Zufriedene Unternehmer – zufriedene Mitarbeiter?
Die Zufriedenheit erfolgreicher Unternehmer war das Thema des süddeutschen Unternehmertags Anfang Februar in Ulm. Gut 80 Gartenbau-Unternehmer waren gekommen, um sich von Praktikern und professionellen Trainern für den eigenen Berufsalltag inspirieren zu lassen. Dazu eingeladen hatten die Gärtnereiverbände aus Bayern, Baden und Württemberg sowie die Versuchsanstalten Heidelberg und Veitshöchheim.
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Welche Position hat der Unternehmer im eigenen Betrieb? Ist er Ansprechpartner für alle oder delegiert er Aufgaben an fähige Mitarbeiter? Bei den drei Praktikern, die auf dem Unternehmertag ihren Werdegang und die Entwicklung ihres Betriebs schilderten, waren es jeweils einschneidende Erlebnisse, die ein Umdenken nötig machten.
Firmen von null aufgebaut
Wolfgang Kügel führt erfolgreich einen Spargel- und Erdbeerhof in Abensberg. 1992 hatte der gelernte Elektromechaniker als Quereinsteiger mit dem Spargelanbau begonnen und die Flächen kontinuierlich ausgebaut – auf 60 ha Spargel und 15 ha Erdbeeren. 2006 hat er außerdem eine weitere Firma gegründet: Die landwirtschaftliche Maschinen- und Schleppervermietung entstand aus seiner Leidenschaft für Technik und Maschinen. Die Idee entpuppte sich schnell als Marktlücke und Wolfgang Kügel baute den Bestand weiter aus. Seine Frau führte den Spargelhof und hielt ihm so den Rücken frei.
„Aber richtig zufrieden waren wir nicht, wir waren getrieben von der Arbeit“, beschreibt Kügel rückblickend die Situation damals. Dann passierte 2009 das Unfassbare. Kügels Frau erlitt eine Gehirnblutung und verstarb wenige Tage später. Der Unternehmer stand mit seinen drei Kindern vor einem Abgrund. Während der Saison funktionierte er und versuchte, den Betrieb am Laufen zu halten. Seine Mitarbeiter unterstützten ihn dabei – vor allem eine seiner polnischen Saisonarbeitskräfte arbeitete sich schnell in die Aufgaben der verstorbenen Ehefrau ein und Wolfgang Kügel schenkte ihr sein volles Vertrauen. Mittlerweile ist sie fest bei ihm angestellt und lebt mit ihrer Familie ganz in der Nähe des Hofs. Nach der Spargelsaison fragte sich Kügel: „Wie soll es weitergehen?“ Die Kinder brauchten ihn und er erkannte: „Ich kann nicht alles selbst machen, ich brauche vertrauensvolle Mitarbeiter.“ So stellte er auch für die Landmaschinenvermietung jemanden ein. Durch die doppelte Entlastung – im Spargelhof und der Vermietungsfirma – hatte Wolfgang Kügel endlich Zeit für seine Kinder. „Der Gewinn der Firmen ging zwar durch die neuen Mitarbeiter etwas zurück, aber Lebensqualität kann viel mehr bringen, als man zunächst denkt“, beschreibt der Unternehmer die Veränderung.
Mittlerweile ist Wolfgang Kügel wieder verheiratet. Um die Patchworkfamilie mit sechs Kindern, von denen noch vier zu Hause leben, kümmert sich vor allem seine Frau. Die Kügels haben sich bewusst dazu entschlossen, Arbeit und Privatleben besser zu trennen, als es früher der Fall war. Sogar Urlaub während der Spargelsaison traut sich Kügel jetzt zu. Auch das stärkt das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter. „Ich habe überhaupt nicht gefehlt“, stellte Kügel nach seiner Rückkehr fest.
Auszeit kurz vor Burnout
Als Unternehmer erging es Thomas Baumann, Inhaber der Schlosskellerei Affaltrach, zunächst ähnlich wie Wolfgang Kügel. Nachdem er 1986 in den elterlichen Betrieb eingestiegen war, baute er diesen kontinuierlich weiter aus. „Ich dachte, ich muss jedes Jahr mehr machen“, beschreibt der Unternehmer seine Einstellung damals. Jetzt bedeutet Zufriedenheit für ihn, zusammen mit den Mitarbeitern Erfolg zu haben.
Nach über 20 Jahren im Betrieb fühlte er sich ausgebrannt. „Jeder kam zu mir und hat mir sein Leid geklagt. Ich war für alle der Ansprechpartner“, fasst Baumann die damalige Situation zusammen. Irgendwann konnte er nicht mehr – heute würde man wohl Burnout dazu sagen. 2007 war für ihn der Punkt erreicht, an dem er etwas ändern wollte, ja musste, um weitermachen zu können. Er entschied sich für einen Einschnitt im Alltagsstress und ging auf Pilgerreise. Zusammen mit einem guten Freund machte er sich auf den Jakobsweg. „Das waren die schönsten viereinhalb Wochen meines Lebens“, beschreibt Baumann seine Erfahrungen. Durch die enormen Strapazen habe er wieder zu sich selbst gefunden. Er erkannte, dass er nach seiner Rückkehr ins Unternehmen nicht mehr alles selbst machen kann.
Durch seine „Auszeit“ haben auch seine 90 Mitarbeiter im Betrieb und die zahlreichen Vertreter erkannt, dass sie selbst entscheiden müssen. Auch jetzt ist Thomas Baumann nicht mehr für alles und jeden zuständig, nur wichtige Sachen landen auf seinem Schreibtisch.
Vom Selbstständigen zum Unternehmer
Auch bei Georg Welzel tragen mittlerweile die Mitarbeiter einen Teil der Verantwortung für den Zierpflanzenbaubetrieb am Niederrhein. Als Welzel 1984 den elterlichen Betrieb übernahm, war dieser bereits stark auf Expansion ausgelegt. Der Unternehmer baute die Flächen nach und nach aus – jetzt bewirtschaftet er insgesamt 12 ha Unterglasfläche an mehreren Standorten am Firmensitz am Niederrhein und in den Niederlanden.
Zu seiner Entlastung hatte Georg Welzel Mitte der 1990er-Jahre einen Meister eingestellt, der den Betrieb weitgehend eigenständig leitete. So hatte der Unternehmer Zeit, sich um die Vermarktung seiner Produkte zu kümmern. Er wurde „vom Selbstständigen zum Unternehmer“, kümmerte sich nicht mehr um alles selbst, sondern delegierte Aufgaben. 2007 kündigte allerdings sein Betriebsleiter und Welzel musste die Firma von Grund auf neu strukturieren. Schließlich will er, dass seine Söhne den Betrieb einmal weiterführen: „Warum sollen aber junge Menschen in einen Betrieb einsteigen, wenn sie sehen, dass man immer nur arbeitet und sich keine Freiräume schaffen kann?“
Im Zuge der notwendigen Neuordnung des Betriebs wurden die vorhanden Stellen genau beschrieben, zusätzliche Führungsebenen geschaffen und Ansprechpartner genau definiert. Dadurch hat der Unternehmer wieder mehr Freiräume. „Heute mache ich die besseren Geschäfte, weil ich Zeit zu planen habe. Ich bin nicht mehr so im Alltagsgeschäft eingebunden“, beschreibt Welzel die Veränderung.
Die 30 Festangestellten und die 40 bis 50 polnischen Arbeitskräfte, die teilweise ganzjährig beschäftigt werden, sollen sich im Unternehmen wohlfühlen. Dafür gehören für Welzel neben adäquater Unterbringung und modernen Sozialräumen auch die Motivation der Mitarbeiter. Auch ein Deutschkurs, den er seit vergangenem Jahr für die polnischen Führungskräfte anbietet, wird gut angenommen.
Damit die leistungsstarken die schwächeren Angestellten nach oben ziehen – nicht umgekehrt –, hat der Unternehmer im eine Leistungserfassung eingeführt. „Die Mitarbeiter haben dann das Gefühl, dass sie kontrolliert werden können“, beschreibt Welzel den Effekt. Das steigere die Motivation der Mitarbeiter. „Natürlich waren unsere Leute am Anfang skeptisch, aber wir haben ihnen die Notwendigkeit erklärt. Dann war es für sie in Ordnung.“ Durch die Leistungsaufzeichnung konnte Welzel die Effektivität vor allem beim Stecken und Topfen um 20 Prozent steigern, außerdem „sind die Mitarbeiter zufriedener“.
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