+ + + Es gibt viele gute Gründe für Blumen und Pflanzen
Trotz eines herausfordernden Umfelds hat sich der Gartenmarkt im vergangenen Jahr im Vergleich zu anderen Branchen recht stabil gezeigt. Trotz Energiekrise und Konsumvorsicht der inflations- und politikverunsicherten Kundschaft sind die im Vorfeld prophezeiten Rückgänge nicht so stark eingetroffen wie befürchtet. Das gibt Zuversicht für 2024.
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Erkennbar ist das wachsende Interesse am Garten und Grün allgemein ebenso wie eine zunehmende Bewusstseinsbildung für die Bedeutung von Natur und grünen Räumen für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Immer mehr Menschen schätzen die Vorteile des Gärtnerns, sei es als Hobby oder um ihren eigenen Nahrungsmittelanbau zu betreiben.
Im aktuellen „Branchen-REPORT Garden-Living, Gardening und Lebendes Grün – Perspektiven bis 2030“ wird dem deutschen Gartenmarkt eine deutlich bessere Entwicklung als im Langzeit-Trend prophezeit, sofern es gelingt, die beliebtesten Kommunikations- und Informationsquellen der Zielgruppe weiter zu bedienen und Verbraucherinnen und Verbraucher weiter für Blumen und Pflanzen zu begeistern. Dass dies gelingen kann, verheißen aktuelle Studien.
Mehr Zeit im Garten
Die Verbraucher interessieren sich auch nach der Corona-Pandemie für Blumen und Pflanzen und verbringen laut einer Umfrage des Motorgeräteherstellers Stihl immer mehr Zeit im Garten. Spannend ist, dass diese Beobachtung vor allem bei den jüngeren Gartenbesitzern gemacht wurde. Als Begründung für den gestiegenen Zeitaufwand im eigenen Garten gibt die Mehrheit als Motiv an, dass sie den Garten als Ort der Entspannung und der Ruhe sieht, sowie das Zusammensein mit Freunden und der Familie genießt. Viele geben in der Studie an, dass sie Zeit in der Natur verbringen wollen oder selbst kreativ werden und Projekte umsetzen wollen.
Gärtnern für mein Leben gern
In der Do-It-Yourself Studie 2023 von Einhell wurde das Verhalten der Verbraucher in den eigenen vier Wänden und im eigenen Garten analysiert. Zentrale Erkenntnis ist, dass mehr als zwei Drittel der Befragten der Aussage „Ich gärtnere für mein Leben gerne" zustimmen. Die Motive für die Betätigung sind laut der Studie vor allem Unabhängigkeit, Erholung, Selbstverwirklichung und Selbstbestätigung.
Gesundes Naschen boomt
Essbare Pflanzen sind nach wie vor der Renner im Sortiment. Gemüse und Kräuter, die zuverlässig wachsen und dabei einen schmackhaften Ertrag bringen, sind weiterhin sehr beliebt bei den Hobbygärtnern. Der Trend der Selbstversorgung ist ungebrochen, solange die Pflanzen geschmackvoll und aromatisch sind.
Nach Aussagen von Facheinzelhändlern ist der Absatz des Gemüses stabil bis steigend. So wurden 2023 mit diesem Sortiment im Vergleich zu 2022 nicht selten Steigerungen von 10 % registriert. Die Steigerungen kamen dabei oft durch höherwertige Sorten oder größere Töpfe zustande.
Starke Produkte für einen starken Markt
Auf der IPM ESSEN werden erneut Innovationen im Pflanzenmarkt vorgestellt. „Grüne Klimahelden“ sind Pflanzen, die besonders gut mit Trockenheit, Hitze und Starkregen zurechtkommen. Das Thema Klimawandel ist nach dem erneuten Hitzesommer spürbar angekommen. Laut Auswertungen des deutschen Wetterdienstes war der Sommer 2023 zum 27. Mal in Folge im Durchschnitt zu warm. Plakativ ausgedrückt bedeutet dies, dass eine Person unter 30 Jahren im Grunde noch nie einen „normalen“ Sommer erlebt hat. Entsprechend ist das Thema Trockenheit laut einer Studie der Stihl AG bereits ein wichtiges Thema bei den Verbrauchern. Die Mehrheit berücksichtigt das Thema bei der Auswahl neuer Pflanzen, ein Teil davon sogar stark oder sehr stark.
Heimische Wildstauden und heimische Gehölze sowie natürlich anmutende Pflanzungen mit Wiesencharakter zogen laut Handelsexpertn die Aufmerksamkeit auf sich. So wird beobachtet, dass immer mehr Verbraucher bereit sind, ihren Garten naturnaher umzugestalten. Auf der IPM ESSEN werden mit Stauden-Pflanzkombinationen Lösungen angeboten, die ökologischen Mehrwert für den Erhalt der Artenvielfalt bieten und gleichzeitig in den Gärten und Städten gedeihen.
Pflegeleicht und bienenfreundlich
Pflegeleichtigkeit und Bienenfreundlichkeit sind Ansprüche, die die Kunden immer stärker am Point-of-Sale nachfragen. Pflanzen sollen oft robust sein und, wenn möglich, dem fortschreitenden Artensterben vorbeugen. So ist auch „Insektenfreude mit regionalen Wildpflanzen“, ein Projekt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt, ein wichtiger Baustein, die regionalen Wildpflanzen zu fördern und die Gärten und Grünflächen zu mehr Artenvielfalt zu transformieren. Die neuen Produkte gehen dabei oft in vielversprechenden Konzepten auf: Allen Konzepten gemein ist, dass sie den Konsumenten plakativ bewusst machen, dass sie mit lebendigem Grün ihren kleinen persönlichen Beitrag zum Klima- und Naturschutz leisten können und fertige Lösungen angeboten bekommen.
Ökosystemleistungen werden wichtiger
Der Futurologe Max Thinius schreibt dem Garten eine immer größere gesellschaftliche Bedeutung zu. So sind Pflanzen und Gärten aus seiner Sicht sowohl für das Umweltklima als auch für das soziale Klima bedeutend. Die Ökosystemleistungen von Blumen und Pflanzen sind ein Zukunftsthema, welches die Bundesregierung als förderwürdig erkannt hat.
Auf dem Verbandskongress des Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau im Spätsommer 2023 wurde seitens der Politik noch einmal auf die Bedeutung des Stadtgrüns hingewiesen. Es geht darum, Städte zukünftig klimaresilienter zu machen. In der Folge sind immer mehr Städte zu beobachten, die ihre Budgets zum Pflanzen von Bäumen in der Stadt deutlich ausweiten. Der sogenannte „Tiny Forest“ (deutsch: Kleinwald, Mikrowald), bei dem auf einer kleinen Fläche viele Bäume im Stadtgebiet angepflanzt werden, ist nur eine Erscheinung von vielen des Bedeutungszuwachses von Grün in der Stadt. Zeitweise stellt sich die Frage, wie die erhöhte Nachfrage nach Gehölzen bedient werden kann.
Mit dem Projekt INUGA hat das Bundeministerium für Ernährung und Landwirtschaft in einem Innovationsprogramm die „Bekanntmachung über die Förderung von Innovationen im urbanen Gartenbau“ veröffentlicht. Ziel ist es, den Gartenbausektor als Wirtschaftszweig im Allgemeinen sowie im Hinblick auf seinen Beitrag zur grünen Infrastruktur, zu einer nachhaltigen Pflanzenproduktion und zu sozialen Aspekten im urbanen Raum zu stärken. Daraufhin haben sich zwölf zukunftsweisende Verbundprojekte mit insgesamt 31 beteiligten privaten Unternehmen und Forschungseinrichtungen gegründet, die an unterschiedlichen Fragestellungen zum Urbanen Gartenbau forschen. Das Projekt ist auf IPM präsent.
Immer mehr Digitalisierung und Smart Garden
Parallel zur Annäherung an naturnahe Gärten schreitet der Trend zur Digitalisierung im eigenen Garten voran. Dazu gehören Smart-Gardening-Lösungen. Besonders beliebt sind dabei automatische Bewässerungen und Mähroboter.
Kaufkraft: Weniger Geld steht zur Verfügung
Unabhängig von der Bedeutung und Relevanz von Blumen und Pflanzen ist hingegen die Frage, inwiefern sich die Verbraucher Blumen, Pflanzen und andere gartenbauliche Produkte in Inflations- und Krisenzeiten leisten können.
Trotz steigender Löhne sinkt laut Auswertungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) die Kaufkraft der Deutschen. Die Folge ist ein Rückgang der durchschnittlichen Reallöhne in Deutschland. Scheinbar hohe Lohnzuwächse werden durch die kalte Progression wieder kassiert. Die Stimmung ist nach wie vor von Verunsicherung und Sorgen geprägt, was den unbeschwerten Konsum bremst.
Die schlechte Konsumstimmung in Deutschland zeigte sich zur Jahresmitte 2023 im Onlinehandel. Dort sanken die Umsätze im ersten Halbjahr 2023 deutlich unter das Niveau des ersten Halbjahres 2022. Vergleicht man allerdings den Wert mit dem gesamten Halbjahr 2019, also mit Werten vor der Corona-Pandemie, muss man feststellen, dass die vermeintlich schlechten Werte von 2023 deutlich über dem Standard liegen.
Stationärer Handel ist nicht tot
In Hinblick auf die schwächelnden Online-Umsätze ist es interessant zu schauen, wie sich die Umsätze im stationären Handel entwickeln. Die Umsätze in den Bau – und Fachgartenmärkten (DIY-Branche) sanken bis zum Ende des dritten Quartals 2023 zwar leicht, die Rückgänge sind aber nicht in demselben Ausmaß wie die anderer Branchen. Die grüne Branche ist recht stabil.
Laut Branchenexperten haben viele Verbraucher 2023 ihren Urlaub wieder zuhause auf dem Balkon oder im Garten verbracht, wovon der stationäre Gartenmarkt positiv profitieren konnte. Die Auswertung von Durchschnitts-Bons im Facheinzelhandel bestätigt diese Vermutung. Der Kaufbetrag je Kundin oder Kunde stieg in den Sommermonaten, obwohl die Kundenfrequenz abnahm.
Der stationäre Handel ist noch lange nicht tot – auch wenn das immer wieder gerne prophezeit wird.
Das Thema Nachhaltigkeit hat laut einer aktuellen Haushaltsbefragung der Konzept & Markt GmbH für acht von zehn Gartenmarktkunden Relevanz, steht aber als Entscheidungskriterium für die Auswahl beim Kauf deutlich hinter Qualität und Preis-Leistungs-Verhältnis. Aktuell bremst die Inflation laut Untersuchungen der GfK den nachhaltigen Konsum deutlich ein. Die Hälfte der Befragten einer Studie geben an, dass sie sich Nachhaltigkeit nicht leisten können, 2019 waren das nur ein Drittel. Deutlich ist, dass nachhaltiger Konsum zunehmend eine Frage des Einkommens wird. Außerdem möchten zwei Drittel der Verbraucher trotz ihres ökologischen Bewusstseins nicht auf einen gewissen Komfort verzichten.
Wandel bei den Warenströmen ist erkennbar
In der neuen Warenstromanalyse der AMI werden die Vermarktungswege für Blumen, Zierpflanzen und Gehölze beschrieben. Sehr interessant ist, dass die Dynamik der Warenströme zunimmt. Zunehmend organisieren sich Großverbraucher, der Einzelhandel, Dienstleister des Galabaus und Friedhofbaus sowie der Innenraumbegrünung, aber auch Endverbraucher anders bei der Beschaffung ihrer Blumen und Pflanzen. Es wird zunehmend auf Direktimporte gesetzt oder die Lieferkette verkürzt.
Cocooning ist wieder stark
Handelsexperten gehen davon aus, dass die Verbraucher sich mit unsicherer Weltpolitik, einhergehend mit Energiekostensteigerungen und steigender Inflation 2024 noch mehr auf die eigenen vier Wände konzentrieren werden. Der Cocooning-Effekt steht wieder in den Startlöchern, wobei der Markt für Gartenpflanzen aufgrund der während der Pandemie in weiten Teilen fertiggestellten Gartenprojekte nicht mehr in der Art wachsen wird wie in den letzten drei Jahren. Nichtsdestotrotz wird deutlich, welchen hohen Stellenwert lebendiges Grün gerade in Krisenzeiten auch bei angespannten Budgets der Konsument hat.
Mindestlohn steigt weiter
Etwas besorgt beobachtet die Branche die Entwicklung der Lohnkosten. Nach mehreren Erhöhungen des gesetzlichen Mindestlohns in den letzten Monaten stieg der Lohn zum 1. Januar 2024 erneut, 2025 dann noch einmal.
Diese Lohnerhöhungen werden zahlreiche Betriebe im Gartenbau vor Herausforderungen stellen. In Hinblick auf den erheblichen Wettbewerbsdruck aus dem Ausland durch Pflanzenimporte wird mit den steigenden Lohnkosten das Risiko mangelnder Wettbewerbsfähigkeit steigen.
„Zuversicht ist Unternehmerpflicht!“
Egal wie sich die Kosten auch 2024 verändern werden, wichtig ist, mit Zuversicht die Chancen, die der Gartenbau bietet, zu nutzen. Die Chancen sind zahlreich, wenn man allein 2023 gesehen hat, dass Themen wie „Barbie“ oder Digitalisierung Kunden überraschend begeistern.
Die Klimakrise mit den Extremwetterereignissen ist im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen. Maßnahmen zum notwendigen Klima- und Umweltschutz eröffnen neue Chancen und Vermarktungspotenziale für Gartenbauprodukte.
Die Relevanz von Blumen und Pflanzen für die Bevölkerung ist und bleibt hoch.
Der Gartenbau verkauft Emotionen und Ökosystemleistungen – begehrte Produkte mit großer Bedeutung. Dies sollte die Branche den Verbrauchern auch deutlich zeigen!
Andreas Löbke, CO CONCEPT, im Auftrag der Messe Essen zur IPM ESSEN 2024
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