Ein Blick in die technische Zukunft
Verstärkte Abwärmenutzung und Mehrlagensysteme könnten Standard werden im Zierpflanzenbau, meint Technikberater Dr. Karl Schockert, Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR), der eine Zukunfts-Prognose für den Zierpflanzenbau im Jahr 2020 aus der Sicht eines Technikers wagte. Seine Vision stellte Schockert auf der Wintertagung der Fachgruppe Blumen und Zierpflanzen – Produktion des Nordwestdeutschen Gartenbauverbands (NGV) Anfang Dezember in Bad Zwischenahn vor.
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Die Automatisierung schreitet voran und im Jahr 2020 werden innerbetrieblicher Transport und monotone Arbeiten von Maschinen und Robotern erledigt. Diese können Pflanzen beurteilen, abschneiden, stecken, pikieren, topfen, umtopfen, transportieren, sortieren, verpacken, Dänenkarren aufbauen und die befüllten Trays einstellen. Der Mensch plant und disponiert, verhandelt, verkauft per Internet und Webcam, fährt die Ware, sucht neue Sorten, Arten, Kulturweisen, Behandlungsmöglichkeiten, bestellt, kauft, überwacht, wartet und repariert.
Somit sind Spezialisten gefragt, „Wartung bleibt ein wichtiger Bereich, denn die Technik muss gepflegt werden“, so Schockert. Arbeitskräfte kommen vermutlich aus dem weiter entfernten Osten, vermehrt Asien. „Solange im Heimatland noch alles wirtschaftlich durcheinander geht, sind unsere Arbeiten erstrebenswert“, meinte Schockert.
Transport bestimmt den Standort
Ein Knackpunkt ist der Langstrecken-Transport von Zierpflanzen. Davon hängt ab, in welchen Ländern diese produziert werden. In einem Seecontainer müssten die Pflanzen mit Luft (technisches CO2 aus Druckflaschen), Wärme, Wasser plus Nährstoffe und Licht versorgt werden. Galt der Faktor Licht bisher ebenfalls als Knackpunkt, vereinen die heute schon vermehrt auf dem Markt erscheinenden LED-Leuchten viele Vorteile.
Sie produzieren kaum Wärme und lassen sich damit, beispielsweise in einen Dänenkarren integriert, dicht über den Pflanzen anbringen. Ihr Spektrum ist einstellbar. Sie haben einen geringen Stromverbrauch und eine hohe Lebensdauer von 50000h und mehr. Momentan würden alle Leuchtenfirmen an der LED-Entwicklung arbeiten. Schockert sieht in ihnen ein großes Potenzial für den Gartenbau.
Energiepreise mindestens verdoppelt
Auf den Gartenbau entfällt unter 1% des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland. „Warum sollte ausgerechnet er höhere Anteile an günstigen Energien bekommen?“, so die provokante Frage. Die Öl- und Gaspreise werden sich schätzungsweise mindestens verdoppeln. Öl wird weiterhin verfügbar sein. Unter Pumpeneinsatz wird es in Arabien gefördert und in Alaska gibt es noch Restmengen.
„Erd“gas kommt auch aus dem Meer (Methaneis). Auch Kohle ist 2020 aus Australien, Südamerika und China verfügbar. Bei uns stillgelegte Zechen werden wieder geöffnet, die Kohle vor Ort vergast und das Kohlen-„Erd“gas genutzt. Aus Holz- und Bioabfällen entsteht Strom und Wärme über die Holzvergasung und –verstromung. Eine sinnvolle Wärmenutzung für Biogasanlagen wird vermutlich vorgeschrieben werden.
Die Wärme aus der Tiefe
Geothermie nutzt die Wärme aus dem Erdinnern. Pro 100m Tiefe steigt die Temperatur um 3K an. Geothermische Energie ist nach menschlichem Ermessen unerschöpflich. Allerdings warnte Schockert vor allzu großer Euphorie, da es schon einige Reinfälle damit gegeben habe. Die oberflächennahe Geothermie nutzt etwa 15°C warmes Wasser aus 150m tiefen Bohrlöchern. Mithilfe von Wärmepumpen können damit beispielsweise Wohnhäuser beheizt werden.
Oberflächennahe geothermische Systeme gehen bis etwa 400m Tiefe und nutzen das dort vorhandene rund 25°C warme Wasser. Bei 1000m beträgt die Wassertemperatur bereits 50°C und wird für Schwimmbäder oder kommunale Einrichtungen bereits genutzt. Tiefen-Geothermie arbeitet mit bis zu 150°C heißem Wasser aus 4km Tiefe. Genutzt werden kann dies nur an Stellen mit in der Tiefe aufgebrochenen Erdstrukturen.
Nicht alle Gesteinsarten eignen sich für die Geothermie. Weitere Schwierigkeiten: Es muss eine doppelte Bohrung erfolgen für die Förderung des heißen und das Zurückpressen des abgekühlten Wassers. Unbekannt sind Chemie und Mineraliengehalt des Wassers. Möglicherweise verschiebt sich das Lösungsgleichgewicht nach Abkühlung und das Wasser kann nicht so einfach wieder zurückgepresst werden. Über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) kann eine solche Anlage gefördert werden. Der gesamte norddeutsche Raum sowie die Region um München bieten theoretisch gute Möglichkeiten für die Nutzung der Tiefen-Geothermie.
Erste Geothermie-Anlage für den Gartenbau
Die erste Geothermie-Anlage für den Gartenbau wurde bereits in Holland bei Rik van den Bosch, Bleiswijk/NL, für einen 7-ha-Tomatenbetrieb verwirk-licht. Mehr zu diesem Projekt lesen sie in DEGA 37/2007. Das mögliche Potenzial von 160 Bohrungen in den Niederlanden für die Beheizung von 1120ha Glasfläche wird dort auch politisch unterstützt, so die Bemerkung Schockerts.
Noch offen hingegen ist die Frage, wieweit der Gartenbau als möglicher Energienutzer der Geothermie in Deutschland infrage kommt. Notwendig sind mehrere benachbarte Betriebe, damit sich so ein Großprojekt lohnt. Ertragreiche Fundstellen, sogenannte Claims, sind bereits heute gesichert, in der Regel von den Energieversorgern.
Geschlossenes Gewächshaus unrentabel
Die Idee, Überschusswärme im Sommer im Grundwasser für den Winter zu speichern, hat sich das in den Niederlanden entwickelte Konzept „Geschlossenes Gewächshaus“ zur Grundlage gemacht. Da es aber keine verlustlose Speicherung gibt, ist laut Schockert die Wärmebilanz kritisch zu sehen. Neben den Speicherverlusten wird viel Elektrizität benötigt für den Antrieb der Wärme- und Wasserpumpen sowie die Ventilatoren im Gewächshaus, die die gespeicherte Wärme gleichmäßig verteilen.
Bereits Anfang der 80er-Jahre zeigten Untersuchungen am Institut für Technik im Gartenbau an der Universität Hannover, dass für 1m² einfach verglaster Gewächshausgrundfläche ein Speicherbedarf von 14m³ notwendig ist, wenn die Innentemperatur ganzjährig auf 16°C gehalten werden soll. Aber die Wärmespeicherung im Untergrund wird immer effektiver möglich werden, meint der Technikberater.
Kraftwerke als Wärmepotenzial
Große Potenziale für alternative Energiequellen sieht Schockert in der Abwärmenutzung aus Biogasanlagen und Kraftwerken. Die Novellierung des EEG werde sicherlich die sinnvolle Wärmenutzung vorschreiben. Ein wesentlich größeres Potenzial bieten große Kraftwerke. Durch verbesserte Wärmetauscher, Ventilatorsteuerungen und zu erwartende Wirkungsverbesserungen von Ventilatoren lässt sich diese Wärme in Zukunft besser nutzen. Dafür müssen die Nutzer wie Gartenbaubetriebe aber zur Energie wandern, sich also in unmittelbarer Umgebung der Kraftwerke ansiedeln.
Etagensysteme sparen Energie
Mehrlagenkulturen im Umlauf und Kunstlichträume sind weitere Varianten der alternative Energienutzung. Hier gestaltet sich die Regelung des Pflanzenwachstums allerdings schwierig und ist bisher auf Dauer nicht befriedigend möglich. Aber die heute immer weiter verbesserte Regeltechnik misst neben den Umgebungsparametern auch das „Befinden“ der Pflanzen beispielsweise über die Chlorophyllreflexion.
Mehr verspricht sich Schockert von der 4-Lagenkultur, wie sie von TNO, Delft/NL, auf der Horti Fair vorgestellt wurde, nämlich ein 3-Lagen Wachstumsraum mit einem Gewächshaus oben drauf. Bei der zum Patent angemeldeten Konzeptstudie sind laut TNO Energieeinsparungen von 80% gegenüber einem herkömmlichen modernen Gewächshaus angepeilt. Zweiter Vorteil ist die mehrfache Flächennutzung. Im Tagbetrieb wird das oben liegende Gewächshaus solar beheizt und die Überschusswärme nach unten in den dunklen Wachstumsraum geleitet. Nachts wird im Wachstumsraum mit Kunstlicht belichtet und mit der überschüssigen Wärmeentwicklung das Gewächshaus oben beheizt. Nachteil dieses Konzepts sind hohe Investitionskosten.
Text und Bilder: Dr. Gisela Fischer-Klüver, Hannover
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