„Wir sind in einem großen Veränderungsprozess“
Partner aus der Zulieferindustrie sind interessante Gesprächspartner, weil sie Branchenentwicklungen intensiv wahrnehmen und begleiten. Wir sprachen mit Floragard-Geschäftsführer Karl-Heinz Dautz über seine Eindrücke zur Situation im Gartenbau und seine Erfahrungen mit neuen Wegen im Unternehmen.
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DEGA: Im Gartenbau hört man zur Wirtschaftskrise immer wieder, man würde diese nicht oder kaum merken. Wie erleben Sie die Situation in der Zulieferindustrie?
Karl-Heinz Dautz: Das eine ist die nationale Sicht, das andere die internationale Sicht. Global merken wir die Wirtschaftskrise durchaus. Beispielsweise verschlechtern sich die Rahmenbedingungen zur Finanzierung vor allem im europäischen Ausland; besonders die Zinsentwicklung zieht international sehr stark an. Wir erleben beispielsweise, dass Kreditversicherer selbst große solvente Kunden im Ausland weniger versichern und das Risiko stark auf uns abwälzen. Wir haben Kunden, die von 300 oder 400000 Euro Kreditlimit mal eben auf 10 oder 20000 Euro runtergefahren werden. Das sind Kunden, mit denen wir jahrelang gute Erfahrungen gemacht haben und die wir auch weiterhin beliefern wollen. Da müssen wir nach neuen Wegen suchen, die Lieferungen abzusichern , ohne dass das Risiko zu stark nur auf unserer Seite liegt.
Welche Länder betrifft das insbesondere?
Vor allem in Spanien ist es derzeit problematisch. Wir merken es in Italien und ganz schlimm momentan in Griechenland. Übrigens kommen fürs Auslandsgeschäft weitere Herausforderungen dazu. Im Schifffahrtsbereich sind Transportkapazitäten knapp oder werden künstlich knapp gehalten. Teils fahren Schiffe langsamer, um Sprit zu sparen, wo deshalb Liefertermine in entfernte Länder nur sehr schwer eingehalten werden können. Teils haben sich Containerpreise über Nacht verdoppelt, was dann jede Kalkulation überflüssig macht, weil die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist. Dies betrifft vor allem das Baltikum, Asien und den nahen Osten. Im Baltikum ist außerdem die Lkw-Verfügbarkeit haarsträubend. Man muss sich sehr viel einfallen lassen, um den Transport von dort zu organisieren, oder aber neue Logistikwege und auslandsnahe Produktionsstätten suchen und langfristig aufbauen.
Schlägt sich die schwierige Transportsituation auf die Preise nieder?
Selbstverständlich. Das betrifft allerdings alle in der Branche. Was uns mehr Kopfzerbrechen macht: Wir wollen für Zuverlässigkeit stehen und sagen einen verbindlichen Lieferzeitpunkt zu. Diese Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit, die wir als Markenunternehmen verkaufen wollen, wird durch die genannten Probleme natürlich erheblich erschwert, weil wir eben selber von anderen abhängig sind. Das ist eine große Herausforderung für uns. Bisher haben wir das aber alles zum Wohle unserer Kunden gemeistert.
Wie sieht die Marktsituation zum Saisonstart in diesem Jahr aus?
Die allgemeine wirtschaftliche Situation, die wir in Deutschland im Gartenbau haben, wird natürlich enorm beeinflusst vom Wetter. Im Gartenbau hängen wir wegen des langen Winters in diesem Jahr wenigstens sechs Wochen hinterher. Die Gärtner sind ihre Frühjahrsblüher nicht losgeworden, ganze Kulturen mussten auf den Kompost gebracht werden. Das Hobbygeschäft im DIY (Do-it-yourself-Bereich) war nicht so stark betroffen, weil das Geschäft dort ohnehin später losgeht. Dort können wir einen großen Teil sicherlich wieder gutmachen.
Dass wir sowohl den Erwerbsgartenbau mit Substraten beliefern als auch den Consumerbereich und dann auch noch beides sowohl national wie international ist ein Vorteil für uns. Eine klare Stärke!
Vor allem bei Blumenerden fällt am Markt immer wieder das Stichwort „Bioerden“. Gibt es da wirklich so etwas wie einen Trend?
Der Biotrend ist nicht neu, er wird eben immer wieder neu aufgegriffen, nicht nur im Substratbereich, sondern überall. Mittlerweile gibt es ja kaum noch ein Produkt, das es nicht auch in Bioform gibt. Allerdings betrifft dies vor allem den Ernährungsbereich. Was „bio“ bei Erden und Substraten betrifft: Da muss zunächst auch einfach erst einmal geklärt werden, was überhaupt ein Biosubstrat ist. Da gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Auch Torf hat eine natürliche Herkunft, ist also bio. Aus Torf wird mancherorts sogar Brot gebacken – mehr bio geht nicht. Für mich bedeutet bio, dass ich auf bestimmte chemisch hergestellte mineralische Dünger verzichte. Im Consumerbereich ist das ein Thema bei den Erden, die für Gemüse und Kräuter gedacht sind. Da werden die Leute immer mehr darauf achten, auch Erden zu kaufen, bei denen sie sicher sein können, dass nicht irgendwelche Schadstoffe über die Blumenerde oder über die Dünger in die Pflanze kommen.
Selbst bei den großen Bioverbänden gibt es kaum eine vernünftige Definition, was denn bio hinsichtlich Torf bedeutet. Natürlich: Mancher versteht unter bio bei Erden, dass kein Torf oder nur wenig enthalten ist. Dazu ist zu sagen: In Deutschland wird zwar immer noch Torf abgebaut, aber schon seit vielen Jahrzehnten kein neues Moor mehr dafür trockengelegt. Wenn man sich weltweit ansieht, was an Torf für den Gartenbau verwendet wird, dann ist das ein Bruchteil von dem, was abgebaut wird. Der meiste Torf wird energetisch verwandt.
Sehen Sie einen Markt für Biosubstrate im Erwerbsgartenbau?
In der Produktion ist der Wettbewerb nach wie vor sehr stark. Da geht sehr viel über den Preis. Den Bedarf für Biosubstrate sehe ich wohl. Hier bieten wir schon lange entsprechende, sichere Biosubstrate an. Der Erwebsgartenbau wird aber auch in den nächsten Jahrzehnten auf Torf setzen, weil es schlichtweg an Alternativen fehlt, die die gleichen Voraussetzungen bieten wie Torf.
Geht die Entwicklung bei Substraten eher zu Einheitssubstraten oder eher zu einzelbetrieblich orientierten Spezialmischungen?
Ich denke, dass sich der Markt hier teilt. Es gibt Anbieter wie wir auch, die ganz klar auf Beratungskompetenz setzen, wir haben über 90 Jahre Know-How in der Erstellung von Substraten. Wir entwickeln selber Substrate, haben eine umfangreiche eigene Rezepturdatenbank mit über 3000 Rezepturen. Damit können wir unseren Kunden sehr individuelle Lösungen bieten. Am Markt gibt es vielleicht noch zwei, drei andere Lieferanten mit der gleichen Philosophie, der Rest geht auf die Preisschiene und bietet Standardsubstrate billig an. Beides hat seine Berechtigung: Es gibt Erwerbsgartenbauer, die den preissensiblen Markt bedienen, und es gibt solche mit Spezialkulturen, die alles für die beste Qualität ihrer Produkte tun. Wir sehen unsere Kompetenz nach wie vor bei Spezialsubstraten. Aus unserer Sicht geht der Trend weiterhin in Richtung Beratung und Rezepturkompetenz in den Zusammensetzungen. Deshalb haben wir ein Labor und ausgebildete Fachleute mit hoher fachlicher Kompetenz, das ist unser Weg. Trotzdem: Wer will, bekommt auch bei uns günstige Einheitssubstrate – denn für manche Kulturen reicht das ja tatsächlich auch aus.
Hat die Entwicklung auch etwas mit den verschiedenen Märkten zu tun?
Auf jeden Fall. In China zum Beispiel ist die Bromelie fast eine Volkspflanze. Dort haben alle wichtigen Lieferanten deshalb ein Bromeliensubstrat im Sortiment. Mit einem Bromeliensubstrat, mit dem wir in China erfolgreich sind, werden wir aber in Italien nichts werden, einfach weil dort ganz andere Rahmenbedingungen herrschen, was die Rohstoffe oder auch die Wasserqualität betrifft. Unser Leiter der Fachabteilung Gartenbau, Herr Temming, fliegt um die Welt und entwickelt auf Grundlage der Bedingungen vor Ort Substrate, die für die Situation dort passen. Es ist eben etwas anderes, ob ich ein Substrat für die Melonenzucht in Marokko, für Bromelien in China oder für Callunen in Deutschland brauche. Übrigens werden Wünsche zu Spezialsubstraten auch häufig von den Gärtnern selbst an uns herangetragen, die eine Rezeptur für eine Spezialkultur benötigen und die das von uns gemischt haben wollen. Für manche hat das sicher auch mit Identität zu tun. In der Schweiz habe ich erlebt, dass von mehreren Betrieben nebeneinander mit gleichen Kulturen jeder ein eigenes Substrat haben will, um sich darüber zu differenzieren.
Sie haben in den letzten Jahren in Ihrem Unternehmen Vieles verändert und vorwärtsgebracht und sind immer noch dabei. Was ist Ihnen als Geschäftsführer dabei wichtig?
Wir sind in einem großen Veränderungsprozess seit drei, dreieinhalb Jahren. Die große Herausforderung ist, diesen Prozess dauerhaft zu installieren und Management, Mitarbeiter und Gesellschafter dabei mitzunehmen. Dazu gehört auch, die Leute dazu zu bringen, dass sie Spaß an Veränderung haben. Der Markt verändert sich heute so schnell, dass man die Geschäfte nicht einfach zwei, drei Jahre so laufen lassen kann.
Der Innovationsprozess hat nun zu ersten Ergebnissen geführt. Das sind zum Beispiel Bioerden, das sind Grow Bags und torffreie Erden. Auch unsere Anwachsgarantie vermarkten wir jetzt deutlicher.
Wie sieht Ihre Mitarbeiterphilosphie aus?
Für mich steht in der Unternehmensführung die Mitarbeiterentwicklung ganz oben. Das fängt an mit einem Programm für unsere acht Auszubildenden. Dort haben wir ein ganz einfaches Motivationsprinzip: Jeder Azubi, der seine Abschlussprüfung mit einer Eins besteht, bekommt bei uns für zwei Jahre einen Zeitvertrag. Jeder, der mit einer Zwei abschließt, bekommt einen Einjahresvertrag, bei den anderen entscheiden wir je nach Bedarf. Und dieser Anreiz funktioniert, die Azubis geben richtig Gas. Sie werden systematisch gefördert und übernehmen wirkliche Sachbearbeiteraufgaben. Sie fahren mit auf Messen. Unsere Azubis sind übrigens alle mindestens zweisprachig zusätzlich zur Muttersprache. Wenn sich hier jemand schwertut, wird er geschult.
Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiter auf dem Weg der Veränderungen mit?
Das kriegen Sie nur über Kontinuität über lange Zeiträume hin, über viel Gespräche, über viel Information. Wir informieren unsere Mitarbeiter ausführlich über die Unternehmenszahlen und über Projekte, die im Unternehmen laufen. Wenn man neu in ein Unternehmen kommt, ist es zunächst einmal schwierig, die Leute für Änderungen zu gewinnen. Am Anfang ist man einfach nur der Spinner, der viele neue Ideen hat. Im Lauf der Zeit merken die Mitarbeiter, dass sich tatsächlich Dinge nach vorne verändern. Wir haben unser Eigenkapital in den letzten drei Jahren fast verdoppelt, die Liquidität ist wieder sehr gut. Wir sind insgesamt gut aufgestellt, die Prozesse laufen viel besser, wir haben beispielsweise innerhalb von einem halben Jahr SAP eingeführt. Unser Marketing hat sich verändert. Unser Außenauftritt ist zum Beispiel wesentlich dynamischer geworden, viel frischer. Für die Mitarbeiter ein Signal: Was wir anfangen, wird auch erfolgreich zu Ende gebracht und funktioniert hinterher.
Das heißt, so ein Erneuerungsprozess im Unternehmen ist gleichzeitig auch Mitarbeiterentwicklung.
Wenn Mitarbeiter eine Perspektive sehen im Unternehmen und wie sich das Unternehmen entwickelt, dann sind sie auch stolz auf ihr Unternehmen und arbeiten dort gern. Wir brauchen Mitarbeiter, die engagiert für die Marke einstehen. Das muss man am Telefon merken, das muss man merken, wenn man sonst mit einem Mitarbeiter redet. Das ist es, was ein Markenunternehmen ausmacht. Dann tragen Mitarbeiter auch die Visionen der Firma mit.
Ihre neuen knallgelben Firmenfahrzeuge sind nach außen eine sehr auffällige Neuerung.
Wir haben etwa 40 Dienstwagen, die auf die Firma laufen, und das international. Das sind ungefähr 4 Mio. gefahrene Kilometer, und überall werden wir gesehen mit diesen Autos. Und die sind eben nicht rot mit einem kleinen dezenten Hinweis am Nummerschild, sondern sind knallsignalgelb, und dann steht da Floragard hinten und vorn drauf, das hat einen hohen Aufmerksamkeitswert. Nicht nur die Außendienstler fahren diese Fahrzeuge, sondern jeder im Unternehmen, dem ein Dienstwagen zusteht, mich eingeschlossen. Das war für unsere Führungskräfte schon ein absoluter Tabubruch, nicht mehr schwarze Wagen zu fahren, sondern gelbe. Jetzt machen wir das schon ein paar Monate mit den Autos und die Leute kommen und sagen: Was wir für eine Aufmerksamkeit bekommen, ist unglaublich. Wenn man drei Mal an dieselbe Tankstelle kommt, wird man angesprochen: „Floragard – sind das nicht die? Was machen die denn?“ Die Mitarbeiter merken das nun und sind vielleicht sogar ein bisschen stolz drauf, dass wir etwas machen, was provoziert und andere sich vielleicht nicht trauen würden.
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