„Direkt vom Gärtner zum Verbraucher"
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DEGA GARTENBAU: Frau Dümmen, was hat Sie dazu bewogen, zusammen mit Ihrem Mann den Onlineshop für Pflanzen „Green Me Up" zu gründen?
Sonja Dümmen: Unsere große Motivation war es, gute Pflanzen direkt vom Gärtner auf kurzem Wege Verbrauchern verfügbar zu machen. Wir kennen aus unserer früheren Tätigkeit als Züchter und Jungpflanzenproduzent die gesamte Kette und sehen, dass viele gute Züchtungen oft kaum am Markt erhältlich sind. Unsere Anfangsidee betraf die vielen leeren Stadtbalkone, die sich begrünen lassen. Im Laufe der Projektentwicklung zeigte sich, dass die Nachfrage nach Grünpflanzen derzeit enorm ist. Vor drei Jahren sah man noch kaum Grünpflanzen in Dekorationen von Möbelhäusern oder Dekozeitschriften und heute sind sie überall zu finden. Daher haben wir entschieden, Grünpflanzen entsprechend unserer eher jüngeren, urbanen Zielgruppe verstärkt in unser Angebot aufzunehmen. Aber die Idee ist größer. Wir möchten ein Pflanzenberater und Pflanzenbegleiter sein zu allen Bereichen wie in Wohnungen und in Gärten. Das Angebot soll ständig wechseln und die saisonal verfügbaren Produkte umfassen.
Immer wieder ist zu hören, dass Onlineshops für Pflanzen nur einen geringen Anteil vom sonstigen Umsatz der Firmen ausmachen. Was macht Sie so zuversichtlich, dass Ihr Onlineshop sich rentieren wird für die Gärtner?
Das Onlinezeitalter erreicht immer mehr frische Bereiche wie Lebensmittel und Pflanzen und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Warum also nicht lange Lieferketten reduzieren und wie auf dem Wochenmarkt direkt vom Gärtner das verkaufen, was gerade Saison hat und verkaufsbereit ist? Die Frage ist doch, was man Menschen bieten muss, die Pflanzen online einkaufen möchten. Ich glaube, wir Gärtner bieten unsere Pflanzen oft noch wie in früheren Zeiten an. Aber Verbraucher suchen heute nicht nach einer Pelargonie, rot, stehend. Sie suchen eher nach einer Lösung für den sonnigen Balkon. Ein zentraler Punkt auf unserer Internetseite ist daher der Typtest, um ein individuelles Angebot für den Kunden zu erstellen. So etwas sind Verbraucher gewohnt, beispielsweise beim Kleidungskauf per Internet. Wir bieten fertige Pflanzenpakete an, die zu dem jeweiligen Standort und Kundentyp passen. Die von uns hauptsächlich angesprochenen jüngeren, mit Pflanzen eher unerfahrenen Kunden sind mit einer reinen Pflanzenauflistung im Internet überfordert.
Wie akquirieren Sie Ihre Onlinekunden?
Sonja Dümmen: Wir verstehen uns als kleines Start-up-Unternehmen, wollen langsam wachsen und nicht mit einer Riesenkampagne starten. Hauptsächlich wollen wir uns über die sozialen Medien bekannt machen, Facebook und Instagram sind wichtige Kanäle dafür. Natürlich müssen wir auch mit Google arbeiten und unseren Weg finden. Es geht bei der online Werbung darum, die Kundschaft zu finden, die gerne online Pflanzen kaufen möchte. Das ist eine Herausforderung, aber dafür kommt mir neben dem Pflanzenwissen mein Marketingbackground der letzten Jahre zugute. Gute Fotos und Videos sind beispielsweise wichtig, um die Klientel dort zu erreichen, wo diese online unterwegs ist. Wir haben mit Pflanzen ein tolles und ein visuelles Produkt, um die Verbraucher mit Bildsprache schnell zu begeistern.
Die Preise für die Pflanzenpakete sind hoch angesetzt. Kann das funktionieren?
Sicherlich liegen unsere Pflanzenpreise höher als in einem Baumarkt. Aber bei uns müssen die Leute auch nicht losfahren und sich um den Transport kümmern, was gerade in Städten für Menschen ohne Auto eine Herausforderung ist. Wir bieten Pflanzenpakete unterschiedlicher Preisklassen an, die sich nach dem Einkaufspreis richten und liegen damit im vergleichbaren Onlinehandel im Mittelfeld. Unser Ziel ist es nicht, über den Preis zu verkaufen, sondern über den Service und Qualität. Der Preis steht in der Kaufentscheidung relativ weit unten, so meine Erfahrungen. Also werden wir probieren, mit einem guten Produkt zu einem angemessenen Preis zu verkaufen und den richtigen Kunden dafür zu finden. Studenten oder Menschen, die sehr preissensitiv kaufen möchten, sind momentan einfach nicht unsere Zielgruppe.
Wie läuft das Geschäft im Hintergrund ab? Was passiert nach einer Onlinebestellung?
Green Me Up ist eine reine Verkaufsplattform und stellt das Sortiment mit den Gärtnern zusammen. Die Verpackung selber wird von den Gärtnern vor Ort durchgeführt. Wir haben ein Verpackungssystem entwickelt und erledigen die gesamte Abwicklung. Die Gärtner erhalten quasi die Aufträge mit fertigen Packzetteln, DHL-Etiketten, suchen die Pflanzen aus dem Bestand und packen diese ein. Das heißt, eine Pflanzenkombination, ein Paket, stammt immer aus nur einem Produktionsbetrieb. Es kann natürlich sein, dass ein Kunde verschiedene Pakete bestellt, die aus unterschiedlichen Gärtnereien kommen. Der Gärtner, der die Beetpflanzen oder Monstera liefert, muss nicht derselbe sein, der die Sukkulenten liefert.
Mit welchen Gartenbaubetrieben arbeiten Sie für die Pflanzenlieferungen zusammen?
Wir sind derzeit noch in der Startphase und haben Partner gefunden, die von unserer Idee überzeugt sind und mit uns als Pioniere zusammenarbeiten. Zusammen bauen wir die Strukturen auf und entwickeln trendige Produktideen.
Ein Beispiel sind die „Pods ‚n‘Nuts" der Gärtnerei Heimatliebe. Das sind Kakaoschoten und Kokosnusshälften, welche als natürlich Pflanzgefäße für Trendpflanzen wie die Dreimasterblume oder den Sägeblattkaktus dienen. Eine geniale Upcycling-Idee, die nicht nur optisch absolutes Dschungelfeeling versprüht. Auch in Zukunft werden solche Spezialprodukte von Green Me Up zu erwarten sein. Durch unsere zahlreichen Kontakte im Gartenbau sind wir in der Lage, auch kurzfristig Besonderheiten anzubieten. In jedem Fall sind wir auf der Suche nach weiteren Lieferanten für die Zukunft. Die große Idee ist es, später eine möglichst regionale Belieferung zu bieten. Mehr Produkte sollen von Spezialproduzenten direkt an Verbraucher geliefert werden. Das System ist so aufgebaut, dass es hochskaliert werden kann. Green Me Up ist als Marke angelegt, um eine breite Plattform zu bilden und nur wenn es gelingt, über das ganze Jahr den Kunden mit verschiedensten grünen Produkten zu beliefern, wird sich die Plattform samt Werbung und Administration im Hintergrund tragen.
Möchte ein Gärtner für uns liefern, sollte er sich Gedanken über die geeigneten Pflanzen in seinem Sortiment machen, um dann gemeinsam mit uns daraus Pakete zusammenzustellen und anzubieten.
Mit welchen weiteren Unternehmen arbeiten Sie zusammen? Beispielsweise für die Verpackung, den Versand, das Marketing?
Wir nutzen da natürlich unsere bestehenden Kontakte, haben aber auch gerade im digitalen Bereich neue Welten von Dienstleistern erschließen müssen. Das ist spannend, aber auch herausfordernd. Außerdem bieten wir ja neben den Pflanzen auch andere Produkte wie Übertöpfe mit an und sind auf der Suche nach weiteren Zusatzprodukten wie Substraten oder Düngern. Hier haben wir uns bisher lokale und nachhaltige Partner an Bord geholt, weil es uns und unseren Kunden wichtig ist. Wir haben keinen Extratransport für die Zubehörprodukte, sondern die Produktionsbetriebe packen die Pakete mit den dazu bestellten Übertöpfen fertig zusammen. Das bedeutet natürlich eine gewisse Infrastruktur für die Produktionsbetriebe mit Lager und Packplatz. Dafür nutzt der Gärtner die große Plattform und kann eine größere Menge verkaufen.
Was glauben Sie, wann wird das Unternehmen Green Me Up schwarze Zahlen schreiben?
In drei Jahren, hoffentlich, so zumindest der Plan. Wir müssen dafür eine erhebliche Menge über unseren Absatzkanal Green Me Up verkaufen und eine Stammkundschaft aufbauen. Das funktioniert nicht in einem halben Jahr, da machen wir uns keine Illusionen.
Was bedeutet die Corona-Pandemie für Ihr neues Unternehmen? Sicherlich beflügelt diese den Onlinepflanzenkauf?
Ich glaube auf jeden Fall, dass Corona die digitale Welt verschnellt. In der grünen Branche ist immer noch viel zu hören, dass der Pflanzenonlinehandel sich nicht weiterentwickeln wird, sondern dass die Menschen die Pflanzen sehen und anfassen wollen. Das sind jedoch Argumente, die man für andere Produkte wie Kleidung auch benutzt hat und wie wir wissen sieht die Realität heute anders aus. Durch Einflüsse wie Corona bekommt diese Entwicklung nochmal eine andere Dimension. Andererseits hat es uns nachdenklich gemacht, zu einer Zeit ein Unternehmen zu starten, während viele andere Unternehmen schließen müssen.
Insgesamt glaube ich, dass der bisherige Onlinepflanzenverkauf wachsen wird. Wir sind im Übrigen auch nicht die Einzigen, die während der letzten zwei Jahre mit einem Onlinepflanzenhandel auf den Markt gekommen sind. Das ist auch gut, denn allein kann man nur schwer einen Markt verändern, um eine höhere Nachfrage entstehen zu lassen. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass dadurch Gartencenter und andere lokale Verkaufsstellen verschwinden werden und es nur noch online Pflanzen zu kaufen gibt. Die junge, städtische Bevölkerung hat andere Einkaufswege und kauft auch gerne Pflanzen. Es geht auch darum, den Pflanzenmarkt für die voll berufstätigen Städter ohne Auto zu erweitern, die ohnehin nicht zu einem Gartencenter fahren würden.
Wie nachhaltig bezeichnen Sie Ihr Geschäft?
Ein Aspekt, der uns und unseren Kunden ganz wichtig ist und zu unserer Unternehmensphilosophie gehört. Nachhaltigkeit zeigt sich in den kurzen Wegen, in dem direkten Lieferweg vom Gärtner zum Verbraucher und in der Produktwahl.
Wir verzichten zum Beispiel auf Plastikverpackungen. Mein Mann hat zusammen mit den Produzenten eine systematische Verpackung entwickelt, in der die Pflanzen den Versand gut überstehen und die ohne Plastik auskommt. Wir brauchen keine Etiketten und Infobroschüren, sondern geben alle Informationen und Pflegehinweise online.
Für unsere Partnerbetriebe sind uns nachhaltig arbeitende Produzenten wichtig. Damit meine ich nicht unbedingt eine Bioproduktion. Es kann auch die Auswahl der Pflanzen sein, die insgesamt weniger Pflanzenschutzmittel oder Wasser benötigt als andere, der Biodünger oder der Übertopf, der nicht aus Plastik besteht.
Wichtig bei allem ist, dass wir authentisch und transparent sind und uns das Vertrauen der Kunden durch das Produkt erarbeiten.
Sonja Dümmen gründete mit ihrem Mann Tobias Dümmen „Green Me Up" und leitet die Firma. Vor dem Kauf führen die Kunden einen Typtest auf der Webseite durch. Sie geben Vorlieben, Abneigungen, Gießgewohnheiten und Standortbesonderheiten an. Basierend auf den Antworten schlägt „Green Me Up" Pflanzenwunschpakete aus zwei bis fünf Pflanzen vor, dazu passende Übertöpfe, Erde & Co. Unkundigen Verbrauchern soll es so einfach wie möglich gemacht werden. Das Angebot soll laufend wechseln und saisonal verfügbare Produkte widerspiegeln. Plastikfrei verpackt werden die Pflanzenpakete direkt vom Gärtner verschickt. Das „Green Me Up"-Magazin gibt praktische Pflegetipps und vermittelt Pflanzenliebe in Homestorys (www.greenmeup.de).
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