Wertvolle Pflanzensammlungen erhalten
Wie können wertvolle Pflanzensammlungen nachhaltig gesichert und bewahrt werden? Diese Frage beschäftigte die über 90 Teilnehmer des Symposiums „Netzwerk Pflanzensammlungen“ am 29. und 30. August 2009 in Erfurt, das von Garry Grüber, Cultivaris, moderiert wurde.
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Pflanzensammler, Vertreter von Pflanzenliebhaber-Organisationen, Züchter und Wissenschaftler waren der Einladung der Deutschen Gartenbaugesellschaft 1822 e.V. und des Deutschen Gartenbau-Museums gefolgt. „Ordnung ohne Vielfalt bedeutet Uniformität, Vielfalt ohne Ordnung bedeutet Chaos“, stellte DGG-Präsident Karl Zwermann an den Beginn der Veranstaltung. Er dankte Helga Panten und Peter Ruhnke, Bonn, von denen die Initiative für die Veranstaltung ausgegangen war und die die inhaltliche Organisation übernommen hatten.
Den politischen Rahmen umriss Siegfried Harrer von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Viele Staaten, darunter auch Deutschland, hätten 1991 die Convention on Bio-Diversity (CBS) – Konvention für Biologische Vielfalt – unterzeichnet. 75 % der Arten und Sorten weltweit seien in den vergangenen 100 Jahren verloren gegangen.
Historische Sammlungen leisten viel
Der erste Teil des Symposiums zeigte Beispiele, wie historische Sammlungen in Deutschland bewahrt werden:
Der „Park der Gärten“ in Bad Zwischenahn hütet unter anderem Teile der Kleinkoniferen-Sammlung von Johann Diedrich zu Jeddeloh sowie den Pagels-Garten mit den Züchtungen von Ernst Pagels. Björn Ehsen, Leiter des Parks der Gärten, erläuterte, dass diese und andere Sammlungen und Gärten in Zusammenarbeit mit sogenannten Grünpartnern entstehen.
Das Rosarium Sangerhausen, das in diesem Jahr den Status als Genbank Rosen erhalten hat, wurde 1903 gegründet und umfasst heute eine Sammlung von 8 300 Rosen. Um sie zu erhalten, wird auf der Basis einer Datenbank laufend neu veredelt – bei empfindlichen Sorten jährlich, erläuterte der Leiter des Rosariums Thomas Hawel.
Welche Anstrengungen nötig sind, um eine verloren gegangene Sammlung wieder aufzubauen, wurde bei Landschaftsarchitektin Bettina Bergande deutlich. Sie war seit 1996 in die Restaurierung der Potsdamer Freundschaftsinsel eingebunden, die Karl Foerster vor dem 2. Weltkrieg als „Blütengarten der Zukunft“ angelegt hatte. Heute sind viele der Foerster-Sorten nicht mehr im Handel. Daher begann eine intensive Suche in Staudengärtnereien und privaten Gärten. Durch Vergleichen eingesandter Pflanzen, Recherche in Katalogen und Literatur gelang es, 200 Foerster-Sorten sicher zu identifizieren. Zur Buga Potsdam 2001 konnte sich die Insel daher im Glanz alter Foerster-Stauden präsentieren. Danach wurde sie wieder eingegliedert ins öffentliche Grün der Stadt. Seither kämpft der Leiter der Freundschaftsinsel, Jörg Näthe, gegen Vandalismus, Verunreinigungen, die Belastungen durch den Stadtkompost, den er zur Versorgung der Flächen verwenden muss.
Pflanzensammler mit viel Leidenschaft
Mit welcher Begeisterung, aber auch physischer und finanzieller Anstrengung heutige Sammler sich ihren Pflanzen widmen, riss Helga Panten in der Vorstellung ihres neuen Buches „Pflanzensammler und ihre Leidenschaft“ an (siehe auch Beitrag aus diesem Buch ab Seite 21). „Es ist dem Menschen eigen, sich sein Umfeld vollständig werden zu lassen“, zitierte Ulrich Haage, Inhaber des traditionsreichen Kakteen-Unternehmens in Erfurt, mit Blick auf den ernsthaften Sammler, der seine Sammlung möglichst vollständig haben will. Es sei von größter Bedeutung, derartige Sammlungen zu erhalten, auch wenn er das sehr strenge Konzept der Nationalen Schutzsammlungen, wie es von den botanischen Gärten ausgearbeitet wurde, für nicht umsetzbar hält.
Exemplare abgeben, damit die Pflanzen sicher sind, dazu ermutigte Pelargonien-Sammler Dieter Stegmeier, Essingen, die Anwesenden. Seiner Erfahrung nach gibt es oft eine sehr gute Zusammenarbeit mit botanischen Gärten. Geht der zuständige Gärtner, verschwinde allerdings oft auch die Sammlung.
Es gibt Netzwerke bereits in verschiedenen Ländern
Von der hervorragenden Stellung der privaten Sammlungen in der künftigen Genbank Rhododendron berichtete Caroline Schmidt, Lehr- und Versuchsanstalt, Bad Zwischenahn. 123 Wildarten in privater Hand stehen 111 Wildarten in den botanischen Gärten gegenüber. An der Genbank, die noch in diesem Jahr eröffnet werden soll, beteiligen sich sieben Baumschulen, zehn private, elf botanische und neun öffentliche Gärten. Die Genbank unterscheidet zwischen sammlungshaltenden und unterstützenden Partnern, deren gemeinsame Aufgabe es ist, den Bestand gesund zu erhalten, Gefahren zu melden, die Pflanzen zu kennzeichnen und zu dokumentieren sowie eine jährliche Inventur durchzuführen. Die sammlungshaltenden Partner müssen neben der Dokumentation auch verifizieren, das heißt von jeder Sorte mindestens zwei Exemplare an zwei Standorten vorhalten, die in einer Datenbank beschrieben werden. Außerdem sind die Sammlungshalter zur Materialabgabe verpflichtet.
Stefan Strasser, Erlangen, Sohn des Lilienzüchters Viktor Strasser, versucht aus eigener Kraft eine Lilienarche aufzubauen, die die alten gartenwürdigen Sorten enthält und wieder in die Gärten zurückbringt. Er appellierte an alle, ihm bei der Suche nach alten und verschollenen Sorten zu helfen.
Die Arbeit von Plant Heritage (früher National Council for the Conservation of Plants and Garden NCCPG) erläuterte Linda Eggins. Die englische Organisation wurde bereits 1978 gegründet, nachdem man festgestellt hatte, dass mit dem Tod der Pflanzensammler viele Pflanzen, aber auch viel Wissen und Erfahrung verloren gehen.
Da fast in jeder Stadt und in jedem Dorf mindestens ein Gärtnerverein besteht, wurden damals alle Grafschaften aufgefordert, Gesellschaften für den Erhalt des pflanzlichen Erbes zu organisieren. Heute gibt es 38 regionale Gruppen im Land und insgesamt 450 Halter nationaler Sammlungen, die 650 verschiedene Pflanzensammlungen pflegen und sichern. Linda Eggins besitzt die nationale Aucuba-Sammlung.
Um anerkannt zu werden, müssen Sammlungen mindestens 65 % der im Plant Finder aufgelisteten Sorten umfassen. Richtige Benennung und Beschreibung sind wichtig. Pflanzen müssen für Verkauf und Tausch vermehrt und Besucher empfangen werden.
Damit eine Sammlung sicher ist, müssen die Pflanzen an einem weiteren Ort ein zweites Mal aufbewahrt werden. Außerdem gehören das Beantworten von Fragen, Information und Unterricht zu den Aufgaben der Collection Holder.
Ein etwas anderes Konzept verfolgt die Schweizer Organisation ProSpezieRara, über die Esther Meduna berichtete. Auch sie hat sich den Erhalt genetischer Vielfalt auf die Fahnen geschrieben, will traditionelle Werte und altes Wissen erhalten und durch Nutzungsförderung für alle den Zugang dazu ermöglichen. Die Organisation, die sich auch um alte Nutztierrassen, Ackerpflanzen, Obst und Gemüse kümmert, konzentriert sich auf historische Sommerblumen, Stauden und Zwiebelpflanzen. Gesucht sind Sorten, die in der Schweiz gezüchtet oder entstanden sind oder Schweizer Lokalnamen tragen. Sie müssen nachweislich vor 1970 in der Schweiz angebaut worden und kaum mehr im Handel verfügbar sein. Zurzeit umfasst die Sammlung 100 Sorten, die in zwei Sichtungsgärten vorgestellt werden.
Der Weg zu einem Netzwerk in Deutschland
Peter Ruhnke, Bonn, umriss die Aufgaben, die für die Gründung eines Netzwerks gelöst werden müssen:
Steuerungsgruppe bilden,
Ziele des Netzwerks und sein Spektrum (Besitzer von Sammlungen, Pflanzenbereiche und Mitglieder) festlegen,
Aufgaben des Netzwerks festlegen,
Hemmnisse analysieren und Lösungen erarbeiten,
Partner für den Aufbau des Netzwerks finden,
Unterstützer/Förderer finden,
Pflanzensammlungen erfassen,
Regeln und Standards für Sammlungen erarbeiten,
Aufgaben der Sammler festlegen,
Sammlungen bewerten und
Lösungen für den Fortbestand von Sammlungen erarbeiten.
Wie nötig es ist, zu einer Lösung für die Pflanzensammlungen zu kommen, machten die Anwesenden in der engagierten Diskussion deutlich.
Viele signalisierten Bereitschaft, ein künftiges Netzwerk mit zu tragen. Daher wird die Deutsche Gartenbaugesellschaft in ihrer kommenden Jahrestagung Anfang Oktober einen ersten Entwurf für ein Kuratorium entwickeln, das den Pflanzen-Liebhaber-Organisationen zur Diskussion und Abstimmung in den Gremien zugeschickt wird. Dieser Abstimmungsprozess sollte bis zu Beginn des kommenden Jahres abgeschlossen sein. Dann wird man erneut zusammenkommen und erste konkrete Schritte vereinbaren.
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