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Klusmann in Westerstede

Viel Automatisierung für Orchideen

Auf der grünen Wiese hat Jan Klusmann aus Westerstede ein 1,6ha großes Gewächshaus neu erstellt. Produziert werden Phalaenopsis mit wenig Arbeitskräften, aber viel Automatisierung. Die Heizung ist ganzjährig auf 28°C eingestellt. Die Wärme liefert eine unmittelbar benachbarte Biogasanlage.

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An der Topfmaschine wird jeweils ein Pflänzchen mit zwei Sphagnum-Plättchen in einen Topf gesetzt
An der Topfmaschine wird jeweils ein Pflänzchen mit zwei Sphagnum-Plättchen in einen Topf gesetzt
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Weil der Stammbetrieb Klusmann mitten im Ort Westerstede liegt und dort keine Flächenausdehnung mehr möglich ist, baute Klusmann etwa 35km entfernt an der Kreisstraße zwischen Reepsholt und Upschört. Hier haben mehrere Landwirte aus der Umgebung eine große Biogasanlage erstellt, die Klusmann preiswert mit Wärme beliefert, um ganzjährig das Gewächshaus auf 28°C zu beheizen. Benötigt werden rund 10Mio.kWh/Jahr, welche die Biogasanlage ohne Probleme liefern kann. Obwohl die Biogasanlage ausreichend groß dimensioniert und Klusmann einziger Wärmeabnehmer ist, steht ein Öl-Kessel für Notfälle in der neuen Gärtnerei zur Verfügung.

Venlo-Bauweise für die Orchideen

Der Neubau ist ein Venlo-Haus der Firma Ammerlaan Construction, Horst/NL, mit 5,5m Stehwandhöhe, 12m Gitterbinderabständen und einer Gesamtglasfläche von 16000m². Die Eindeckung besteht aus Polycarbonatplatten (Stehwand) und 4-mm-Sicherheitsglas. Die Lichtdurchlässigkeit beträgt 90,5%. Auch die quer vorgebaute Halle ist in die Venlo-Bauweise integriert, aber mit Isolierplatten versehen. Die Gewächshausfläche ist in drei Abteilungen gegliedert, die getrennt klimatisiert werden können.

Die Heizanlage hat Hans van Bebber, Straelen, gebaut. Das besondere ist die eingesetzte und auf der IPM mit dem Indega-Preis prämierte R.A.S.S. (Ram Alternative Speicher Steuerung)-Hydraulik für eine effektive Speicherregelung.

Drei Energieschirme übereinander von Ludvig Svensson sorgen ebenfalls für ein gutes Klima. Der durchsichtige LS 10 Energiesparschirm ist immer geschlossen, wenn die Heizung läuft. Mit den beiden Schattierschirmen LS 14 und LS 15 kann der Lichteinfall optimal gesteuert werden. Im Sommer wird das Dach aber trotzdem noch mit Schattierfarbe behandelt. Dimmbare 750-W-Assimilationslampen von Gavita sorgen auch in der dunkleren Jahreszeit für ausreichend Licht.

Spezialtische für Orchideen entwickelt

Otte Metallbau, Westerstede, hat die Gewächshaustische inklusive der Transporteinrichtung geliefert und montiert. Dafür wurden besondere Tische („Containersysteme“) der Außenmaße 5,65 × 1,65m für die Orchideen entwickelt. Die speziellen Rahmenprofile haben eine niedrige Kante, um die Orchideen optimal von der Seite automatisch abzusetzen. Das Rahmenprofil ist seitlich geschlossen, um wenig Angriffsmöglichkeiten und Brutstätten für Krankheitserreger zu bieten. Die Tische stoßen nur am unteren Ende abgepuffert zusammen, damit die überhängenden Blätter der Orchideen nicht beschädigt werden. Der Tischbelag ist ein feuerverzinktes Standard-Wellgitter.

Zehn komplette und automatische Tisch-Umläufe mit je 150 Tischen sind in die möglichen drei Klimazonen eingebaut. Insgesamt finden 1500 Tische auf der Kulturfläche Platz. Per Umlauf gelangen die Tische einzeln in die Arbeitshalle und wieder in das Gewächshaus.

In der Arbeitshalle verläuft der Tisch-Transport mit einem Krangabel-XY-Kran, der sowohl hoch als auch längs die Tische bewegen kann. „Der Kran hat die Aufgabe, den Arbeitsbereich in der Halle am Laufen zu halten, er versorgt die Visser-Anlage mit leeren Tischen und bringt die fertig getopfte Ware direkt zu den Zielhäusern,“ erläuterte Jan Bernd Brunken von der Firma Otte. Jeder Tisch ist mit einem RFID-Chip (Radio Frequency Identifikation) und Strichcode versehen. Der Strichcode wird von einem mobilen Computer plus Handlesegerät eingelesen. Der RFID-Chip hilft bei der Anlagensteuerung und Auswertung.

Automatisierung spart Arbeitskräfte

Etwas ganz Neues stellt die Anlage in der Arbeitshalle von Visser, ‘s-Gravendeel/NL, (Verkauf und Service in Norddeutschland: Keilers, Bad Zwischenahn) dar. Man habe im Hause Visser viel für die Neuentwicklung dieser Anlage investiert, sagte Visser-Verkaufsleiter für Deutschland, Österreich und die Schweiz, Thomas Bauer. Es galt, viele Kleinigkeiten der Orchideen-Kultur zu berücksichtigen.

Die Anlage beginnt mit einem Vorratsbehälter für den Bigbag-Dosierer. Daran schließt sich eine Spezial-Javo-Topfmaschine für Orchideen an, die auch Visser geliefert hat. Das Besondere ist der sehr große Arbeitskranz. Noch gibt es keinen Pikierroboter für Orchideen. Sie werden manuell getopft, das heißt seitlich an die Wurzeln werden je zwei gepresste Sphagnum-Plättchen gehalten und das ganze in jeweils einen für Orchideen typischen, durchsichtigen Kunststoff-Topf gestellt.

Die Töpfe werden automatisch gewässert, gelangen auf das Transportband und durchlaufen eine Kameradrehanlage. Dort werden die Pflanzen so gedreht, dass alle Blätter später im Gewächshaus nach Süden ausgerichtet sind. Wichtig ist eine ausreichende Bewässerung, damit die Töpfe auf dem Band ausreichend schwer sind und nicht kippen.

Die gedrehten Pflanzen werden mit Roboter Nummer 1, einem speziell für Klusmann entwickelten Linearroboter, per 6-m-Gabel jeweils in Reihen im Verbund auf die Kulturtische gesetzt. Per Otte-Transportsystem geht es dann weiter in die Gewächshäuser.

Spezielle Transportscheiben

Nach einer gewissen Wachstumsphase gelangen die Tische wieder in die Arbeitshalle. Die Pflanzen sind bereits leicht kopflastig und durch die überhängenden Wurzeln schlecht automatisch zu greifen. Daher hat Visser spezielle Transportscheiben entwickelt, in die die Pflänzchen auf dem Transportband gesetzt werden. Es folgt eine Selektierstation, bei der über eine Kameraaufnahme der Grünanteil vermessen wird. Die Pflanzen werden in A- und B-Sortierung sowie Ausschuss aufgeteilt. Es folgen zwei Absetzroboter jeweils für die beiden unterschiedlichen Sortierungen auf zwei parallel laufende Bänder. Von dort werden die Pflanzen erneut, jedoch gerückt, auf die Kulturtische abgesetzt und zum Weiterwachstum in das Gewächshaus transportiert.

Automatisches Beladungssystem

Die zum Versand fertigen Pflanzen werden wiederum per Otte-Transportsystem in die Arbeitshalle transportiert und die Pflanzen per Hand in die Trays gesetzt. Die leeren Transportscheiben laufen wieder automatisch in den Rundlauf. Später soll ein Roboter folgen, der die Pflanzen automatisch in die Trays setzt. „Da der genaue Tray-Typ aber noch nicht endgültig feststeht, ist dieser Roboter noch nicht gebaut“, sagte Bauer. Es folgt ein automatisches CC-Karren-Beladungssystem. Die Dänenkarren werden automatisch eingeschoben und die Trays vom Band auf die einzelnen CC-Regale geschoben.

Duschkabinen für die Orchideen

Für Bewässerung und Luftbefeuchtung war Karsten Ahlers von der Firma Keilers, Bad Zwischenahn, verantwortlich. Bewässert werden die Orchideen ausschließlich in den speziell entwickelten Duschkabinen. Das sind aufgehängte Alurahmen in der Größe der einzelnen Gewächshaustische, über die oben quer ein Düsenrohr verläuft. Diese Duschkabinen befinden sich jeweils am Anfang einer langen Tischreihe im Gewächshaus.

Das Wasser gelangt aus dem 100 × 30m Regenwasser-Auffangbecken über einen Kiesfilter von Netafim, der sich automatisch bei Verschmutzung reinigt. Von dort fließt es in vier 5000-l-Behälter, die als Wasserpuffer dienen. Hier wird das Wasser außerdem leicht aufgeheizt. Eine druckgesteuerte Bewässerungspumpe speist die Duschkabinen. Auf dem Weg sorgt eine Chlordioxid-Anlage von Prominent für die Wasserdesinfektion. Ein integrierter Dosatron-Düngerdosierer wird ebenfalls über den PC gesteuert.

Der Klima-Computer steuert die Pumpen für das Hygrofan-Nebelsystem von Priva für die Luftbefeuchtung im Gewächshaus auf 70% relativer Feuchte an. Die feinsten Wassertröpfchen aus dem Hochdrucknebelsystem werden über Gebläse im Haus verteilt.

Betrieb am Laufen halten

Meisterin Annika Techler, die bereits seit sieben Jahren bei Klusmann tätig ist, leitet den neuen Betriebsteil. Dort stehen ihr drei Vollzeitarbeitskräfte inklusive eines Technikers für die Überwachung der Anlage, sowie neun Halbtagskräfte zur Seite. Im neuen Betriebsteil werden ausschließlich Phalaenopsis kultiviert.

Die Pikierlinge stehen für rund ein halbes Jahr in Kisten und anschließend rund 40 Wochen im Topf, bevor sie in den 35km entfernten Stammbetrieb nach Westerstede transportiert werden. Hier stehen sie nochmals für 20 Wochen bei 18°C, bevor sie mit ausgebildeten Blütenrispen verkaufsfertig sind. Pro Woche werden in Zukunft 20000 9-cm-Töpfe und 5000 13-cm-Töpfe mit Orchideen-Rohware in den Stammbetrieb zur Weiterkultur gefahren.

Spezielle Sorten sind die „Table Dance Orchids“, die Klusmann im Rahmen der Neon-Gruppe im 9-cm-Topf produziert sowie „Famosa Orchids“ mit zwei Pflanzen pro 13-cm-Topf.

„Die Firmen haben beim Bau der neuen Gewächshausanlage gut zusammengearbeitet. Jetzt gilt es, alles am Laufen zu halten“, so das Resümee von Jan Klusmann. Über 4Mio.e sind bisher in das neue Gewächs hausprojekt investiert worden, allein für die Visser-Anlage knapp 1Mio.e.

Qualität und Vielfalt bei Orchideen gefragt

Bereits seit Jahren wird diskutiert, wie weit sich der Absatz von Orchideen noch steigern lässt und wann wohl die Spitze am Markt erreicht ist. Jan Klusmann blickt positiv in die Orchideen-Zukunft, „die Verbraucher wollen immer mehr Orchideen und noch geht es gut weiter.“ Vielleicht könnte es einmal eine Überproduktion in Europa geben, aber weltweit gesehen sei da vorerst keine Gefahr, meint er, „denn Orchideen werden hauptsächlich von Frauen gekauft, und die haben eine höhere Lebenserwartung als Männer“. Die Nachfrage steigt weiter, die Produktion steigt jedoch etwas schneller, „wir brauchen Vielfalt bei Orchideen, um den Kunden eine Auswahl zu geben“, so der Orchideenproduzent.

Klusmann ist Mitglied der Produzentengruppe Neon, die eng mit Züchtern in Taiwan zusammenarbeitet. „Die Qualitätsstandards guter Betriebe in Taiwan sind oft besser als hier in Deutschland“, beantwortet er die Frage, ob es aus Sicht der Pflanzengesundheit nicht riskant sei, dort das Ausgangsmaterial zu erwerben. Hygiene ist wichtig bei der Kultur von Orchideen. So wird unter anderem jeder Tisch im Betrieb Klusmann nach jedem Arbeitsgang oder Kulturabschnitt neu desinfiziert.

Text und Bilder: Dr. Gisela Fischer-Klüver, Hannover

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