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75 Jahre Gärtnersiedlung Lüllingen - Interview mit Theo Hils

Über die Betriebe der Gärtnersiedlung - die am 31. Juli einen "Tag der offenen Tür" veranstalten - berichten wir ausfühlich in DEGA 30 sowie auf unserer Homepage unter www.dega.de. Theo Hils ist Vorsitzender der Gärtnersiedlung. Mit ihm sprachen wir über den Zusammenhalt in der Siedlung und über Perspektiven für die Zukunft.

?DEGA: Die Gärtnersiedlung wurde vor 75 Jahren gegründet. Über die lange Zeit wechselten einige Betriebe die Besitzerfamilie. Hat sich die Siedlung dennoch eine bestimmte Identität bewahrt?
!Hils: In den Anfangsjahren prägte der Gemüseanbau die Betriebe. Als in den 50er Jahren, die Wohlstand brachten, die Gemüsepreise sanken und der Feldgemüsebau immer mehr von der Landwirtschaft übernommen wurde, ging der Anbau zu intensiven Schnittkulturen wie Rosen und Gerbera. Dann sind auch die Gewächshausflächen gewachsen. In den 60er Jahren hat man auf die intensive Topfpflanzenproduktion umgestellt, zeitgleich in allen Betrieben. Die Nachbarschaftshilfe, der Nachbarschaftsgedanke, das Miteinander, blieben erhalten. Anfangs gab es einen Austausch und gemeinsame Bestellung von Gemüsesaatgut und gemeinschaftliche Anschaffung von Erdballenmaschinen, Spritzen, Dämpfgeraten, Fräsen. Zwei Produzenten aus Sachsen brachten dann die Moorbeetkulturen mit. Mitte der 50er Jahren kamen mit ihnen die ersten Erica gracilis und Azaleen. Schwerpunktmäßig blieb die Erica gracilis bis in die 80er Jahre, dann hatte sie ihren Höhepunkt erreicht und die Knospenblüher kamen. Jede Pflanze hat ihre Zeit. Jetzt ist die Calluna da. Diese Kultur ist in fast jedem Betrieb vertreten, zusätzlich hat heute jeder noch seine besondere Rand-Kultur gefunden.

?DEGA: Wenn einige Betriebe nun eigene Kulturwege gehen, gibt es in der Siedlung trotzdem Gesprächsbedarf untereinander?
!Hils: Der Gedankenaustausch zu den Kulturen ist da. Natürlich aber entscheidet jeder für sich selber. Die Gärtnersiedlung bietet die Chance zum Gedankenaustausch und zur gegenseitigen Hilfe. Wenn jemand in der Siedlung einen Totalausfall bei Jungpflanzen hat, ist es selbstverständlich, dass man zum Nachbarn geht und vorrangig bedient wird. Wir haben ein kollegiales Verhältnis und kein Konkurrenzdenken.

?DEGA: Nun könnte man vermuten, dass in der jetzigen Zeit, wo der Wettbewerb härter und die Preise schlechter sind, man den Nachbarn doch auch als Konkurrent und nicht nur als Helfer sieht?
!Hils: Das ist jeden Tag eine neue Herausforderung. Die Karten werden jeden Tag neu gemischt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man auch dann zum Nachbarn geht, wenn man selbst ausverkauft ist, damit dieser die eigenen Kunden beliefert – und der Kunde bleibt einem trotzdem erhalten.

?DEGA: Welche Chancen sehen Sie in Ihrer Gärtnersiedlung für heute und die Zukunft, gerade wenn sich Kulturen auseinander entwickeln?
!Hils: Weil wir am Niederrhein sind, haben wir eine große Marktnähe. Wir sind in der glücklichen Lage, die starke NBV/UGA in unserem Anbaugebiet zu haben mit ihren verschiedenen Absatzwegen, dem Großvertrieb, der Uhr und den 26 Cash- und Carrymärkten. Jeder muss seinen Weg finden, die Ware sucht sich ihren Weg und ihren Markt. Die Kunden haben die Möglichkeit, sich vor Ort über die Qualität der Ware zu informieren, das ist unsere große Stärke. Wir sind in der Lage, kleinere Mengen zu liefern, wir sind in der Lage, Muster zu liefern, wir sind in der Lage, Großpartien zu liefern.

?DEGA: In der Gärtnersiedlung sind gegenwärtig nur etwa ein knappes Dutzend Auszubildende. Könnte sich daran künftig etwas ändern?
!Hils: Zurzeit ist das ein Problem: Wir haben sehr viele Arbeitslose, wir haben sehr viele Leute, die Gärtner werden wollen, die dafür aber nicht die geistigen Voraussetzungen haben. Im eigenen Betrieb hatten wir in diesem Jahr acht Praktikanten, davon werden zwei eine Ausbildung machen. Wir haben Bewerber, aber zu wenig geeignete Bewerber. Deswegen sind wir dazu übergegangen, ein Betriebspraktikum von 14 Tagen anzubieten, wo sich beide Seiten kennen lernen können, und wo der Bewerber den Beruf auch kennen lernt und nicht ins kalte Wasser springen muss. Gärtner werden ist eine schöne Sache. Wir sind aber auch Spezialbetriebe, in denen es Höhen und Tiefen gibt.

?DEGA: Sucht die Siedlung ausgebildete Leute aus dem Gartenbau oder entwickelt sich der Arbeitskräftebedarf stärker zu Saison- und Hilfskräften hin?
!Hils: Die Spezialbetriebe brauchen ein gewisses Potenzial an Fachkräften. Wenn dieser Fachkräftemarkt größer wäre, würden wir ihn gern in Anspruch nehmen. Gern können sich ausgebildete Leute bei uns melden, auf jeden Fall! Ich sehe für unseren Beruf, auch für die Nachfolger, eine Chance. Die beste Voraussetzung gerade für junge Betriebsnachfolger ist, sich in anderen Betrieben umzusehen, Wanderjahre zu machen, beweglich zu werden und zu bleiben. Unser Sohn Matthias macht zurzeit ein sechsmonatiges Praktikum in Australien. Das geistige Eigenkapital kann einem dann niemand mehr nehmen.

?DEGA: Stichwort „Grünes Zertifikat“ (DGZ): Welche Rolle spielt dieses in der Siedlung?
!Hils: In der Siedlung bin ich momentan der einzige, der mit dem Grünen Zertifikat arbeitet. Das hängt damit zusammen, dass ich im Verband aktiv bin und in Sachen Grünes Zertifikat ein klein wenig Vorreiter sein wollte. Das DGZ ist eine gute Sache, aber der Verkauf hat davon nicht so profitiert, wie wir uns das vorgestellt haben. Wenn das Produkt nicht stimmt, nutzt einem auch das Grüne Zertifikat nichts. Für die Zukunft ist entscheidend, dass man nicht Quantität produziert, sondern Qualität und Qualität hat ihren Preis. Qualität soll unser Markenzeichen sein. Es ist jeden Tag eine Herausforderung, sich selbstkritisch zu betrachten, Selbstdisziplin in der Kulturführung zu üben, termingerecht zu arbeiten. Wir sind auf Grund unserer Flächensituation auch ein klein wenig begrenzt, aber wir haben die Vielfalt unserer Produktion. Damit können wir unseren Kunden ein breites Sortiment bieten.

Die Fragen stellte Christoph Killgus

(c) DEGA online 21. Juli 2004 www.dega.de