Freie Flächen als Bauland?
Immer wieder liest man folgende Headline: “Friedhofsfläche soll Bauland werden". Der Verein zur Förderung der deutschen Friedhofskultur (Vffk) sieht das kritisch. Auf einem Friedhof sind Mit-Menschen begraben. Auch wenn die Gräber längst aufgegeben wurden, hängen an diesen Orten tiefste Emotionen und wichtige letzte Erinnerungen, auf denen nicht einfach herumgetrampelt werden sollte, erklärt der Vffk in einer Pressemitteilung.
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In dieser fordert der Verein nach einem Aufschrei der Bürger. In der Mitteilung heißt es: Wenn heute ein Stadtpark oder auch nur ein Teil davon zu Bauland gemacht wird oder vielleicht nur einige Bäume gefällt werden, dann gibt es einen riesigen Aufschrei: „Wie kann man nur?“ Auf den meisten Friedhöfen stehen viele Bäume, viele Sträucher und unendlich viele Blumen, es leben dort viele Tiere und für die Menschen sind es ruhige Rückzugsorte in häufig fußläufiger Nähe.
Friedhöfe sind gebührenmitfinanzierte Grünflächen, die nun, da eine Nutzung als Friedhof scheinbar nicht mehr nötig ist, gewinnbringend als Bauland vermarktet werden sollen. Es steht die Frage im Raum, warum gerade ehemalige Friedhofsflächen so lukrative Flächen sind. Die Antwort: Es sind häufig ganz bürgernahe und gut erreichbare Grünflächen, die dadurch natürlich besonders reizvoll sind. Ach ja: Ein Stadtparkt wird meistens alleinig aus Steuermitteln finanziert.
Unsere Städte werden nicht zuletzt durch das sich verändernde Klima und die immer dichtere Bebauung immer heißer und die Luft durch zum Beispiel Feinstaub immer belasteter. Gerade Friedhöfe schaffen aufgrund ihrer vielfältigen Bepflanzung und ihrer häufigen ganz zentralen Lage mitten zwischen der Bebauung, hier wichtige Abhilfe. Anfang Juni erst titelte „ZDF heute“: „In vielen Großstädten sind „grüne Lungen“ selten. Die wenigen Parks schaffen es nicht die Luft zu kühlen.“ Friedhöfe sind ein ganz wesentlicher Teil dieser grünen Lungen!
Wo ist der Aufschrei der Naturschützer? Friedhöfe sind heute doch die letzten Refugien und Rückzugsorte von Natur in unseren zubetonierten Städten. Nirgendwo sonst ist die ökologische Dichte so hoch. Nicht selten sind unsere Friedhöfe letzte Rückzugsorte für viele bedrohte Pflanzen und Tiere. Und diese letzten Rückzugsorte für Pflanze, Tier und Mensch sollen einfach so geopfert werden? Jeder versprengte Feldhamster stoppt so manch anderes Bauvorhaben.
Wo sind die Bedenken der zukünftigen Häuslebauer? Wonach suchen Archäologen? Über welche Funde freuen sie sich ganz besonders? Gräber und alte Friedhöfe sind da sehr beliebt. Warum? Weil man auch nach vielen Jahrhunderten oder Jahrtausenden an diesen Stellen Dinge findet, die man damals mal ins Grab gelegt hat. Und wer wünscht sich schon Knochenreste im Gemüsegärtchen.
Wo ist der Aufschrei der Menschlichkeit? In vielen Religionen sind Gräber „Häuser der Ewigkeit“. Gräber haben nicht selten ewiges Ruherecht. Unsere Gesellschaft wird gerade in den letzten Jahren immer bunter und vielfältiger. Welches Menschbild geben wir unseren neuen Mitbürgern und Gästen von uns, wenn wir auf ehemaligen Gräbern heute einfach Straßen und Häuser bauen?
Wo sind die Bedenken der Verantwortlichen?
Ist die Vermarktung von Friedhofsflächen für die Kommunen wirklich die einzige Alternative? Wäre es nicht auch unter den oben genannten Gesichtspunkten interessanter andere Flächen zu nutzen oder zählt hier nur die lukrative, schöne und scheinbar in der Pflege teure Fläche, die ja auch schon im Besitz der Stadt ist?
Wo sind …. ? Es gibt sicher noch viele Fragen, die mit „Wo sind …?“ beginnen könnten. Wir sollten dringend mal über den Friedhof reden! Denken wir einfach mal neu über den Wert unserer Friedhöfe nach bevor wir sie einfach aus dem Stadtbild entfernen.
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