„Der Gartenbau ist besonders vielfältig“
Der Gartenbau in Baden-Württemberg präsentiert sich sehr vielfältig. Peter Hauk, (noch) Minister für Ernährung und Ländlichen Raum in der baden-württembergischen Landesregierung, äußerte sich im DEGA-Gespräch zu Chancen und Herausforderungen des Gartenbaus im Lande.
- Veröffentlicht am
DEGA: Welche Bedeutung hat der Gartenbau für die Landwirtschaftspolitik in Baden-Württemberg?
Hauk: Der Gartenbau ist für uns ein ganz wesentliches Feld, weil wir uns mit ihm von anderen Flächenländern teilweise deutlich unterscheiden. Wenn ich Garten-, Obst- und Weinbau als Sonderkulturen zusammennehme, so machen diese immerhin ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Produktion in Baden-Württemberg aus. Damit trägt der Gartenbau zur Diversifizierung der baden-württembergischen Landwirtschaft erheblich bei. Zum Zweiten ist er auch ein wesentlicher Faktor unserer Zielsetzung, die Ernährung durch regional erzeugte, qualitativ hochwertige Produkte sicherzustellen.
DEGA: Wie sehen Sie den Gartenbau im Vergleich zu anderen Agrarsparten im Land?
Hauk: Der Gartenbau ist besonders vielfältig. Zum Teil sind hier außerdem die Investitionen viel größer als in anderen Bereichen. Dafür braucht es eine besondere politische Strategie. Der Gartenbau ist außerdem gerade im Unterglasbereich sehr energieintensiv. Hier muss man steuermindernde Faktoren und Anderes im Bereich der Steuergesetzgebung ständig im Auge behalten.
DEGA: Land, Bund – Europa: Ein großer Teil der Agrarpolitik wird mittlerweile auf europäischer Ebene gemacht. Was kann Agrarpolitik auf Landesebene noch bewegen?
Hauk: Die Landespolitik kann vor allem im Rahmen der zweiten Säule (Entwicklung des ländlichen Raums, Anmerkung der Redaktion) Entscheidendes bewirken, vor allem durch die Wahl der Schwerpunkte. Denken Sie an das Thema Investitionsförderung zum Beispiel. Wie viel Geld setze ich in welchem Bereich ein? Investiere ich stärker in die vorhandenen Stallbauten oder stärker in den Unterglasgartenbau beispielsweise? Da hat Landespolitik ein ganz entscheidendes Steuerungsinstrument in der Hand. Dabei gibt es große Gestaltungsbereiche: Wie viele Mittel setzen wir für die Landwirtschaft ein und wie viel geht in die Infrastruktur ländlicher Räume? In Baden-Württemberg setzen wir fast alle dieser Mittel der EU im Bereich Landwirtschaft ein. Da haben wir Gott sei Dank die Spielräume, dass wir auch für den Gartenbau einen Schwerpunkt bilden können.
DEGA: Wo sehen Sie für den Gartenbau im Land für die nächsten Jahre Herausforderungen und Chancen?
Hauk: Der Gartenbau ist eine sehr differenzierte Branche mit seinen vielen Sparten in Produktion, Handel und Dienstleistung. Generell gilt, dass wir alles daransetzen müssen, den Gartenbau wettbewerbsfähig zu halten. Das bedeutet eine intensive Aus- und Fortbildung. Das machen wir in den beiden Gartenbauanstalten in Hohenheim und Heidelberg. An den steigenden Produktionskosten können wir nur sehr mittelbar etwas verändern. Das Zweite, was für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend ist: Wir wollen dafür sorgen, dass die nötigen Investitionen getätigt werden können. Der Betrieb Hayler in Weinstadt ist ein gutes Beispiel dafür. Der Betriebsleiter sagte mir, ohne die Investitionsförderung wäre die Firma nicht in der Lage gewesen, die Investition tätigen zu können.
Einen Schwerpunkt, den ich ausmache, sehe ich bei den Unterglasflächen. Wenn wir im Südwesten unsere Wettbewerbsvorteile im Gartenbau erhalten wollen, brauchen wir dringend eine Sanierung oder auch einen Ersatz überalterter Unterglasflächen. Zum Zweiten brauchen wir eine erhebliche Ausweitung dieser Flächen.
DEGA: Sie berücksichtigen in Ihrem Haus auch die Wünsche und Anliegen der Verbraucher. Sehen Sie aus deren Sicht Chancen für den Gartenbau, die von diesem noch zu wenig genutzt werden?
Hauk: Ich mache ein, zwei Trends aus. Das eine ist ein Trend zu mehr Regionalität und Spezialität. Immer mehr Menschen, auch wenn das noch nicht die Mehrheit ist, wollen wissen, woher die Produkte kommen, die sie kaufen. Sie sind bereit, verstärkt regionale heimische Produkte zu kaufen. Das zweite ist ein Trend zum Convenience-Produkt. Wer es schafft, dass er nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Verarbeitung aktiv ist, der hat zweifelsohne zusätzlich Wertschöpfungsmöglichkeiten, die er nutzen kann. Beide Trends müssen verfolgt werden. Deshalb ist unsere Förderstrategie darauf ausgerichtet, dass wir Unternehmen in diesem Sektor besonders unterstützen. Ein Drittes ist die Frage der Qualität der Produkte. Da sind wir bereits auf einem wirklich guten Level. Die deutschen und baden-württembergischen Verbraucher sehen, dass die Qualität unserer Produkte sehr hoch ist. Die Untersuchungen unserer Lebensmittelbehörden belegen, dass wir die geringsten Auffälligkeiten haben. Dort, wo es negative Abweichungen gibt, gehen diese in der Tendenz deutlich stärker von importierter Ware aus. Das ist ein Qualitätsmerkmal für heimische Produkte. Ein Weiteres: Ich glaube, dass der Markt noch nicht gesättigt ist im Bereich Bio. Wenn man Bio und Regionalität zusammenführt, wird es erst richtig spannend, denn Bio über weite Strecken angekarrt ist nicht unbedingt ökologisch. Aber wenn wir Bio und Regionalität zusammenführen, können wir damit Verbraucher ansprechen. Für Leute im Land, die sich mit Bioprodukten ernähren wollen, dürfte eigentlich gar nichts anderes in den Kühlschrank kommen als das Biozeichen Baden-Württemberg, das die Kombination aus biologischer Produktion und Regionalität gewährleistet.
DEGA: Die beiden Gartenbauverbände in Baden-Württemberg wollen sich demnächst zusammentun. Wie verfolgen Sie diese Entwicklung und wie beurteilen Sie diese?
Hauk: Ich begrüße diesen Prozess außerordentlich. Der Entschluss der beiden Verbände in Württemberg und Baden, künftig einen gemeinsamen Weg zu gehen, ist gut und ich glaube, er ist auch zukunftsweisend. Dabei ist es natürlich Sache der Mitglieder und der beiden Verbände, diesen Weg zu gehen. Der liegt primär im Interesse der Verbände und ihrer Mitglieder selbst. Deren Schlagkraft wird sich dadurch noch ein ganzes Stück erhöhen. Es ist ein allgemeiner Trend, dass Verbände ihre Kosten senken müssen. Am Ende kann ein gemeinsamer Verband zwar nicht unbedingt günstigere Beiträge, aber seinen Mitgliedern mehr Dienstleistungen als zuvor bieten. Und vielleicht ist die Fusion der Verbände ja auch ein Anstoß für den einen oder anderen Mitgliedsbetrieb, seinerseits einmal über Kooperationen, wenn auch nicht unbedingt über Fusionen, nachzudenken.
DEGA: Ihre eigenen Tätigkeitsfelder im Ministerium sind sehr vielfältig. Sie haben mit verschiedenen Berufssparten zu tun und sind darüber hinaus Ansprechpartner für die Verbraucher. Wie managen Sie so viele unterschiedliche Aufgaben? Und was würden Sie Gartenbauunternehmern aus Ihrer persönlichen Erfahrung weitergeben?
Hauk: Ich selbst habe mit der Land- und Forstwirtschaft eine gute Startvoraussetzung gehabt, weil ich eine Fachausbildung durchlaufen habe. Dann hat in meiner Ausbildung auch die Betriebswirtschaft eine große Rolle gespielt. In meinem früheren beruflichen Leben habe ich auch als Kaufmann agiert. Natürlich hatte ich im Ministerium am Anfang keine vertiefte Erfahrung im Bereich Gartenbau. Aber das Entscheidende ist die Bereitschaft, sich grundlegend zu informieren, zum Teil durch eigene Praxis, zumindest durch Besuche vor Ort, um eine möglichst große Bandbreite abzudecken. Durch breite Information ist man dann auch in der Lage, sich neuen Herausforderungen in den Fachbranchen fachlich fundiert zu stellen und fachlich fundiert gemeinsam mit Spezialisten dann auch anzugehen. Da gilt wie für jeden Unternehmer: Wer mit Scheuklappen durch die Gegend läuft, hat es deutlich schwerer.
DEGA: Noch etwas verbindet Politiker und Unternehmer: Beiden fällt es oft schwer, das Arbeiten sein zu lassen und sich Freizeit zu nehmen. Wie schaffen Sie sich Freiräume?
Hauk: Es ist schon entscheidend, dass man nicht jahraus jahrein sieben Tage pro Woche 14, 16 oder 18 Stunden arbeitet. Das ist für mittelständische Familienunternehmer gleichermaßen schwierig wie für Politiker, denn zu tun gibt es immer etwas. Eigentlich muss man eher immer in Abwehrstellung sein und sagen: Das darf ich nicht auch noch machen, sonst geht es nicht mehr. Oft genug macht man es dann aber doch und gerät unter großen zeitlichen Druck.
Wichtig ist, sich Freiräume zu schaffen, zum Beispiel wenigstens einen freien Wochenendtag. Bei mir bleibt der Sonntag weitestgehend frei. Das sind nicht 52 Sonntage im Jahr, aber 30 bis 40 Sonntage sind es schon. Einen Tag in der Woche und einen Abend mindestens in der Woche sollte man versuchen, für sich selbst zu reservieren. Ich glaube, das braucht man, um einigermaßen einen klaren Kopf zu behalten und die Dinge bewältigen zu können. Als Zweites kommt dazu, dass man auch jeden Tag rechtzeitig zur Ruhe kommt und nicht meint, man müsse bis Mitternacht oder länger durcharbeiten.
Mit Peter Hauk sprach Christoph Killgus
(c) DEGA P&H online, 19.2.10
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.