Was können wir aus der Krise lernen?
Jetzt sind sie da! Die Zahlen aus der Corona-Zwischenbilanz. Das Zentrum für Betriebswirtschaft im Gartenbau (ZBG) hat die Halbjahresdaten von Gartenbau-betrieben ausgewertet und sie mit den Daten aus 2019 verglichen. Welche Erkenntnisse zeigen sich für den gärtnerischen Einzelhandel?
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Durch die Corona-Pandemie war das erste Halbjahr 2020 sehr turbulent und hielt manche Überraschungen bereit. Nach anfänglich großer Verunsicherung wurde mit Ende des ersten Lockdowns aber schnell klar, dass Gartencenter und Einzelhandelsgärtnereien in der Gunst der Verbraucherinnen und Verbraucher ganz oben standen Die Sehnsucht nach Grün und einem schönen Umfeld war bundesweit groß. Rosige Aussichten für eine Branche, die sich die letzten Jahre mit stagnierenden Umsätzen bei gleichzeitig relativ renditeschwachen Produkten auseinandersetzten musste –die Umsätze stiegen stark an.
Auf der anderen Seite stiegen aber auch die Kosten durch erhöhten Einkauf, unter anderem aufgrund von Lieferengpässen, den Hygienebestimmungen (Umsetzung eines Hygienekonzepts) und den Mehraufwand für das Personal. Ob sich die Unternehmen unter diesen Bedingungen tatsächlich auch unter dem Strich positiv entwickelt haben, sollte die Corona-Zwischenbilanz klären, zu der das ZBG zusammen mit Verbänden und der Beratung aufgerufen hat.
BWA-Vergleich bringt Licht ins Dunkel
Insgesamt beteiligten sich weit über 100 Gartenbaubetriebe an der Auswertung, in dem sie ihre Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) des 1. Halbjahres 2019 und 2020 beim ZBG einreichten. Für den gärtnerischen Einzelhandel liegen 41 Auswertungen vor. Als Schwerpunkt der Auswertung werden neben den Umsätzen der Betriebe die drei Erfolgskennzahlen betrachtet, die Sie als Unternehmen kennen müssen:
- Rohertrag (Umsatz abzüglich Material- und Wareneinsatz), er ist der Maßstab für Ihre Verkaufsleistung im gärtnerischen Einzelhandel.
- Wertschöpfung (Rohertrag abzüglich Allgemeiner Aufwand), das müssen Sie wissen, um beurteilen zu können, wie gut Sie gewirtschaftet haben.
- Reinergebnis (Wertschöpfung abzüglich Lohnaufwand für Personal und kalkulatorischer Lohnansatz für die Familienarbeitskräfte), dieser Erfolgsindikator berücksichtigt alles Wichtige, was Sie in unsicheren Zeiten im Auge behalten müssen. Was bleibt wirklich unterm Strich?
Ein Drittel steht schlechter da als 2019
Die Erfolgskennzahlen der Einzelhandelsgärtnereien zeigen im Durchschnitt aller Betriebe eine Verbesserung zum Vorjahr. Der Umsatz konnte deutlich um 13 % auf nun etwa 450.000Euro zulegen. Allerdings legte auch der Material- und Wareneinsatz im Mittel überproportional zu, sodass der Rohertrag weniger stark als der Umsatz stieg (+11 %). Der Allgemeine Aufwand veränderte sich weniger, was sich in der deutlich gestiegenen Wertschöpfung widerspiegelt (+14 %). Das Reinergebnis – als Kennzahl, was wirklich im Betrieb vom Umsatz hängen bleibt – stieg absolut im Durchschnitt um ca. 16.500Euro auf circa 48.500Euro (+51 %). Im Mittel konnten die Einzelhandelsgärtnereien unterm Strich also deutlich zugewinnen.
Soweit so gut. Schaut man sich die Zahlen aber genauer an, wird deutlich, dass nicht alle Einzelhandelsgärtnereien von der gesteigerten Nachfrage profitieren konnten und besser dastehen als im Vorjahr. 10 % der Betriebe konnten trotz boomender Nachfrage ihre Umsätze nicht steigern (siehe Abbildung). Noch spannender – gleichzeitig aber auch enttäuschend – ist, dass die 90 % der Betriebe, die höhere Umsätze erzielen konnten, den positiven Effekt nicht nutzen konnten, um auch das Reinergebnis zu verbessern. Das bedeutet, dass ein Teil der Betriebe den gestiegenen Umsatz mit einem deutlich höheren Aufwand für Material, Waren und Personal bezahlen mussten. Etwa ein Drittel (32 %) der Betriebe steht schlechter als im Vorjahr da und das trotz intensiver Arbeit und sehr hoher Belastung für Management und Personal. Diese Beobachtung kann in allen Bundesländern gemacht werden, unabhängig davon, ob Geschäfte zeitweise geschlossen werden mussten oder nicht.
Welche Lehren hat uns das erste Halbjahr 2020 gezeigt?
An welchen Stellschrauben muss in Zukunft gearbeitet werden, um gut durch Krisen zu kommen? Antworten auf diese zentrale Frage liefert Andreas Löbke, Unternehmensberater bei der CO CONCEPT:
Ist der Rohertrag zum Vorhalbjahr trotz besserem Umsatz gesunken, dann konnte der stark gestiegene Umsatz nur mit einem höheren teuren Zukauf erreicht werden. Hier sollte über eine neue Planung der Warenbeschaffung nachgedacht werden. Uns wurde berichtet, dass es vielerorts in der Krise zu Problemen in der Warenbeschaffung kam. Einige Sortimente waren zeitweise nur sehr schwierig oder teuer im Großhandel zu beschaffen, was eine neue Kalkulation der Verkaufspreise erforderte. Das Arbeiten mit den üblichen Standard-Schwellenpreisen schlug sich so bei manch einem Betrieb direkt in einem schlechteren Reinergebnis nieder.
Eine frühzeitigere Order kann dem vorbeugen und gibt Sicherheit sowohl im Einzelhandel als auch in den Produktionsbetrieben. Verlässliche Lieferketten sind in Krisenzeiten ein hohes Gut. Andererseits lassen sich über eine geänderte Preiskalkulation höhere VK-Preise erzielen. Preisdifferenzierung ist hier das Stichwort. Einzelhandelsbetriebe mit Zukauf und Eigenproduktion sollten überprüfen, ob das Verhältnis der beiden Produktquellen noch passt und ob eine Intensivierung in dem einen oder anderen Bereich eine Steigerung der Wertschöpfung ermöglicht.
Jeder Betrieb muss die Entwicklung der Arbeitsproduktivität kennen. Zu Beginn der Krise fielen in manchen Betrieben Mitarbeiter aufgrund von Quarantäne oder Kinderbetreuung aus; außerdem musste die stark gestiegene Nachfrage bedient werden. Was heißt das für die zukünftige Personalplanung? Kann schnell auf einen Mehrschichtbetrieb umgestellt oder der Ausfall von Mitarbeitern durch Mehrstunden und Aushilfen kompensiert werden? Welcher Lohnaufwand ist für den Betrieb tatsächlich tragbar, ohne sich von steigenden Umsätzen blenden zu lassen? Es wurde uns von Betrieben berichtet, die bis zu 25Euro für die Aushilfsstunde gezahlt haben, um den Verkauf zu bewältigen. Dies schlägt direkt auf das Reinergebnis durch.
Maßnahmen zur Kundenbindung haben sich in der Krise ausgezahlt. Der Einzelhandel mit gut funktionierenden Informationswegen an die Kunden war eindeutig im Vorteil (umfangreiche Kundendatei, Kundenbriefe, soziale Medien). Aus der Beratung wissen wir, dass Kunden verstärkt die lokalen Grünanbieter aufgesucht haben, um sie einerseits zu unterstützen, andererseits natürlich aber auch ihr Bedürfnis nach Nähe und Inspiration zu befriedigen. Einzelhändler, die neben den Produkten das Gefühl von „Nähe trotz Abstand" bedienen konnten, waren sehr erfolgreich.
Einige Betriebe haben in Rekordzeit Möglichkeiten geschaffen, ihre Waren online zu präsentieren und zu vermarkten und Click-and-Collect Verfahren zu realisieren. Auch hier muss geschaut werden, ob sich die Bemühungen gelohnt haben und ob dieser Absatzweg zukünftig sogar intensiviert werden sollte.
Viele gärtnerische Einzelhändler zeigten sich in den letzten Monaten sehr flexibel in der Sortimentsgestaltung und reagierten schnell auf die geänderten Bedürfnisse der Kunden, nahmen verstärkt Gemüsejungpflanzen und Zubehör in ihr Sortiment auf. Die Pandemie hat der Trend des Do-It-Yourself im Gemüseanbau noch einmal verstärkt. Auch Solitärs, Stauden und Kräuter wurden vom Verbraucher stärker nachgefragt. Zitat eines Unternehmers: „Wenn alle Hochbeete, die wir verkauft haben, in 2021 wieder bepflanzt werden, ist dieser Absatz gesichert."
Aus Krisen lernen!
Egal, welche Maßnahmen Sie letztendlich ergreifen: Wichtig ist der erste Schritt. Nach dem Motto: „aus Krisen lernen" ist es zunächst wichtig, sich überhaupt Klarheit über die eigenen Zahlen zu verschaffen und diese richtig und praxistauglich einzuordnen. Sie brauchen Transparenz! Hierbei und allen weiteren Überlegungen schafft der Betriebsvergleich für Sie die notwendige Grundlage. Für alle Fragen stehen Ihnen als Ihre persönlichen Ansprechpartner beim ZBG Peter Kohlstedt und Sascha Westphal zur Verfügung (Tel.: +49 511/762–5409 oder betriebsvergleich@zbg.uni-hannover). Wir helfen gerne!
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