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Stipendium Erasmus+

Auslandspraktikum – Azubis fördern und halten

Die Europäische Union unterstützt mit ihrem Programm Erasmus+ berufsbezogene Auslandspraktika - finanziell und organisatorisch. Einige Betriebe aus der grüne Branche haben ihren Azubis ein solches Praktikum bereits ermöglicht - ein Gewinn für alle Beteiligten.
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Heidi (Auszubildungsbetrieb W. Tammen) hatte eine Begegnung mit einem Mammutbaum.
Heidi (Auszubildungsbetrieb W. Tammen) hatte eine Begegnung mit einem Mammutbaum.privat
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Das Förderprogramm schließt alle in der EU beteiligten Länder und Partnerländer ein. Betriebe können Azubis für ein berufsbezogenes Praktikum in ein anderes Land entsenden und auch selbst Praktikanten aufnehmen.
Zwischen 2014 und 2020 wurden durch das Erasmus+ Programm deutschlandweit rund 149.000 Lernende in der Berufsausbildung gefördert*. Gemessen an der Gesamtzahl der Auszubildenden, die allein 2020 auf 1.288.962** beziffert wird, nutzen somit relativ wenige die Möglichkeit eines Auslandspraktikums. Nicht, weil sie es nicht wollen, sondern weil sie das Programm vielerorts nicht kennen.

Als Andreas Zitzmann (Dipl.-Ingenieur FH Gartenbau und Trainer für die grüne Branche, München) Anfang 2022 in Österreich Teilnehmern der Meisterschule und Inhabern von Gartenbaubetrieben das Förderprogramm Erasmus+ vorstellte, war dieses für fast alle ein neues Thema. Dass internationale Berufserfahrung als Bereicherung gesehen werden, zeigte sich unmittelbar. Von fünfzehn Personen haben gleich vier ihr Interesse bekundet. Die ersten Kontakte nach Deutschland wurden bereits geknüpft.

Ostfriesland meets Ireland

„Das Praktikum im Powerscourt Gardens sowie in dem exklusiven Privatgarten in Irland war für mich spannend, aufregend und vor allem sehr lehrreich."
Heidi, 2020 in der Ausbildung bei Wilfried Tammen, Leer

Im Gartenbaubetrieb „Der Landschaftsgärtner Wilfried Tammen“ (Leer) ist der Blick auf den gärtnerischen Nachwuchs ausgerichtet. Für Wilfried Tammen ist der Garten ein Lebensraum, in dem sich Menschen wohlfühlen. Diese Wohlfühl-Oasen werden von Mitarbeitenden geschaffen, die sich mit der Betriebskultur und dem Beruf identifizieren. Gezielte Nachwuchsförderung unterstützt das Identifikationspotential. Im März 2020 ermöglichte der Betrieb seinen zwei Auszubildenden und einer Umschülerin ein gärtnerisches Praktikum.

"… eine unheimliche Bereicherung gerade in Bezug auf die fachliche Arbeit und den Austausch in multikulturellen Teams, die Auffrischung meiner Englischkenntnisse und ganz besonders die Arbeit in Irland, mit solch einer beeindruckenden Fauna."
Nadine, 2020 Auszubildende bei Wilfried Tammen, Leer

Erfahrungen im Umgang mit mediterraner Flora und Fauna sammelten auch junge Erwachsene in der Ausbildung zum Friedhofsgärtner. Durch eine Kooperation zwischen dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg und dem Botanischen Garten in Marseille konnten Auszubildende nach Südfrankreich reisen. Initiator war die Berufsschule für Agrarwirtschaft. Gemanagt wurden die Praktika durch die Bildungseinrichtung Arbeit und Leben Hamburg und deren Partnerorganisation in Frankreich.

Vor Ort bekamen die Teilnehmenden Einblicke in die Arbeit mit Pflanzen der mediterranen Klimazone, deren Pflege, das Sammeln von Pflanzensamen und wurden im Staudenschnitt unterrichtet. Und „sie verbesserten ihre Sprachkenntnisse in Französisch und lernten französische Kultur und Lebensart kennen“, berichtet Marlène Lecamus von Arbeit und Leben Hamburg.

Ein besonderes Projekt initiierte Galabau Bayern mit der portugiesischen Pflasterschule in Lissabon und der „Knittel Gartengestalter GmbH“ (Weilheim). 2020 wurden das erste Mal Azubis nach Lissabon entsendet. Hier sammelten die Auszubildenen praktische Erfahrung in der Pflasterkunst „calçada portuguese“.

Win-Win-Situation

Ein Praktikum in der Pflasterschule in Lissabon nutzt perspektivisch auch dem Betrieb. Denn solche Spezialtechniken werden meist in der Ausbildung nicht vermittelt, werden aber gerade bei Privatgärten zunehmend nachgefragt. Vor diesem Hintergrund qualifiziert sich der Azubi mit seinem im Praktikum neu erworbenen Wissen zum „Lehrmeister“ im Betrieb.

Die Erweiterung der fachlichen Kompetenz ist aber nur die eine Seite. Viel entscheidender ist die Stärkung des Selbstbewusstseins der Azubis, das durch ein Auslandspraktikum gefördert wird. So berichtet Sylvia Eggers (Referentin für Nachwuchs, Galabau Nord), dass Betriebe in England oft überrascht waren, was Azubis aus Deutschland im zweiten Lehrjahr bereits konnten. Durch diese Wertschätzung wurde den Azubis bewusst, wie gut das deutsche Ausbildungssystem ist. So waren sie gleichermaßen stolz auf ihr Wissen und auf ihre Ausbildung in Deutschland.

Ähnlich beurteilt das auch Dr. Lena Thurau, Leiterin der Abteilung Bildung International bei Arbeit und Leben Hamburg: „Der Betrieb profitiert vom Kompetenz-Zuwachs des Azubis. Gleichzeitig wirkt sich ein Berufspraktikum in einem anderen Land positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung aus. Ein entscheidender Faktor für die Teambildung. Darüber hinaus können sich Handelsbeziehungen, Einkaufsquellen und Absatzwege erschließen. Internationale Erfahrung sieht Dr. Lena Thurau als „best practice“ und Englisch ist die „Brückensprache“.

Ausbildungsmarketing mit Erasmus+

Der Gartenbaubetrieb Karl Walker (Sindelfingen) entsendete 2020 zwei seiner Azubis. Für den einen ging es nach Irland, nach Belfast in den Mount Stewart Garden, für den anderen nach Cornwall, zum Mount Edgcumbe House und Country Park.

Die Praktikumserfahrungen der beiden Azubis sind auf der Website als Blogbeitrag zu lesen. Am Ende des Beitrags gibt es einen „call-to-action“-Button, der dazu auffordert, sich um einen Ausbildungsplatz bei Walker zu bewerben. Auch bei Facebook und Instagram werden die Auslandspraktika gepostet. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel kann auf diese Weise Erasmus+ als Ausbildungsbonus kommuniziert und im Personalmarketing eingesetzt werden.

Wer Nachwuchs gewinnen und halten möchte, braucht gute Argumente - Erasmus+ ist mit Sicherheit eines.

Auslandspraktikum - so geht’s mit Erasmus+:

Der Azubi wird vom Betrieb und von der Berufsschule freigestellt. Die Praktikumsdauer ist keine Urlaubszeit. Die Ausbildungsvergütung wird weitergezahlt. Teilnehmen kann man während der Ausbildung und bis zu einem Jahr nach Berufsabschluss. Das gilt auch für Personen in der Meisterausbildung.

Erster Ansprechpartner ist die Berufsschule, die meist einen Beauftragten für internationale Bildung hat. Einige koordinieren die Praktika komplett in Eigenregie. In der Regel kooperieren Berufsschulen mit einer für Erasmus+ akkreditierten Bildungseinrichtung wie z. B. Arbeit und Leben Hamburg. Diese verfügt über ein Kontingent von mehreren Hundert Erasmus+ Stipendium. Von ihr erhält der Azubi das Stipendium.Die Höhe des Stipendiums variiert in Abhängigkeit zu den Lebenshaltungskosten des jeweiligen EU-Landes (s. Beispiel Italien). Sorgen Azubi und Ausbildungsbetrieb eigenverantwortlich für Anreise, Versicherungsschutz, Praktikumsbetrieb, Unterkunft etc., werden die Fördermittel zu 100 % ausgezahlt. Alle entstehenden Kosten muss der Azubi selbst bezahlen.

Die meisten Betriebe übertragen diese Arbeiten einer akkreditierten Bildungseinrichtung. Sie verfügt über ein EU-weites Netzwerk und arbeitet mit Partnerorganisationen in den jeweiligen Praktikumsländern zusammen. Die Partnerorganisation kümmert sich vor Ort um alles. Der Azubi erhält somit sein Stipendium in Form von Sachleistungen wie z. B. Unterbringung, Sprachkurs, Bereitstellung eines Praktikumsplatzes, Rahmenprogramm. Sind alle Kosten abgedeckt, bekommt er den Restbetrag ausgezahlt. Die Kosten für Sachleistungen sind von Land zu Land unterschiedlich.

Die Kosten der Anreise werden bezuschusst. Wer vom „green travel“-Bonus profitieren möchte und mit Zug oder Bus anreist, erhält einen höheren Zuschuss als bei einer Flugreise.Die meisten Praktika dauern zwischen drei bis sechs Wochen.

Weitere Informationen unter 


*Jahresbericht Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung
** Quelle Statista, Statistisches Bundesamt

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