2. Friedhofsgipfel: Mehr Vielfalt und Individualität gefragt
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Initiator der Veranstaltungsreihe „Friedhofsgipfel“ ist die Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas, Königswinter, die die Reihe gemeinsam mit NEDWork, Düsseldorf, organisiert. Bereits im Herbst 2012 hatte es das erste Treffen dieser Art auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg gegeben. Geladen waren auch in diesem Jahr in Köln wieder Personen, die sich in ganz unterschiedlicher Art und Weise beruflich mit dem Friedhof beschäftigen – Steinmetze, Friedhofsgärtner und Friedhofsbetreiber ebenso wie Wissenschaftler, Journalisten und Buchautoren. Als Referenten konnten die Soziologen Matthias Meitzler und Dr. Thorsten Benkel von der Goethe-Universität Frankfurt sowie der niederländische Historiker Dr. Wim Cappers gewonnen werden.
Über „Individualität und sozialen Wandel auf dem Friedhof der Gegenwart“ sprachen Meitzler und Benkel. Die beiden Soziologen führen seit 2010 ein Forschungsprojekt zum „Wandel der Bestattungskultur“ durch. Sie zeigten auf, dass heute bei der Grabgestaltung religiöse Jenseitsaussichten oder kollektive Überbauten eine immer geringere Rolle spielen. Stattdessen rücke bei der Gestaltung von Grabstätten häufig der Blick auf das Leben des Verstorbenen in den Vordergrund. „Gräber werden immer bunter und ganz individuell mit Fotos oder auch Gebrauchsgegenständen geschmückt. Auf Grabsteinen finden sich heute private Lebensweisheiten, Hobbydarstellungen, Songtexte oder auch andere Verweise auf die Populärkultur“, beschrieb Meitzler die Veränderungen. „Mithilfe von sozialwissenschaftlicher Feldforschung auf bislang über 400 Friedhöfen im deutschsprachigen Raum können wir aufzeigen, dass dahinter ein sozialer Wandlungsprozess steht.“
„Die holländische Friedhofskultur in historischer Perspektive“ stellte der Arnheimer Dr. Cappers vor. In vielen Publikationen der letzten Jahre wurden die liberalen Niederlande für ihren unkonventionellen Umgang mit dem Thema Sterben und Tod sowie für ihre vermeintlich vielfältige und deshalb attraktivere Bestattungskultur hervorgehoben. Beim Vortrag und in der anschließenden Diskussionsrunde in Köln stellte sich aber heraus, dass die deutsche Friedhofskultur in weiten Teilen mittlerweile wesentlich facettenreicher und lebendiger ist, als die des Nachbarlandes. „Überhaupt werden Friedhöfe hierzulande häufig unterschätzt“, zieht Christoph Keldenich, Vorsitzender der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas e.V., sein Resümee beim 2. Friedhofsgipfel. „Kein anderer Bestattungsort bietet eine solche Wahlfreiheit, was Beisetzungsart und die anschließende, individuelle Gestaltung der Grabstätte angeht.“ Das habe auch die morgendliche Führung der Friedhofsgipfel-Teilnehmer auf dem Friedhof Melaten deutlich gezeigt. Ob Erdbestattung oder Urnenbeisetzung, klassische Familien- oder Einzelgrabstätten, anonymes Gräberfeld, pflegefreies Wiesengrab, gärtnerbetreute Bestattungs-, Themen- oder Memoriamgärten – diese Vielfalt und natürlich die besondere Atmosphäre der Orte sei es, die unsere Friedhöfe ausmache und ihnen auch langfristig einen festen Platz in der deutschen Kultur geben würde. Anlagen mit wenigen Angeboten und allzu strengen Friedhofsatzungen, die die Wünsche nach Vielfalt und Individualität verwehrten und die Entwicklung neuer Traditionen nicht zuließen, würden dagegen von den Menschen heute oft als unattraktiv empfunden.
Aeternitas
(c) DEGA online, 6.9.13
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