgreicher als das Vorjahr. Nach dem wärmsten März seit Messbeginn 1881 mit gutem Start ins Frühjahr folgte im April ein Kälterückfall. Dieser machte vornehmlich den branchenfremden Wettbewerbern zu schaffen und spielte damit den Fachbetrieben in die Hände. Die schwachen Umsätze im April wurden im Mai in den Zierpflanzenbetrieben wieder gut wettgemacht. Da schon Ende Mai die erste Hitzewelle heranrollte, verlief die Saison kurz und knackig. Der schon länger zu beobachtende Trend, weg von der klassischen Beet- und Balkonpflanzenware hin zu Alternativen (Stauden, Gemüse, Kräuter) hält weiter an.
Wie im gesamten Produktionsgartenbau setzt sich der Strukturwandel auch im Zierpflanzenbau weiter fort. Die Anzahl der Betriebe und auch die bewirtschaftete Fläche nehmen weiterhin ab.
Der Saisonverlauf im Gemüsebau war eher ernüchternd. Die Beurteilung fiel schlechter im Vergleich zum Vorjahr aus. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese nur die Stimmung im Freilandgemüsebau wiedergibt. Die Überversorgung der Märkte führte zu einem enttäuschenden Preisniveau. Anders stellt sich die Situation im geschützten Anbau und beim Biogemüse dar. Bei regionaler und/oder biologisch erzeugter Ware sind die Märkte häufig noch unterversorgt und die Preise besser.
Das Stimmungsbild im Obstbau lässt sich nur mit einem Wort beschreiben: katastrophal! Besonders die Frostnächte Ende April, aber auch regionaler Starkregen und Hagel sorgten für verheerende Ertragseinbußen. Auch deutliche Preisanstiege konnten die Verluste nicht ausgleichen.
Wo liegen Chancen?
Der Gartenbau profitiert von der positiven gesamtwirtschaftlichen Wetterlage. Viele Trends wirken sich positiv auf die Branche aus, zum Beispiel Regionalität, Gesundheit, Nachhaltigkeit und mehr. Jeder zweite befragte Teilnehmer erwartet steigende Umsätze, jeder dritte steigende Preise, eine positive Entwicklung. Auch bei der Mitarbeiterzahl ist der Bedarf gestiegen, gut jeder fünfte Betrieb möchte seine Belegschaft vergrößern – anbetracht der Tatsache, dass der Fachkräftemarkt leer gefegt ist, eine große Herausforderung.
Die Investitionsneigung im Vergleich zum Vorjahr ist wieder gesunken. Diese Zurückhaltung lässt sich in allen Branchen Deutschlands beobachten. Auch die öffentlichen Investitionen liegen auf dem Niveau europäischer Krisenstaaten.
Auf Bio umstellen?
Glaubt man den Marktforschern, dann ist Bio einer der absoluten Megatrends. Tatsächlich lässt sich dies auch statistisch belegen. Inzwischen geben die Deutschen jährlich rund zehn Milliarden Euro allein für Nahrungsmittel aus Öko-Produktion aus, Tendenz stark steigend. In Bereichen wie Frischmilch, Eier oder Müsli liegt der Bio-Anteil bei 25 %. Bio steht für Umweltschutz, keine Gentechnik, kein Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, Kunstdüngern und so weiter. Bio wird beim Verbraucher meist auch mit „gesünder" gleichgestellt. Die starke mediale Präsenz von Themen wie Glyphosat, Insektensterben und Torfabbau sorgt für eine zunehmende Sensibilisierung.
Die Befragung zeigt, das Thema biologische Produktion ist längst in den Betrieben angekommen. Etwa ein Drittel (Gemüse, Zierpflanzen) gibt an, zumindest in Teilen auf biologische Produktion umgestellt zu haben, etwa genauso viele können sich eine Umstellung vorstellen. Während im Gemüsebau die Diskussionen um rückstandsfreies Gemüse bereits voll im Gange ist, muss hiermit im Zierpflanzenbau in absehbarer Zeit gerechnet werden.
Der biologische Pflanzenschutz ist in aller Munde. Ausdruck dieser Aktualität in Bayern ist die neue Kampagne „Natürlich mit Nützlingen", die der Bayerische Gärtnereiverband mit dem Erzeugerring für Blumen und Zierpflanzen in Bayern entwickelt hat. Dieses Label ist eine Antwort auf die Forderung der Verbraucher nach mehr Umweltfreundlichkeit.
Die Erzeugung von Bio-Produkten aus Bayern soll bis zum Jahr 2020 verdoppelt werden. Dies hat die Staatsregierung als politisches Ziel vorgegeben. Die Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln soll künftig stärker aus heimischer, regionaler Produktion gedeckt werden. Damit dieses Ziel erreicht wird, wurde 2012 das Landesprogramm „BioRegio Bayern 2020" ins Leben gerufen. Dieses Programm sieht Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Beratung, Förderung, Vermarktung und Forschung vor".
Wo liegen Hürden für eine Umstellung?
Die Sorgen und Ängste vor einer Umstellung werden bei den Ergebnissen deutlich. Der Produktions- und Arbeitsaufwand und der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz werden als größte Hürden genannt. Auch der bürokratische Aufwand, der Fachkräftemangel und das oft fehlende Angebot an Bio-Jungpflanzen und -Sorten scheint viele abzuschrecken.
Die größten Chancen werden beim aktuellen Zeitgeist und der positiven Marktsituation (Preis, Absatz) gesehen. Die Nachfrage nach biologisch erzeugten Produkten wächst überproportional und mit ihr wächst der Ökolandbau stark mit. In Deutschland stellten 2016 durchschnittlich fünf Betriebe pro Tag ihre Landwirtschaft auf Bio um, eine Entwicklung, die noch längst nicht abgeschlossen ist.
Chancen bieten sich viele
„Läuft bei uns", auf diese zugegeben recht simple Jugendformulierung kann man die generelle wirtschaftliche Situation in Deutschland herunterbrechen. Die wirtschaftliche Stärke wird aber dauerhaft nicht auf starke politische Rahmenbedingungen verzichten können.
Trotz branchenabhängig schwieriger Rahmenbedingungen in Teilbereichen (Fachkräfte- und Nachwuchsmangel, Wetterkapriolen), blicken die bayerischen Gärtner optimistisch in die Zukunft. Selten wurde das gute, alte „aus der Region für die Region" so stark nachgefragt wie heute. Die biologische Produktion ist längst aus der Birkenstock-Nische herausgetreten und auf dem Weg zum Mainstream.
In manchen Sparten des Gartenbaus (Gemüse, Stauden) ist diese Entwicklung längst angekommen. Andere (Zierpflanzenbau) spielen mit dem Gedanken der Transformation in Richtung Bio, nicht selten ist es auch eine Frage der Generation. Egal ob konventionell oder bio, Chancen bieten sich der grünen Branche viele.
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