90 Jahre Grüne Woche
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Erste Grüne Woche beendete „wilden Handel“
Angefangen hatte alles mit Lodenmänteln. Als die deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) Ende des 19. Jahrhunderts ihre Wintertagungen in Berlin abhielt, bestimmten in auffälliger Weise eine Woche lang grüne Kleidungsstücke das Bild der Stadt. Handwerk und Industrie boten parallel dazu im Tagungsviertel auf offener Straße berufsspezifische Artikel und Verbrauchsgüter an. Als dieser wilde „Handel und Wandel“ immer stärkere Formen annahm, hatte der Landwirt Hans-Jürgen von Hake, seinerzeit Mitarbeiter im Berliner Fremdenverkehrsamt, die Idee, die Tagung 1926 erstmals mit einer landwirtschaftlichen Ausstellung am Kaiserdamm zu verknüpfen. Die „Grüne Woche“ - der Begriff stammte wohl von Journalisten - war geboren.
Die Grüne Woche entwickelte sich in den folgenden Jahren rasant. Errungenschaften aus Wissenschaft und Technik feierten fortan auf der „Grünen Woche“ ihre Premieren.
Ähre wird zum Markenzeichen
1935 wurde das von Wilhelm Hölter entworfene Markenzeichen - die stilisierten gelben Ähren auf grünem Grund - zum Symbol der Grünen Woche.
Nach Jahren des Krieges erweckte der Zentralverband der Kleingärtner, Siedler und Boden nutzenden Grundbesitzer im Spätsommer 1948 die „Grüne Woche“ wieder zum Leben. 59 Aussteller präsentierten ihre Exponate dem Berliner Publikum – und das unter widrigen Umständen. Die drei Westsektoren Berlins erhielten nämlich nur von 23 bis 1 Uhr sowie von 9 bis 11 Uhr Strom und litten unter der sowjetischen Blockade aller Land- und Wasserwege. So brachten beispielsweise am Eröffnungstag der „Grünen Woche“ innerhalb von 24 Stunden 250 britische und 357 amerikanische Flugzeuge Versorgungsgüter aller Art in den Westteil der Stadt.
Ab 1949 zeichneten die „landeseigenen Berliner Ausstellungen“ für die Messe verantwortlich. 1950 fiel die Grüne Woche wegen größerer Bauarbeiten aus. Die Internationalität der Grünen Woche nahm ihren Lauf, als 1951 ein offensichtlich weit vorausschauender Aussteller aus Holland appetitliche Gemüsepyramiden dem staunenden Publikum offerierte. Danach nahm die Beteiligung ausländischer Aussteller in den kommenden Jahren kontinuierlich zu.
Internationalität in Zeiten der Berliner Mauer
Die erste Ausstellung nach dem Mauerbau war den Veranstaltern ein Ansporn, nach der Abriegelung zum Umland die Lebensfähigkeit der Veranstaltung nun erst recht unter Beweis zu stellen. Sie erhielt erstmals den Namen „Internationale Grüne Woche Berlin'62“ und stand unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Heinrich Lübke. Von den 669 Ausstellern stammte fast die Hälfte aus dem Ausland. Insgesamt rund 50 Länder, die meisten aus Westeuropa, sowie die USA, Kanada, Israel, Marokko und Libanon hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen festen Platz gesichert.
Die „Internationale Grüne Woche Berlin“ wurde in den folgenden Jahren fachlich immer bedeutender. Sie basierte zunehmend auf den drei Säulen Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau. Sonderschauen zu aktuellen Themen, Länder-Gemeinschaftsstände sowie Leistungsschauen einzelner Regionen fanden großen Anklang. Wachsendes Interesse erfuhr das fachliche Begleitprogramm mit bis zu 150 Fachveranstaltungen. Der internationale Agrarfilmwettbewerb zählte zum Programm in dieser Zeit.
Mit der Inbetriebnahme des Internationalen Congress Centrums Berlin (ICC Berlin), das durch ein Brückenbauwerk direkt mit dem Berliner Messegelände verbunden ist, stieg die Anzahl der Messe begleitenden Konferenzen auf über 250 Veranstaltungen bei jeder Grünen Woche an.
Neue Blütezeit nach der Wende
Nach der Vereinigung Deutschlands stand die Grüne Woche wieder allen Besuchern aus dem natürlichen Umland sowie aus den benachbarten Staaten Mittel- und Osteuropas offen. War zunächst aus Zeitgründen manches improvisiert, so demonstrierten ab 1991 auch äußerlich sichtbar die fünf neuen zusammen mit den alten Bundesländern in der ersten gesamtdeutschen Gemeinschaftsschau der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) und der Bundesländer die Leistungsfähigkeit der Ernährungswirtschaft.
Mit der ersten FRUIT LOGISTICA 1993 (seit 2004 findet die weltweite Leitmesse für den internationalen Fruchthandel zeitlich getrennt von der Grünen Woche statt), der Landmaschinenschau und der MultiServa als Fachveranstaltungen sowie der Heim-Tier & Pflanze (seit 1996 in die Grüne Woche integriert) und dem BioMarkt 1998 bekam die traditionsreiche Messe unter dem Funkturm neue attraktive Programmpunkte.
Neues Millennium mit Zukunftsthemen
Mit dem abgeschlossenen Erweiterungsbau des Berliner Messegeländes auf 160.000 Quadratmeter im Jahr 1999 konnte der landwirtschaftliche Bereich der Grünen Woche um die Segmente „Tierzucht“ und „Nachwachsende Rohstoffe“ erweitert werden. Mit dem neuen Millennium wurde die Grüne Woche konzeptionell durch zukunftsorientierte Themen wie „Grünes Geld“ und „Erneuerbare Energien“ ergänzt. Der ErlebnisBauernhof startete seine Erfolgsgeschichte und zeigt seit dem Jahr 2000, wie moderne Landwirtschaft funktioniert.
Grüne Woche im Zeichen der erweiterten EU
Mit der Internationalen Grünen Woche 2005 – der ersten Veranstaltung nach der EU-Osterweiterung (1. Mai 2004) zum größten Binnenmarkt der westlichen Welt - wurde Berlin mehr denn je zum Treffpunkt für Politiker und Experten aus den Bereichen Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Bis 2007 wuchs die EU auf 27 Mitgliedsstaaten. Welche Auswirkungen die Öffnung der innerdeutschen und europäischen Grenzen seit 1989 für die Grüne Woche hatte, zeigt die Tatsache, dass mittlerweile neben den traditionellen Beteiligungen aus dem westlichen Europa rund ein Drittel der ausstellenden Nationen aus Mittel- und Osteuropa stammt. Im Jahr 2005 gab es erstmals ein offizielles Partnerland bei der Grünen Woche. Tschechien machte den Auftakt, danach folgte Russland 2006.
Auf dem Weg zum Weltagrargipfel
Um der globalen Erörterung der in Berlin behandelten Agrarfragen gerecht zu werden und gleichzeitig die hochrangige Besetzung mit Spitzenvertretern aus der gesamten Agrarpolitik und -wirtschaft zu würdigen, löste auf der Grünen Woche 2008 die Internationalen Agrarministerkonferenz das bisherige Ost/West-Agrarforum ab. Der weitere Ausbau zum Weltagrargipfel wurde auf der Grünen Woche 2009 mit den Spitzenvertretern der gesamten Wertschöpfungskette fortgesetzt. Rund 50 Agrarministerinnen und -minister und damit doppelt so viele wie im Vorjahr waren der Einladung von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner gefolgt, um auf dem Berliner Agrarministergipfel 2010 den Startschuss für eine internationale Klimaschutz-Initiative zu setzen. 2011 lautete das Thema „Handel und Sicherung der Welternährung: Global – Regional – Lokal“. 2012 griff das GFFA die zentrale Rolle des Agrarsektors für die Weltgemeinschaft mit dem Thema „Ernährungssicherung durch nachhaltiges Wachstum - Landwirtschaftliche Nutzung knapper Ressourcen“ auf. Am 4. Berliner Agrarministergipfel nahmen Minister aus rund 70 Ländern teil. Beim GFFA 2013 zum Thema „Verantwortliche Investitionen in Agrar- und Ernährungswirtschaft – Schlüsselfaktor für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung“ wurden Strategien für sinnvolle Investitionen diskutiert. 2014 lautete das Thema des 6. GFFA „Landwirtschaft stärken – Krisen meistern – Ernährung sichern“. 2015 setzte das 7. GFFA die Frage „Wachsende Nachfrage nach Nahrung, Rohstoffen und Energie: Chancen für die Landwirtschaft, Herausforderungen für die Ernährungssicherung?“ auf die Agenda.
Grüne Woche 2016
Die Internationale Grüne Woche Berlin 2016 findet vom 15. bis 24. Januar zum 81. Mal in ihrer 90-jährigen Geschichte statt. Über 1.700 Aussteller aus rund 70 Ländern zeigen eine Leistungsschau aus allen Bereichen der Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und des Gartenbaus. Den authentischen Geschmack Marokkos zu probieren, mit dieser Aufforderung wendet sich das Partnerland an alle Besucher. Das Königreich im Nordwesten Afrikas ist das erste außereuropäische Partnerland der Grünen Woche.
Das 8. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) bringt unter dem Leitthema „Wie ernähren wir die Städte? – Landwirtschaft und ländliche Räume in Zeiten von Urbanisierung“ internationale Schlüsselakteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Vom 14. bis 16. Januar 2016 wird die weltweit bedeutendste agrarpolitische Konferenz parallel zur Internationalen Grünen Woche Berlin (15.-24.1.) vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ausgerichtet.
Veranstaltet wird die Grüne Woche von der Messe Berlin GmbH. Ideelle Träger sind der Deutsche Bauernverband (DBV) sowie die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).
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