LED-Licht lässt Stecklinge bewurzeln
André Boereboom ist Visionär. Als Spezialist für die Bewurzelung von Gehölz-Stecklingen im niederländischen Eindhoven setzt er als erster der Branche ausschließlich LED-Licht ein. Das spart Energie und ermöglicht völlig neue Kulturverfahren in geschlossenen und voll isolierten Räumen.
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Vor rund 15 Jahren begann André Boereboom im niederländischen Eindhoven mit der Vermehrung von Baumschulkulturen. Heute ist daraus das Unternehmen Boereboom Stekcultures entstanden mit einer Größe von rund einem Hektar unter Glas und einem Vermehrungsvolumen von jährlich rund vier Millionen Stecklingen. André Boereboom konzentriert sich dabei inzwischen voll auf die Auftragsvermehrung. Seine Kunden liefern ihm das Vermehrungsmaterial, er bereitet es auf und bewurzelt es nach den vorab festgelegten Kriterien.
Darüber hinaus wird seit rund drei Jahren am Firmenstandort in Eindhoven ein In-vitro-Labor betrieben. Hier vermehrt André Boereboom derzeit beispielsweise Tricyrtis, welche unter dem Namen "HikiYuri" vermarktet wird.
Im Gehölzbereich ist der Gärtner aber bei der traditionellen Vermehrung durch Stecklinge geblieben. Im Vordergrund stehen dabei derzeit Gattungen wie Camelia, Rhododendron, Ilex, Euonymus, Photinia und Hydrangea.
Derzeit sorgt der findige Gärtner mit einem Pilotprojekt für Aufsehen. In seinem Betrieb befindet sich ein klimatisierter Raum mit einer Fläche von rund 30 m², in der Gehölz-Stecklinge unter LED-Licht zur Bewurzelung gebracht werden. André Boereboom versteht allerdings die Aufregung nicht so ganz. "Es war eigentlich nur eine logische Weiterentwicklung der In-vitro-Kultur, wie sie seit vielen Jahren im Gartenbau bereits etabliert ist", erzählt er. "Im In-vitro-Labor ist die Pflanzenvermehrung inzwischen Routine. Als Lichtquelle wurden bis zur Entwicklung der Leuchtdioden vornehmlich Leuchtstoffröhren verwendet. Aufgrund der geringen Wärmeabstrahlung war man dadurch in der Lage, die Systeme im Mehrschichtverfahren zu betreiben. Das spart Platz und ermöglichte die energiesparende Vollisolierung der Räume ohne den Bedarf an Tageslicht. Und genau das mache ich jetzt auch mit meinen Stecklingen".
Einen Unterschied gibt es dennoch. André Boereboom verwendet für die Belichtung modernste LED-Lampen von Philips. Diese besitzen den Vorteil, gegenüber der Leuchtstoffröhre noch effizienter bezüglich Stromverbrauch, Lichtabgabe und Wärmeentwicklung zu arbeiten und lassen darüber hinaus auch die Steuerung des Lichtspektrums zu.
An dem Pilotprojekt bei Boereboom sind neben Philips auch das Beratungsunternehmen Cultus Agro (Lottum), die PPO (Praktijkonderzoek Plant & Omgeving, Wageningen) als wissenschaftliche Begleitung und VTI (Horst) für die technische Beratung beteiligt. Derzeit befindet sich Camelia, zwei Photinia-Sorten, Rhododendron und Euonymus in der Testung. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob sich Gehölz-Stecklingen überhaupt wirtschaftlich unter LED-Licht bewurzeln lassen und wenn ja, mit welcher Lichtfarbe?
Dass es grundsätzlich gut funktioniert, hat André Boereboom bereits im letzten Winter erfahren können. Photinia beispielsweise bildeten im Zeitraum Februar bis März innerhalb von sechs Wochen einen festen Wurzelballen. Das ist eine Kulturdauer, die (im Winter!) sonst im Gewächshaus kaum zu erreichen ist. Zudem sind in der Klimakammer in der Zeit bis zu fünf Sätze möglich, im Gewächshaus nur zwei.
Die Frage der Lichtfarbe konnte hingegen noch nicht ausreichend geklärt werden. Bei Boereboom werden die "LED GreenPower Research Module" eingesetzt. Philips bietet diese mit den folgenden drei Lichtfarben an:
- deep red (Dunkelrot, Wellenlänge 650 - 670 nm, Photonenstrom 10 µmol/s pro Modul)
- far red (extremes Dunkelrot, kaum sichtbar, Wellenlänge 725 – 750 nm, Photonenstrom 6 µmol/s pro Modul)
- blue (Blau, Wellenlänge 455 - 485 nm, Photonenstrom 10 µmol/s pro Modul).
Die Leistungsaufnahme je Modul (Länge 48,5 cm) beträgt zwischen 10 und 14 Watt. Über eine Dimmfunktion lässt sich jedes Modul in der Lichtintensität einstellen. Durch die Kombination der drei Modultypen erhalten die Pflanzen somit exakt jene Lichtmenge und Lichtzusammensetzung, die sie in ihrem jeweiligen Entwicklungsstadium benötigen. Jetzt gilt es noch herauszufinden, für welche Pflanzen bzw. Pflanzengruppen wann welche Lichtmischung und Lichtstärke erforderlich ist, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Erste Erfahrungen zeigen, dass bei viel Rot (80 %), wenig Blau (16 %) und wenig Fernrot (4 %) eine gute Bewurzelung stattfindet. André Boereboom hat auch Versuche mit der Staude Tricyrtis unternommen. Das Ergebnis war allerdings negativ. Ebenfalls negativ reagierten die Gehölz-Stecklinge bei vollkommener Dunkelheit (als Kontrolle). "Den Versuch war es aber wert", erzählt André Boereboom", es hätte ja durchaus sein können, dass die Pflanzen aus ihrer Reserve heraus die Bewurzelung einleiten und sich dann unter Licht weiter kultivieren lassen".
Dass die Gehölz-Stecklinge in der Klimakammer und unter LED-Licht vor allem im Winter so gute Bewurzelungsergebnisse zeigen, liegt sicherlich nicht in erster Linie an der Lichtquelle. Für André Boereboom ist dafür vor allem die gegenüber einem Gewächshaus wesentlich bessere Klimakontrolle verantwortlich. Neben den Lichtverhältnissen lassen sich in der Klimakammer Temperatur (konstant 20° C), Luftfeuchte (zwischen 80 und 90 %) und Gehalt an Kohlendioxid optimal steuern.
Berechnungen seitens der PPO haben ergeben, dass die Kosten für ein Mehrschichtsystem mit fünf Lagen plus der entsprechenden Ausstattung mit LED-Licht und Klimakontrolle kaum mehr kostet, als ein normales Venlo-Gewächshaus mit nur einer Produktionsebene und der heutigen modernen Ausstattung zur Klimakontrolle. Die Potenziale zur Energieeinsparung hingegen sind enorm. Nicht nur aufgrund der besseren Isolierung oder der effektiven Flächennutzung. André Boereboom macht in der Klimakammer den Tag zur Nacht und umgekehrt. Dadurch, dass er dann nachts belichtet und den kostengünstigeren Nachtstrom bezieht, reduziert er nochmals die Kosten.
Quelle: EP/Peter Springer
(c) DEGA PRODUKTION & HANDEL online, 18.10.2012
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