Agrarwissenschaften in Deutschland: Kritik an Empfehlungen des Wissenschaftsrats
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Der Wissenschaftsrat fordert, die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Agrarwissenschaften in Deutschland durch einen strukturellen Konzentrationsprozess deutlich zu steigern. Ungeachtet der zentralen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Agrarforschung werden aber an den Universitäten und in der Ressortforschung des Bundes seit einigen Jahren unkoordiniert Stellen in den Agrarwissenschaften abgebaut, so der Wissenschaftsrat. Das hat zur Folge, dass vielfach nur noch in unterkritischen und international kaum wettbewerbsfähigen Forschungseinheiten gearbeitet werden kann.
Um der institutionellen Zersplitterung der Agrarforschung in Deutschland entgegenzuwirken, hält der Wissenschaftsrat eine umfassende Strukturreform für dringend erforderlich.
Stimmen der Gartenbauwissenschaftler zu gering
Der ZVG hat immer wieder genau auf diese schleichende Auszehrung der Gartenbauwissenschaftlichen Forschung im Bereich der Universitäten hingewiesen und sich bei den Ländern für den Erhalt der wettbewerbsfähigen Kapazitäten eingesetzt. Besonders für die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin wird ein Unterschreiten dieser Kapazitäten durch den Wissenschaftsrat konstatiert. Aus Sicht des ZVG ist die unzureichende Einbindung von Gartenbauwissenschaftlern in die Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats und deren Umfeld zu bemängeln. Zusammen mit dem Fakt, dass nicht alle Standorte besucht wurden, ist fraglich, ob die Daten und die daraus gewonnenen Ergebnisse als Basis für die teilweise doch sehr konkreten Empfehlungen ausreichen.
Die jetzt im Gutachten dargestellten Empfehlungen, insbesondere die Streichung der Gartenbauwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, aber auch die Aufgabe von Gartenbaufächern, zum Beispiel in Bonn und Hohenheim, würden einer Reduzierung der personellen Kapazitäten von circa 40 % entsprechen. Dies ist für den Gartenbau nicht hinnehmbar und verhindert
die Bildung wettbewerbsfähiger Forschungseinheiten.
Länderinteresse und das große Ganze
Der Gartenbau hat in den letzten Jahren das vom Wissenschaftsrat als Entwicklungshemmnis bezeichnete föderale System Deutschlands sehr deutlich erlebt, so zum Beispiel in der Entwicklung der gärtnerischen Fakultät in Berlin. Eine gesamtdeutsche Verantwortung für die Gartenbauforschung wurde nie deutlich. Die Empfehlung ist schon deshalb ein sehr gewagter Ansatz, weil diejenigen, die für die heutigen Strukturdefizite durch die Konzentration auf Länderinteressen verantwortlich sind, nun bei stark strapazierten öffentlichen Haushalten auf einmal das große Ganze sehen sollen. Es steht zu befürchten, dass zwar die geschilderten Einsparungen an den genannten Standorten realisiert werden, die damit vom Wissenschaftsrat verbundene Forderung nach Stärkung der übrigen Standorte jedoch nicht erfolgen wird. Mit den einzelnen Empfehlungen des Wissenschaftsrats werden sich die Gremien des ZVG intensiv befassen. Der ZVG-Vorstand hat in einer ersten Reaktion darauf verwiesen, dass die vielfältige gesellschaftliche Bedeutung des Gartenbaus bei den weiteren Diskussionen stärker als in der Empfehlung des Wissenschaftsrats Beachtung finden muss. Er fordert deshalb, dass bei weiteren Beratungsschritten, insbesondere in dem vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen „Koordinierungs- und Beratungsgremium“, Vertreter des Gartenbaus ausreichend vertreten sein müssen. ZVG
www.dega.de, 29. November 2006
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