Genetische Vielfalt erhalten
Am 24. und 25. November 2009 hatte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zum Symposium „Erhaltung und nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen von Zierpflanzen“ nach Bonn eingeladen. Zehn Jahre nach dem ersten Symposium über genetische Ressourcen im Zierpflanzenbau, 1999 in Königswinter, galt es Bilanz zu ziehen.
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Rund 80 Fachleute aus Züchterfirmen, Gartenbauunternehmen, botanischen Gärten, Verbänden und Pflanzenliebhaberorganisationen waren der Einladung gefolgt.
Julia Klöckner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, möchte das Bewusstsein der Öffentlichkeit für den Wert von Zierpflanzen-sammlungen schärfen. Das Jahr 2010, das zum Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt ausgerufen worden ist, eigne sich dafür besonders.
Dr. Siegfried Scholz, Generalsekretär des Zentralverbands Gartenbau (ZVG), verwies darauf, dass standortangepasste, widerstandsfähige Sorten für die Sicherung der Welternährung, die Energieversorgung und zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels dringend nötig sind.
Karl Zwermann, Präsident der Deutschen Gartenbaugesellschaft 1822, berichtete, dass 50 % der Bundesbürger über ein Haus mit Garten verfügen. In modernen Gärten gebe es aber immer weniger Pflanzen, dafür immer mehr Design. Hobbygärtner investieren 60 % ihrer Ausgaben für Pflanzenschutzmittel in Herbizide, also in Mittel zur Vernichtung von Pflanzen. Ein Umdenken sei dringend nötig.
Prof. Jürgen Grunewaldt, CIOPORA Deutschland, verwies auf die weltweiten Herkünfte unserer Zierpflanzen. Von den wirtschaftlich bedeutenden Zierpflanzen haben 95 % keine genetischen Wurzeln in Europa. In der Umsatzspitzengruppe ist sogar keine dieser Herkunft. Stattdessen liegen ihre Ursprünge in Asien, Afrika, Australien und Amerika. Auch bei bereits stark züchterisch bearbeiteten Gattungen wie Rosen, Dahlien, Petunien oder Pelargonien sei noch eine unermessliche Formenvielfalt möglich. Das gehe aber nicht ohne neues genetisches Material.
Bilanz nach zehn Jahren
In Genbanken lagern weltweit etwa 7 Mio. Muster pflanzengenetischer Ressourcen, so Siegfried Harrer, Bundesanstalt für Ernährung. Aber nur sehr wenige Genbanken kümmern sich um Zierpflanzen. Die Genbank Zierpflanzen in Deutschland gehöre zusammen mit der Gen-Bank der Ohio State University zu den ersten Zierpflanzen-genbanken überhaupt.
Seit Sommer 2009 existiert die Genbank Rosen, berichtete Thomas Hawel, Leiter des Europa-Rosariums Sangerhausen. 80 % der 23 500 gemeldeten Rosen-Arten und -Sorten seien bereits in Sangerhausen vorhanden, wurden in einer Datenbank registriert und auf Echtheit überprüft. Nun werden sie unabhängig von Gesundheit, Wuchs und Schönheit erhalten und stehen Züchterfirmen zur Verfügung.
Die Genbank Rhododendron wird nach den Worten von Dr. Gerlinde Michaelis, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Bad Zwischenahn, nächstes Jahr im Rahmen der Rhodo-Schau in Westerstede feierlich eröffnet werden. 110 Sammlungen wurden deutschlandweit erfasst. 36 von ihnen sind an der Genbank beteiligt, darunter sieben Baumschulen, 13 private Sammler, zehn botanische Gärten und Sammlungen sowie sechs öffentliche Sammlungen. Insgesamt umfasst die künftige Gen-bank 28 000 Sorten und rund 1 000 Arten.
Vielfalt in Gefahr
Für alle anderen Zierpflanzenbereiche gibt es derzeit noch keine Vernetzung. Die meisten Vertreter aus der Züchtung sahen die Situation nicht rosig. Die zunehmende Industrialisierung im Gartenbau erfordert homogene Sorten. Gleichzeitig hat die Zahl der Züchtungsfirmen in den vergangenen Jahren drastisch abgenommen. Die wenigen Übrigen „fischen weltweit alle im selben Genpool“, so Dr. Manfred Mehring-Lemper, Firma Benary. „Das bedeutet eine starke Abnahme der verfügbaren genetischen Variabilität, wie sich heute schon über alle Herkünfte hinweg an stark einheitlichen Serien von Pelargonien, Petunien, Impatiens erleben lässt.“
Für die Hauptumsatzträger sieht Dr. Renate Sobek von der Firma Syngenta, Hillscheid, die Situation nicht so kritisch. Die meisten Züchterfirmen verfügten dort über einen großen Bestand alter Sorten. Schlecht sehe es dagegen bei Nischenkulturen aus. Hier gingen ständig alte Populationssorten mit breitem genetischem Potenzial verloren, denn kein Züchterbetrieb könne es sich leisten, alte Sorten über Jahre oder gar Jahrzehnte zu kultivieren, nur weil sie eines Tages wieder interessant werden könnten.
Botanische und private Sammlungen
Nur begrenzte Hilfe können die botanischen Gärten bieten, erklärte Prof. Thomas Stützel, Botanischer Garten Bochum. Zwar stünden die botanischen Gärten dem Thema sehr aufgeschlossen gegenüber. Der Erhalt einer Sammlung hinge aber meist stark vom Engagement einzelner Personen ab. Scheiden diese aus, sei eine Betreuung kaum noch möglich und die Sammlung zerfalle.
Die Vernetzung der Sammlungen in den botanischen Gärten laufe auf persönlicher Ebene. Man kennt einander, weiß, was der andere hat, und greift im Bedarfsfall darauf zu.
Pflanzen in botanischen Gärten lassen sich häufig auf ein Exemplar zurückführen, das irgendwann einmal ins Land gebracht und seither immer weiter vermehrt wurde. Die genetische Variabilität ist daher häufig gering. Nicht zuletzt schränkt das International Plant Exchange Network (IPEN), das auf der Basis der Vereinbarung über Biologische Vielfalt (CBD) entstanden ist, die Weitergabe von Pflanzenmaterial an kommerzielle Unternehmen nachhaltig ein, was im Gartenbau kaum bekannt zu sein scheint.
Peter Ruhnke, Bonn, warnte davor, die privaten Sammler zu überfahren. Diese verstünden ihre Pflanzen nicht als genetische Ressource. Sie sammelten aus Freude und Begeisterung an den Pflanzen. Niemand von ihnen wolle ausgenutzt werden von Firmen mit wirtschaftlichen Interessen. Sie alle machen einen großen Bogen um Bürokratie und staatliche Einflussnahme, zumal manche durch die Erfahrungen mit Artenschutzbestimmungen und CITES-Begleitpapieren verschreckt sind. Aus dem Plenum heraus unterstützte ihn Manfried Kleinau von der Deutschen Dahlien-, Fuchsien- und Gladiolengesellschaft, der jegliche Vereinnahmung über die Köpfe der Pflanzensammler hinweg ablehnte.
Forscher wünschen frei zugängliche Datenbank
Ohne genetische Ressourcen keine Züchtungsforschung und keine Innovation – auf diesen kurzen Nenner ließen sich drei Beiträge verschiedener Forschungsbereiche bringen. Als Beispiele für die Züchtungsforschung nannte Prof. Günter Schumann, Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg, Resistenzen gegenüber biotischen Schaderregern zur Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel, veränderte Ansprüche an Licht, Temperatur und Nährstoffe, kompakten Pflanzenaufbau, um auf Stauchemittel verzichten zu können, verbesserte Haltbarkeit und Transporteignung.
Dr. Markus Linde, Universität Hannover, plädierte dafür, den Schwerpunkt einer Genbank auf Wildarten zu legen, da vor allem dort wichtige neue Eigenschaften gefunden werden könnten. Wie er plädierte auch Dr. Thomas Borchert, IGZ Erfurt, für den Ausbau einer Deutschen Gen-bank Zierpflanzen als frei zugängliche Datenbank, die eine umfassende und kontinuierlich zu aktualisierende Übersicht über den in Deutschland dezentral vorhandenen Pflanzenbestand ermöglicht. Wünschenswert sei dabei eine Vernetzung auf europäischer Ebene.
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