Gartenbau folgt der gesamtpolitischen Lage
Weitgehend stabil und optimistisch zeigt sich der Gartenbau trotz vieler wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten auf den Märkten, so das Fazit von Dr. Marianne Altmann, CO CONCEPT, im Marktüberblick Gartenbau, der im Auftrag der Messe Essen im Vorfeld IPM 2017 erarbeitet wurde.
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Die Charakteristika der letzten Jahre im Welthandel haben weiterhin Bestand. Die weltweite Nachfrage nach Blumen und Pflanzen konzentriert sich in den Ländern Europas, China, Japan und den USA. Die Niederlande bleiben für den Handel innerhalb der EU unangefochten die Nr. 1 Sie sind für fast 70 % der Exporttätigkeiten von Blumen und Pflanzen innerhalb der EU verantwortlich. Der Trend der steigenden Importe von Blumen und Pflanzen in die EU hält sowohl in der Menge als auch an Wert an.
Wachstumstreiber sind allein Schnittblumen
2015 wurden insgesamt 504 952 Tonnen (+8,2 %) zu einem Wert von 1,68 Milliarden Euro (+5,3 %) von der EU importiert. Hauptverantwortlich für die Importsteigerung sind wie in den Vorjahren die Schnittblumen, die 78 % der Gesamtimporte in die EU ausmachen. Ihr wertmäßiges Wachstum entspricht mit 5,3 % exakt dem Gesamtwachstum. Die Importzuwächse sind fast nur auf die Schnittblumen zurückzuführen; Schnittblumen sind die alleinigen Wachstums-treiber im EU-Außenhandel.
Die Tatsache, dass die Importmengen prozentual stärker steigen als die Importwerte, zeigt, dass der Trend der letzten Jahre zu zunehmend höherwertigen Produkten nicht mehr anhält. Kenia bleibt mit 27 % der Importe als Bezugsland der EU unangefochten die Nr. 1, gefolgt von Äthiopien, Ecuador und Kolumbien. Israel, USA und Costa Rica hingegen zeigen einen rückläufigen Trend.
Handelsüberschuss bleibt bestehen
Trotz der gestiegenen Schnittblumenimporte der EU und damit erneuten Ausweitung der negativen Handelsbilanz im Segment der Schnittblumen und des Schnittgrüns (2015: –620 Mio. e; 2014: –500 Mio. e) stellt sich die EU-Handelsbilanz positiv dar. Die Gesamtbetrachtung zeigt einen Handelsüberschuss bei Blumen und Pflanzen in Höhe von 300 Millionen Euro. Der Handelsüberschuss ist seit 2002 feststellbar und vor allem auf den Export von Blumenzwiebeln und Knollen aus der EU zurückzuführen.
Zielmärkte der EU nur mit leichten Veränderungen
Russland und die Schweiz bleiben mit Abstand die stärksten Nachfrageländer für europäische Blumen und Zierpflanzen. 2015 exportierte die EU jeweils 20,5 % des Exportwerts an Russland (2014: 21,3 %) und die Schweiz (2014: 20,7 %), gefolgt von den Exportmärkten USA (11,2 %), Norwegen (8,2 %) und China (5,9 %). Auf dem zweiten Blick fällt auf, dass die Exportrückgänge nach Russland durch Wachstum der übrigen Zielmärkte kompensiert werden. Das bedeutet, die EU-Mitgliedsstaaten bauen ihre Stamm-Exportmärkte weiter aus. Länder wie die Türkei, Ukraine, Vereinigte Arabische Emirate oder auch Japan werden zunehmend umworben.
Zwei Gesprächsthemen dominieren 2016
Steigende Importe und Exporte der EU bei Blumen und Pflanzen sind ein Indiz für einen stabilen bis steigenden Handel in der Branche. Gerade die Exportwerte der Niederländer, aber auch in Deutschland weisen Rekordwerte aus und könnten die Branche optimistisch stimmen. So hält die positive Export-Entwicklung der Niederländer auch im Herbst 2016 an, nachdem das Jahr 2015 bereits einen Rekord-Exportwert mit insgesamt 5,6 Milliarden Euro brachte. Trotzdem macht sich 2016 eine Verunsicherung am europäischen Markt breit. „Brexit“ und „Russland“ sind dabei die zentralen Themen.
Brexit – im Westen was Neues!?
Mit der Austrittsentscheidung Großbritanniens aus der Europäischen Union im Sommer 2016 ist eine Unsicherheit nicht nur im europäischen, sondern auch weltweiten Handel mit Blumen und Pflanzen festzustellen. Großbritannien importierte bis 2016 jährlich Blumen und Pflanzen von Lieferanten und Händlern der EU-Mitgliedsstaaten zu einem Marktwert von circa einer Milliarde Euro. Damit stellt Großbritannien bereits seit 2011 den zweitgrößten Importmarkt für Zierpflanzen innerhalb der EU dar. Für Lieferanten und Händler aus den Niederlanden, aber auch Deutschland, Italien, Dänemark und Belgien waren und sind die Briten einer der wichtigsten Handelspartner. Die Handelsbeziehung zwischen den Briten und der Niederlande ist eng: 2015 exportierten die Niederländer 17 % ihrer gesamten Zierpflanzenexporte (925 Mio. €) nach Großbritannien.
Auch an der allgemeinen Nachfragesteigerung bei Blumen und Pflanzen in der EU hat Großbritannien einen großen Anteil. Der 2015 registrierte leichte Umsatzzuwachs bei Verkäufen von Blumen und Pflanzen in der EU von insgesamt 0,5 % auf 32,4 Milliarden Euro war stark durch Großbritannien positiv beeinflusst. Entsprechend nervös sind die Handelspartner insbesondere aus den Niederlanden, über die immer noch nicht absehbaren Auswirkungen des Brexits. Diese Nervosität besteht zu Recht, obwohl sich das Kaufverhalten der Briten laut Erhebungen der niederländischen Versteigerung Royal FloraHolland bisher noch nicht verändert hat.
Interessant ist, dass die britischen Händler die Verbraucherpreise bei Blumen und Pflanzen trotz der Abwertung des britischen Pfunds (teurerer Einkauf) auf gleichem Niveau wie im Vorjahr halten. Die Verkaufspreise werden also aktuell auf Kosten der eigenen Gewinnmarge der britischen Blumenhändler „subventioniert“ und kompensiert. Das Problem tragen also bis dato die britischen Händler – wie lange noch?
Spätestens, wenn zusätzliche Zölle hinzukommen sollten und sich die Durchlaufzeiten verzögern werden, wird die bisherige EU-Importware zunehmend unattraktiv für die britischen Händler. Viele werden nach Lösungen suchen. Dabei sind drei Szenarien denkbar:
Die Händler erhöhen die Endverkaufspreise entsprechend der Wechselkursverluste – auf die Gefahr, dass die Nachfragemengen zurückgehen.
Ausbau der Handelsbeziehungen zu Lieferanten der Drittlandstaaten. Der Trend zu Direktimporten des Systemhandels ist schon in ganz Europa zu beobachten und wird sich in Großbritannien durch den Brexit noch einmal beschleunigen.
Die britischen Erzeuger könnten ihre Produktion ausbauen. Aufgrund der Energie- und Kostensituation ist ein inländischer Ausbau eher nur im kleinen Maße denkbar.
So ist zu befürchten, dass der Handel mit Blumen und Pflanzen innerhalb der EU auf Grund des Brexits auf lange Sicht unweigerlich unter Druck geraten wird. In Expertenkreisen wird davon ausgegangen, dass die großen Auswirkungen des Brexits erst in zwei Jahren spürbar werden.
Russland und das Embargo
Als Antwort auf die Sanktionen der EU gegenüber Russland bleibt der russische Markt auch bis Ende 2017 für einen Großteil der europäischen Agrarprodukte und Lebensmittel zum „Schutz der nationalen Interessen der Russischen Föderation“ weiterhin verschlossen.
Der Exportanteil der Niederlande nach Russland hat sich in den letzten drei Jahren mehr als halbiert. War Russland 2014 noch auf dem vierten Platz der Top-10-Exportländer der Niederlande, so taucht es im September 2016 gar nicht mehr in dieser Liste auf. Gleichzeitig wies Polen ein Exportwachstum für die Niederländer von 13 % auf 55 Millionen Euro auf. Wie man allerdings auf den Märkten für Obst und Gemüse sieht, werden die Schlupflöcher für Ware aus der EU nach Russland enger. Die Indizien sprechen dafür, dass die Effekte und Veränderungen durch das Russland-Embargo langfristiger sein werden.
Russland festigt laut Experten seine Handelsbeziehungen außerhalb der EU. Es ist nur schwer vorstellbar, dass diese Maßnahmen – einmal installiert und funktionierend umgesetzt – zu einem späteren Zeitpunkt wieder zugunsten der EU-Exporte aufgelöst werden. So zeigen Indien und Vietnam, aber auch Japan aktuell großes Interesse am fünftgrößten Blumen- und Pflanzenimporteur der Welt Russland. Vietnam hat Direktflüge für Schnittblumen in zehn russische Städte eingerichtet, um sich als Ganzjahresproduzent frischer Blumen und Pflanzen zu positionieren.
Daneben setzt Russland vermehrt auf den Ausbau seines Selbstversorgungsgrades. Zunehmend wird in Hightech-Gewächshäuser investiert (Stand 2015: 168 ha). Experten schätzen, dass die russische Produktion von Schnittblumen in den letzten vier Jahren mindestens um das Zweieinhalbfache gestiegen sei. Demnach würden aktuell 15 % des inländischen Marktanteils durch Schnittblumenproduktion aus russischer Produktion bedient. Der Importbedarf wird trotz der Bemühungen zur Erhöhung des Selbstversorgungsgrads weiter zunehmen. Blumen haben in Russland einen hohen Stellenwert bei Festlichkeiten und neuerdings entdecken die Russen Blumen auch als Eigenbedarf. Ähnlich wie bei China stellt sich auch hier die Frage, wann und wie die EU an diesem Trend partizipieren darf. In der Branche hofft man, dass die Russlandkrise spätestens in zehn Jahren überwunden ist und wieder ein uneingeschränkter Handel zwischen Russland und der EU erfolgen werde.
Gute Rahmenbedingungen in Deutschland
Ungeachtet aller Turbulenzen am Markt stellt sich der deutsche Blumen- und Zierpflanzenmarkt 2016 stabil bis positiv dar. Diese Tatsache beruht auf der positiven Verbraucherstimmung und damit einhergehend einer guten Konsumlaune.
Ähnlich wie 2015 sorgen eine stabile Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit zunehmender Beschäftigung, steigenden Reallöhnen (+2,6 % im 1. Quartal / +2,3 % im 2. Quartal 2016) für einen ausgeprägten Einkommensoptimismus mit ungebrochener Konsumlust. Das Konsumklima in Deutschland zeigt sich im Gegensatz zu Großbritannien trotz Brexit und Terroranschlägen überaus widerstandsfähig. Dagegen sind in Großbritannien 60 % der Briten im Herbst 2016 verunsichert über die Zukunft und werden vermutlich ihre persönlichen Ausgaben für Mode, Lifestyle, Home und Living reduzieren.
Laut Prognose der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) werden die privaten Konsumausgaben – als wichtige Säule der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland – 2016 um 2 % steigen. Dieses stabile Konsumklima auf gutem Niveau spüren auch die Händler. So berichten der Industrieverband Garten (IVG) und der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) nach dem ersten Halbjahr 2016 – trotz der ungünstigen Saisonwetterbedingungen – von einem leichten Wachstum in der Branche, welches bis Ende 2016 zumindest das Vorjahresniveau erreichen werde.
Die Bundesregierung geht in ihrer Herbstprognose 2016 von einem stabilen Wachstum der deutschen Wirtschaft aus. Demnach liege das Wirtschaftswachstum bei 1,8 %. Auch in Ländern wie Polen, Portugal und der Türkei ist die Konsumlaune gut und der Trend einer steigenden Nachfrage nach Blumen und Pflanzen anhaltend. Weiter förderlich in Deutschland kommt hinzu, dass sich nach der Zukunftsstrategie im Gartenbau die Rahmenbedingungen für den Gartenbau verbessern werden. Ende Oktober 2016 wurde unisono im Bundestag ein Antrag mit dem Titel „Gartenbau sowie Garten- und Landschaftsbau als innovativen Wirtschaftszweig stärken und zukunftsfest machen“ verabschiedet.
Muttertag – Maß aller Dinge
Mit dem Muttertagsgeschäft als einem der wichtigsten Verkaufstage für Blumen und Pflanzen waren auch 2016 die meisten deutschen Großhändler zufrieden. So berichtet der Verband des Deutschen Blumen- Groß- und Importhandels (BGI) von stabilen Preisen bei tendenziell leicht erhöhten Absatzmengen. Auch die Veiling Rhein-Maas berichtet von einem guten Absatz mit dem zweithöchsten Gesamtumsatz der letzten sechs Jahre. Vor allem hochwertige Produkte konnten zu sehr guten Preisen gehandelt werden. Das kommt dem Ziel des deutschen Gartenbaus nach einer höheren Wertschöpfung durch eine höhere Wertschätzung entgegen.
Auffälligkeiten 2016
Deutsche Großhändler stellen fest, dass der Facheinzelhandel Aspekte wie Qualität und regionale Produktion mehr in den Fokus ihres Einkaufs bei Blumen und Pflanzen stellt. Diese Beobachtung wird auch in Frankreich gemacht, wo die Marke „Fleurs de France“ beim Handel und Verkauf an Bedeutung gewinnt.
In der Ursachenanalyse der Niederländer (Royal FloraHolland) im Sommer 2016 zu dem Pflanzenexportrückgang nach Deutschland im Jahr 2015 (–3,8 % = 83 Mio. € im Vergleich zu 2014) wird neben einem zunehmenden Selbstversorgungsgrad in Deutschland vor allem der Trend zu regionalen Produkten für den Rückgang verantwortlich gemacht.
Wird es auch bei Zierpflanzen verstärkt den regionalen Trend wie im Obst- und Gemüsesektor geben? Aus der Konsumententypologie (Altmann, Kaim, Fluck, 2012) für den deutschen Zierpflanzenmarkt sind die Einstellungen zu Regional, Öko und Fair bekannt. Demnach ist bei den Verbrauchern in allen Altersklassen gemein, dass der Wunsch nach Regionalität zunimmt, aber weder ausschließlich regional oder deutsch eingekauft wird. Hierbei scheint das Wissen, dass insbesondere Schnittblumen aus Übersee kommen, den Ausschlag zu geben.
Vielmehr wird die Kaufentscheidung durch eine Vielzahl von Einzelaspekten beeinflusst. So wird eine nachhaltige Produktion (Öko/Fair) neben dem Regionalaspekt immer wichtiger. Hier ist interessant, dass der Wunsch nach einer Fair-Trade-Kennzeichnung die Verbraucher spaltet. Die Befürworter sind 60 Jahre und älter; weniger die Jungen. Vermutlich handelt es sich hier um die Gründergeneration der grünen Bewegung aus den 70er/80er-Jahren, die ihre Einstellungen beibehalten haben.
Hauptentscheidungsmerkmal ist und bleibt die Qualität (Produkt & Prozess). Insofern gilt festzuhalten, dass deutsche Verbraucher auch gerne zu Importware greifen, wenn sie sich durch die Qualität und die ausgelobten Werte (Respekt für Mensch und Umwelt) angesprochen fühlen.
„Nachhaltigkeit“ und „Regionalität“ befördern somit den Verkauf, werden bei der Kaufentscheidung der deutschen Verbraucher aber immer im Zusammenhang mit der Qualität gesehen.
Neben dem Regionalaspekt stellten die Großhändler 2016 eine weitere Besonderheit fest. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) würde sich professionalisieren und sein Sortiment erweitern. Demnach traut sich der LEH zunehmend an Blumen und Pflanzen heran, die bisher klassisch dem Facheinzelhandel vorbehalten waren und „wildert“ auf der Suche nach Marktanteilen im Sortiment des Facheinzelhandels: Eine Erkenntnis, die den Facheinzelhandel zum Handeln zwingt und genau beobachtet werden muss.
Eine weitere Besonderheit oder Beobachtung im Großhandel ist, dass im stagnierenden Markt der Topfpflanzen Wachstum fast ausschließlich nur noch über Neuheiten, innovative Produkte und Konzepte erfolgt. Die in diesem Zusammenhang 2016 erstmalig durchgeführte Messe „hortivation“ der Messe Essen verfolgt damit den richtigen Ansatz zur Sensibilisierung der Branche für Innovationen.
Fazit
Die weltweiten Warenströme sind im Fluss. Wir haben eine stabile Nachfrage in der EU und Wachstumspotenzial außerhalb der EU.
Auch in Deutschland zeigt sich der Blumen- und Pflanzenmarkt stabil und wird bei hoher Konsumlaune der Verbraucher auch 2017 für Nachfrage sorgen.
Erfreulich sind die steigenden Preise auf Einzelhandels-ebene, die allerdings nicht bei allen in der Wertschöpfungskette ankommen.
Brexit und Russland sind 2016 zwei beherrschende Themen, deren Effekte sich erst langfristig zeigen werden. Sich darauf zu verlassen, dass sich alles zum Guten wenden wird, sollte niemand tun. Alle Länder tun gut daran, sich alternative Absatzwege und Zielmärkte aufzubauen. Sei es durch Intensivierung bestehender Handelskontakte innerhalb oder außerhalb Europas. Durch diese Neuausrichtungen ist davon auszugehen, dass sich 2017 die Warenströme in Verbindung mit dem sich ändernden Konsumverhalten einiger EU-Länder verändern werden.
Hierbei ist der zunehmende Direktbezug der großen Handelszentralen in den Produktionsländern sicherlich ein Motor.
Es wird sich zeigen, ob die EU ein kleines Referendum mit großer Wirkung oder großes Referendum mit kleiner Wirkung erlebt hat. Sicher ist: Es bleibt spannend – von Ost nach West!
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